Harburg. Die Einrichtung in der Steinikestraße ist das älteste existierende „HdJ“ in Hamburg. Ehemalige gesucht.

Die Billardkugeln und der Kicker klackern schon, im Sportraum bandagieren sich einige Jungs und Mädchen gerade die Hände für ihr Boxtraining und von irgendwo ertönt Musik. Der Nachmittag im Haus der Jugend (HdJ) Steinikestraße nimmt Fahrt auf. Kirsten Szeremeta dreht ihre Runde, grüßt hier und da, klönt und schnackt, gibt auch mal eine Anweisung und geht wieder ins Büro. Die Leiterin des HdJ hat ein Jubiläum zu organisieren: Am 3. Juli ist die Einrichtung 60 Jahre alt geworden. Nur war das in den Ferien. Um möglichst viele ihrer Besucher an den Vorbereitungen für die Feier beteiligen zu können, wurde das Fest auf den 28. September gelegt.

„Ich bin mir sicher, dass wir das älteste existierende Haus der Jugend in Hamburg sind“, sagt Kirsten Szeremeta, „ich habe jedenfalls kein anderes gefunden, das so alt ist wie wir.“

Als das Haus der Jugend 1958 eröffnet wurde, gehörte es zur ersten Generation staatlicher Jugendzentren in Hamburg, war aber nicht das erste. Viele Jugendeinrichtungen der Stadt sind allerdings mittlerweile an freie Träger ausgelagert oder wurden gar ganz geschlossen.

Die meisten der jungen Leute, die hier so züchtig tanzen, haben heute Enkel oder Urenkel
Die meisten der jungen Leute, die hier so züchtig tanzen, haben heute Enkel oder Urenkel © xl | Lars Hansen

Auch das HdJ Steinikestraße hätte es beinahe getroffen. „Als ich 1992 hier anfing, gab es zwei Vollzeitstellen – und der Sparkurs sollte noch weitergehen. Dann hätten wir das Haus schließen müssen, zumindest tageweise“, erinnert sich Kirsten Szeremeta. Gemeinsam mit den Besuchern des Hauses und Teilen der Bezirkspolitik machte man damals Druck.

„Heute geht es zum Glück wieder“, sagt Szeremeta, „Mit mir als Leitung, einer weiteren Sozialpädagogin, die sich auf meine Nachfolge vorbereitet, und drei Erziehern sind wir fünf Festangestellte. Dazu kommen noch einmal zahlreiche Honorarkräfte, ohne die hier gar nichts laufen würde.“

Dabei war das Haus der Jugend für manchen ein Karrieresprungbrett: Der erste Leiter des HdJ Steinikestraße, Heinrich Zeriadtke, wurde später Leiter des Jugend- und Sozialdezernats im Harburger Bezirksamt und auch der vorletzte Harburger Sozialdezernent Holger Stuhlmann war am Anfang seiner Berufslaufbahn im HdJ tätig.

Dass es eine gute Entscheidung war, Häuser der Jugend zu eröffnen, zeigte sich in Harburg von Anfang an: Zwar war das Haus auf 250 Besucher ausgelegt, laut Zeitzeugenberichten konnte es aber auch schon mal vorkommen, dass bis zu 1000 Jugendliche zu Veranstaltungen kamen. Wer an der Tür nicht eingelassen wurde, kletterte durchs Fenster. Selbst im ersten Stock wurden diese daraufhin vergittert. Etwas Entspannung kam erst 1976, als der Sport- und Tanzsaalanbau neben der alten Villa fertig war und 1978, als mit dem FZ Nöldekestraße ein weiteres Harburger Jugendzentrum öffnete.

In den 80er-Jahren kam auch die HipHop-Kultur nach Harburg
In den 80er-Jahren kam auch die HipHop-Kultur nach Harburg © xl | Lars Hansen

Einfach war die Arbeit im Haus der Jugend Harburg selten: Anfang der 70er-Jahre gehörte die Steinikestraße zu den Häusern, in denen Rockergruppen das Kommando übernehmen wollten, Mitte der 80er-Jahre waren es die Streetgangs, die eine ausgesprochene Gewaltkultur pflegten. Beiden Phänomenen begegneten die Mitarbeiter mit pädagogischem Geschick und letztlich erfolgreich.

Damit sich gar nicht erst wieder Gewaltkulturen etablieren können, setzen Kirsten Szeremeta und ihre Mitarbeiter auf Aggressionsabbau durch ein breit gefächertes Sportangebot – auch das Boxen gehört dazu – und Entspannungskurse, wie „gekonnt chillen“. „Dabei war ich mir erst unsicher, ob das bei den Besuchern überhaupt ankommt“, sagt Kirsten Szeremeta, „aber das Bedürfnis nach Entspannung ist viel größer, als ich dachte.“

120 Stammbesucher zählt das Haus der Jugend Steinikestraße derzeit. Neben den Sportkursen setzt das Haus auch auf Musikangebote – ein gutes Dutzend Bands probt in den Übungsräumen des HdJ – und die klassische „offene Arbeit“: Jugendliche kommen nachmittags an und entscheiden spontan, worauf sie heute Lust haben. Außerdem greift das HdJ auch den umliegenden Schulen unter die Arme, wenn es um Nachmittagsangebote für Schüler geht. „Dabei ist mir aber wichtig, dass die Schüler zu uns kommen und wir nicht Personal für die Schulen stellen“, sagt die Leiterin.

Für die Zukunft wünscht sich Kirsten Szeremeta, dass die Jugendhilfe wieder mehr über feste Budgets finanziert wird. „Ein zu großer Teil unser Arbeit wird aus Projektmitteln finanziert. Damit kann man nicht langfristig planen!“

Geplant wird jetzt erst einmal das Jubiläumsfest. Einige Jugendliche der ersten Stunde – sie gehen mittlerweile auf die 80 zu – haben ihr Kommen schon angekündigt. Das HdJ-Team freut das. „Alle Ehemaligen sind willkommen. Besonders suchen wir nach Bands und Musikern, die hier früher aufgetreten sind und heute noch zum Programm beitragen könnten!“