Lüneburg. Seit einem halben Jahr dient das „Mosaique“ mitten in Lüneburg als Treffpunkt. Es gibt Sprachkurse, Spiele und Seniorendisko
Bunt ist es im Haus der Kulturen, starke Farben leuchten auf Stühlen und Kissen, in Regalen und Blumenvasen, an Wänden und Kaffeebechern. Dazwischen ziehen sich dünne weiße Säulen vom Boden bis zur Decke, erinnern hellgraue Bürotische daran: Hier wird auch gearbeitet. Zum Beispiel im Deutschunterricht, zu dem sich hier fast täglich mehrere Teilnehmer aus unterschiedlichen Ländern zusammenfinden.
Die kostenlosen Kurse, geleitet von Ehrenamtlichen, sind Teil des vielfältigen Angebots, das von mehreren interkulturellen Initiativen gestaltet wird. Sie bieten Arbeitsmarkt- und Studienberatung, Gitarrenunterricht, Tanzen, Yoga und Akupunktur an, organisieren Konzerte, Diskussionsrunden, Filmabende und Workshops.
Mosaique — unter diesem Namen hat vor einem halben Jahr das Haus der Kulturen in Lüneburg eröffnet. Es soll eine Anlaufstelle sein für Menschen unterschiedlicher Herkunft und jeden Alters. In einem offenen, geschützten Raum sollen Menschen aus aller Welt und mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen zusammenkommen, sich kennenlernen, einander zuhören, respektvoll miteinander umgehen, gemeinsam kreativ sein und voneinander lernen. Ein Team aus mittlerweile 150 Ehrenamtlichen — die jüngste sechs, der älteste 87 Jahre alt — kümmert sich darum, dass diese Vision in einem denkmalgeschützten Haus mitten im Stadtzentrum Wirklichkeit wird.
Manon Le Hir ist jeden Mittwoch hier, oft auch montags und zu Veranstaltungen am Wochenende. Die Studentin der Kulturwissenschaften übernimmt regelmäßig den sogenannten Saaldienst, schließt die Tür auf und zu und hat ein Auge darauf, dass die Besucher sich zurechtfinden. „Viele kommen für die Deutschkurse“, erzählt die 24-Jährige. Immer wieder werde sie gefragt, wie das denn nun richtig sei mit den deutschen Wörtern, den Artikeln und dem Dativ. Der? Dem? Oder doch das? „Die wollen das ganz genau wissen. Aber warum fragen sie ausgerechnet mich?“, ruft sie mit unüberhörbarem französischen Einschlag und ihr Lachen hallt durch den ganzen Raum. „Ich habe doch selbst einen Akzent!“
Auf Mosaique wurde sie im vergangenen Winter aufmerksam, da wurde noch intensiv geplant, durchdacht und vorbereitet. Das „-que“ im Projektnamen sei ihr aufgefallen, sagt Manon Le Hir und muss wieder lachen. „Das war offensichtlich irgendwas Französisches.“ Sie stieß zu der Planungsgruppe und half, wo Hilfe gebraucht wurde. Sie übersetzte den Newsletter, baute mit an einem Bett für eine der Wohnungen, kochte, sang und bemalte zusammen mit einigen Kindern eine Sitzbank mit bunten Farben. Die Bank schleppt die Studentin nun jedesmal, wenn sie Saaldienst hat, als erstes nach draußen vor den Eingang des Kulturhauses. „Das ist das Zeichen, das wir geöffnet haben.“
In den sogenannten Bauwochen zu Beginn dieses Jahres haben die Ehrenamtlichen das Haus der Kulturen nicht nur baulich für die Eröffnung im März vorbereitet. Sie haben sich zugleich mit den Aufgaben auseinander gesetzt, die damit auf sie zukommen würden. „Jeder konnte Ideen einbringen, das war eine sehr intensive Zeit“, erzählt Manon Le Hir. Ihr Selbstverständnis fassten sie nach intensiven Diskussionen auch in Worte. Schwarz auf weiß zieren sie eine Wand im Haus. „Hoffnung“ steht da, „Hilfe“ und „Toleranz“. Auf einer weiteren Wand sind die Übersetzungen zu lesen, auf Arabisch, Farsi und Japanisch.
