Hamburg . Aus Angst vor Klagen kaufte die Stadt rund 60 Häuser auf und ließ sie leerstehen. Nach mehr als zehn Jahren werden sie wieder bezogen.
Die „Geisterstadt am Ende der Landebahn“ – so titelte das Abendblatt vor knapp zehn Jahren über den Leerstand entlang der Hasselwerder Straße in Neuenfelde. Rund 60 Häuser hatte die Stadt in den Jahren zuvor dort aufgekauft, weil sie Klagen gegen die geplante Verlängerung der Airbus-Landebahn befürchtete.
Hunderte Bewohner des Dorfes zogen weg, Geschäfte und Vereine litten unter dem Schwund. Doch nun kehrt offenbar neues Leben in diesen Teil Neuenfeldes ein. 2015 hatte die städtische Wohnungsgesellschaft Saga die meist leerstehenden Häuser von der Finanzbehörde übernommen.
Immer einmal wieder wurde ein Gebäude in den vergangenen Monaten saniert und Wohnungen vermietet. Der große Schwung neuer Bewohner dürfte aber nun im kommenden Jahr kommen. Gut 20 Gebäude mussten dort auch abgebrochen werden, weil ihr Zustand zu marode war. In den Lücken am alten Deich will die Saga nun 18 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und noch einmal 37 in Reihenhäusern bauen.
Baustart im April
Im April wird Baustart sein, kündigte jetzt der zuständige Saga-Projektleiter Mattis Gast im Stadtplanungsausschuss der Bezirksversammlung Harburg an. Man habe Angebote von Bauträgern eingeholt und müsse nur noch „einige technische Fragen klären“. Wobei die Saga die Wohnungen im Bestand halten und vermieten wolle, wie Gast sagte.
Im Ausschuss stellte er auch erste Skizzen zu den Neubauten vor, die sich stark an dem typischen Ortsbild des Altländer Dorfes orientieren. Die Giebel und Haustüren sind zu Straße und Deich ausgerichtet, Parkplätze liegen im hinteren Teil. Backstein und ein Wechsel mit hellem Putz prägen die Fassaden.
Durchschnittlich 95 Quadratmeter Wohnfläche mit drei bis 5 Zimmern sollen die Reihenhäuser aufweisen, die Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern werden etwas kleiner. Ein Drittel der Wohnungen soll öffentlich gefördert sein. Etwa zwölf Millionen Euro wird das städtische Unternehmen in diese Neubauten investierten.
Zu wenige Einwohner
In Neuenfelde selbst stößt der baldige Neubau auf breite Zustimmung. „Darauf haben wir lange gewartet“, sagt etwa Rosel Quast, die mit ihrem Mann eine Drogerie in Neuenfelde betreibt. In dem kleinem Zentrum des Ortes sind die Folgen des Einwohnerschwundes noch immer gut sehen. Eine Zweigstelle der Hamburger Sparkasse dort steht ebenfalls schon länger leer. „Uns fehlten hier über Jahre auch viele Kunden“, sagt Rosel Quast.
„Im Dorf ist man froh, dass sich hier jetzt endlich etwas tut, lange haben wir dafür gestritten“, sagt auch Ekkehard Rumpf. Der Rechtsanwalt wohnt selbst in der Hasselwerder Straße. 2002 sei er sozusagen der letzte Mieter gewesen, der in eines Häuser an der Hasselwerder Straße noch einziehen konnte. Danach gab es aus Angst vor Klagen eine Art Mietenstopp und immer mehr Nachbarhäuser standen bald leer.
Offenbar eine Fehlkalkulation, weil 2010 ein Lärmgutachten feststellte, dass dort sehr wohl Menschen wohnen könnten ohne Schaden zu nehmen. „Die Zahl der Flugzeuge ist auch überschaubar, mich stört das nicht“, sagt er. Rumpf rechnete seinerzeit vor, dass die Stadt pro Monat auf rund 50.000 Euro Mieteinnahmen verzichtet, wenn die Häuser leerstehen.
Doch die Wiedervermietung der Geisterstadt-Gebäude zog sich weiter hin, mehr als zehn Jahre lang tat sich kaum etwas. Dabei hatte der Neuenfelder Obstbauer Cord Quast bereits 2004 die Wiedervermietung zur Bedingung gemacht, als er ein Grundstück für die Landebahnverlängerung verkaufte. Die Folge: Immer mehr der leerstehenden Häuser verfielen, so dass sie nicht mehr saniert werden konnten.
Die Verlängerung der Flugzeugpiste um 589 Meter Richtung Neuenfelde war im Übrigen seinerzeit damit begründet worden, dass dort auch eine Frachtversion des Riesenjets A 380 landen können müsste. Gebaut wurde eine solche Version allerdings nie.
Neuenfelde
Mit rund 4400 Bewohnern auf einer Fläche von immerhin 15,5 Quadratkilometern ist der Hamburger Stadtteil Neuenfelde eines der am dünnsten besiedelten Gebiete Hamburgs.
Tatsächlich ist Neuenfelde auch ein klassisches Dorf im Alten Land, das wie die Nachbarorte stark vom Obstbau geprägt ist und etwa 70 Betriebe der Branche aufweist.
Geprägt ist der Ort aber auch vom nahen Airbus-Flugzeugwerk im benachbarten Finkenwerder. Lange gab es Streit um die Landebahn-Verlängerung in Richtung Neuenfelde. Von 2002 bis 2005 kaufte die Stadt Häuser in der Einflugschneise auf, um Klagen zu verhindern. 2007 wurde die verlängerte Flugzeugpiste schließlich freigegeben.