Das Abendblatt stellt Bauernhöfe vor, die den Besuchern Besonderes bieten. Heute: Der Hof Böttcher, wo Milch aus dem Automaten kommt.

Martina Berliner

„Neele, es gibt Milch!“, ruft Andrea Böttcher ihrer Enkelin zu. Schon kommt die Vierjährige angeflitzt, ihren jüngeren Spielkameraden im Schlepptau. Die beiden Kleinen lieben Milch. Und zu beobachten, wie sie aus dem Automaten gezapft wird, ist immer wieder spannend für die Kinder. Andrea Böttcher wirft eine Münze in den Schlitz, drückt einen Knopf und lässt zwei Becher voll laufen. Während sie noch das Wechselgeld aus dem Rückgabefach sammelt, trinken Neele und Robin die auf fünf Grad Celsius gekühlte Leckerei bereits in tiefen Zügen. Die letzten Tropfen lecken sie genüsslich aus den Mundwinkeln.

„Unsere Milch schmeckt eben besonders gut“, sagt Andrea Böttcher stolz. Die 55-Jährige ist auf dem Bauernhof der Familie Böttcher bei Otter für das Melken der 130 Kühe zuständig. Morgens und abends je zwei Stunden ist die Bäuerin damit beschäftigt. Direkt nach dem Melken wird die Milch gefiltert, gekühlt und ein Teil in den Automaten gefüllt. Das nahrhafte Getränk hat seinen natürlichen Fettgehalt und ist weder homogenisiert noch pasteurisiert. Deshalb weist ein Schild weist darauf hin, dass sie vor Genuss abgekocht werden sollte. „Aber das machen wir selbst nicht und die meisten unserer Kunden auch nicht. Denn der gute Geschmack wird ja gerade in unbehandelter Milch bewahrt.“

„Echt Kuh-l: Vom Gras ins Glas“ ist auf dem Holzhäuschen zu lesen, das neben dem Milchautomaten auch einen Kühlschrank beherbergt. Darin stehen leere Milchflaschen zum Verkauf. Auch von einer mobilen Molkerei auf dem Hof produzierter Rohmilchkäse in vier verschiedenen Sorten, Fleisch von hofeigenen Highlandrindern sowie frische Eier sind zu haben.

Es war Andrea Böttchers Idee, die „Milchtankstelle“ anzuschaffen, an der rund um die Uhr gezapft werden kann – an 365 Tagen im Jahr. Der Automat erlaubt es, wenigstens ein Bruchteil der Produktion zum fairen Preis zu verkaufen. Direkt ab Hof kostet der Liter einen Euro. Das Deutsche Milchkontor, das den Löwenanteil der jährlich von Böttchers Schwarzbunten produzierten 1100000 Liter aufkauft, zahlt gerade mal 32 Cent. „Das sind drei Cent weniger, als zur Deckung der Produktionskosten nötig wäre. Wir befinden uns in der Verlustzone“, erklärt Klaus Böttcher. Der Altbauer hat den Hof kürzlich an seinen Sohn Jan übergeben. Der 28-jährige Jan führt den Betrieb in dritter Generation.

Wie die beiden Nachbarhöfe wurde das Anwesen in den 1950er-Jahren in der Wümmeniederung gegründet. „Oma kam aus Schlesien, Opa aus Bremen“, erklärt der Jungbauer, der auf dem Hof von seinen Eltern und einem Angestellten unterstützt wird. Seine Arbeitstage dauern dennoch vom Morgengrauen bis in den Abend, damit es den 130 Milchkühen sowie den 220 Rindern, Bullen und Kälbern gut geht.

Die Tiere leben in modernen Stallungen. Die Seiten sind offen. Bei Regen und Wind können schützende Planen herunter gelassen werden. Zum „Kuhkomfort“ gehört, dass die Kühe sich frei bewegen und selbst entscheiden können, wann und ob sie fressen oder in mit Häckselstroh gefüllten Boxen liegen wollen. Unter freiem Himmel weiden nur einige wenige Highland-Rinder und die kurz vor dem Kalben stehenden Kühe. „Die haben sechs Wochen Urlaub“, schmunzelt Jan Böttcher. Müssten auch die milchgebenden Kühe auf der Weide grasen, produzierten sie weniger.

Im Stall finden die Tiere konstant und gleichmäßig Futter und Wasser vor. Das Futter baut Böttcher auf eigenen Flächen und Pachtland an: 75 Hektar sind Dauergrünland, auf 40 Hektar wächst Silomais und auf 25 Hektar Getreide. Bis auf den Mähdrusch und das Mahlen des Getreides führt er alle Arbeiten selbst aus. „Wir haben einen großen Maschinenpark und reparieren sie auch selbst“, erklärt Jan Böttcher.

Für das Vergären der Gülle hat er in eine Biogasanlage investiert. Sie hat eine Leistung von 30 Kilowatt und wird ausschließlich mit den Exkrementen des Viehs betriebenen. Daraus entstehen jährlich 220000 Kilowatt Strom, die Böttcher verkauft. Zusätzlich fällt genügend Wärme an, um die rund 200 Quadratmeter Wohnfläche der Familie zu beheizen. Die Anschaffung der staatlich geförderten Anlage hat sich nach fünf Jahren schon fast amortisiert. „Die Gülle von drei bis vier Kühen versorgt einen Durchschnittshaushalt mit Strom. Jeder Viehbetrieb sollte so eine Biogasanlage haben“, findet der junge Familienvater. Die vergleichsweise geruchsarme Gülle aus dem Fermenter bringt er wieder möglichst bodennah auf seinen Feldern aus. „So gelangt fast nichts in die Luft.“

Umweltschutz ist ihm wichtig. Und dass Tiere den Böttchers am Herzen liegen, ist offensichtlich. Jans Frau Sina liebt besonders die Kälbchen. Seine Tochter Neele kuschelt gern mit ihrem Kaninchen „Elsa“. Und seine Mutter hat neben dem Milchautomaten ein Schild angebracht. Darauf ist zu lesen: „Unser Schwein ist Mama geworden! Kommen Sie gern mit ihren Kindern auf den Hof und schauen sich die Ferkel an.“ Andrea Böttcher lächelt. „Gerade Urlauber aus der Stadt haben Interesse daran, einen Bauernhof näher kennen zu lernen. Auch die Kuhställe dürfen unsere Kunden natürlich gern besuchen.“

Hof Böttcher, Wümmegrund 1, Otter, Telefon: 04180/752