Außerdem verfassten die Freiwilligen eine Charta, an der sich ihre Arbeit orientieren soll. „Wir verstehen es als einen Ort, an dem unterschiedliche Menschen zusammenkommen können“, sagt Eva Kern. Die 30-Jährige hat vor kurzem ihre Doktorarbeit abgegeben und ist bei Mosaique zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Die Aufgabe des Teams sei es, gute Bedingungen für diee Treffen zu schaffen und die beteiligten Initiativen zu vernetzen.
So treffen sich viele sogenannte Tandems — zwei Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, — in dem Haus, um im Gespräch miteinander ihre jeweiligen Sprachkenntnisse zu vertiefen. Ein Platz findet sich immer, den Kaffee gibt es gegen Spende und wer will, findet auch weitere Gesellschaft. Wer ein neues Tandem gründen will, kann sich in eine Liste eintragen.
Das Haus ist keineswegsnur ein Ort für Geflüchtete
Nicht alles lief von vornherein so, wie sie sich es vorgestellt hatten. So stellten sie zum Bespiel nach einiger Zeit fest, dass ihre Besucher überwiegend Männer waren. Um mehr Frauen und Kinder für die Angebote zu gewinnen, wurden Familientage und Spielenachmittage eingeführt, Frauen aus Flüchtlingsunterkünften werden zu Spaziergängen eingeladen, die bei Kaffee und Kuchen im Mosaique enden.
Das Haus sei aber keinesfalls nur ein Ort für Geflüchtete, betont Eva Kern. Gerade auch Menschen unterschiedlichen Alters sollen hier zusammenfinden. So können Studenten der Lüneburger Uni eigene Projekte umsetzen und gerade ist eine Veranstaltung mit dem Titel „Disko 70plus“ in Planung — organisiert von einer Ehrenamtlichen im fortgeschrittenen Alter. Manon Le Hir bereitet ein Gartenprojekt vor, das als Kooperation mit verschiedenen Schulen umgesetzt werden soll. „Wir wollen mit den Kindern eine Wand mit Kräutern bepflanzen“, sagt sie. „Toll wäre es, wenn wir danach regelmäßig mit Zutaten aus dem Kräutergarten gemeinsam kochen.“
Die Angebote sind für die Teilnehmer kostenlos. Finanziert wird das Projekt vor allem durch die Vermietung der fünf Wohnungen, die in den oberen beiden Stockwerken gebaut wurden, hinzu kommen Fördergeld aus verschiedenen Töpfen, Beiträge der Fördermitglieder, Spenden— und einen entgegenkommender Vermieter. Der Verein hat das 750 Quadratmeter große Haus von einer Grundstücksgesellschaft gemietet.
„Das ist unser Anfängerbonus“, sagt Eva Kern. „Aber im kommenden Jahr müssen wir selbst mehr einnehmen.“ Dafür seien vor allem weitere Fördermitglieder notwendig. Außerdem gebe es die Idee, das Haus vormittags zum Beispiel für Anbieter von Yogakursen oder ähnlichen kostenpflichtigen Angeboten zu vermieten. Der 150 Quadratmeter große Raum im Erdgeschoss kann schon jetzt durch eine Trennwand geteilt werden — wenn bei Sprachkursen, Workshops oder Konzerten eine Seite mehr Ruhe braucht als die andere.
Die Ehrenamtlichen sind froh, wenn viel los ist, dann wagen sich auch mehr Neugierige spontan von der Straße hinein. Viele stellten Fragen zu dem Projekt, andere wollten Flyer für ihre Initiativen auslegen oder sich selbst engagieren, sagt Manon Le Hir. Für alle soll das Haus der Kulturen ein Treffpunkt werden. „Das Schöne ist, dass man hier immer jemanden trifft. Dann wird aus einem kurzen Besuch schnell ein ganzer Nachmittag.“