Harburg. Der Fotobestand des Stadtmuseums wird seit Herbst 2017 digitalisiert. Eine Auswahl soll bald im Internet zugänglich sein.
Es ist ein Schatz, der Harburgs jüngere Stadtgeschichte in einem noch nicht gekannten Maße anschaulich macht: Das Archäologische Museum Hamburg/Stadtmuseum Harburg erfasst seinen umfangreichen Fotobestand digital und wird eine erste Auswahl im Herbst über das Internet der Öffentlichkeit vorstellen. Gut 144.000 Bilder sind bereits eingescannt – mit Hilfe von vier Mitarbeitern der Elbe-Werkstätten, die im Bürotrakt des Museums mit Feuereifer bei der Sache sind.
„Das Projekt ist deutschlandweit einzigartig. Es wurde von unserer ehemaligen Stadthistorikerin und jetzigen Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard ins Leben gerufen“, sagt Dr. Michael Merkel, Sammlungskoordinator des Harburger Doppel-Museums. Er hat die Projektleitung übernommen, plant zudem ein Buch zum Thema. Die Arbeit ist gerade erst zur Hälfte bewältigt – Merkel schätzt den Umfang des Bildbestands auf knapp 300.000 Aufnahmen.
Der Fundus stelle einen wesentlichen Teil der fotografischen Überlieferung Harburgs dar, mit dessen Hilfe sich der Wandel des Stadtbildes von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute nachvollziehen lasse, so Merkel. Die Digitalisierung schaffe die Grundlage, um eines Tages einen systematischen Überblick über 150 Jahre Urbanisierung Harburgs zu erhalten und ihn für die Stadt- und Regionalforschung sowie für die Architekturgeschichte zu erschließen, freut sich der Historiker. Durch Querverweise zwischen den Objekten soll ein dichtes Netz an Informationen entstehen, das auch für schulische und private Recherchen genutzt werden kann. Doch bis dahin ist es noch weit.
Allein das Einscannen von Abertausenden Bildern ist eine Herausforderung. Vor ihr stehen auch andere Museen, aber anders als sie haben die Harburger besondere Helfer: Ihnen steht eine vier- bis fünfköpfige Außenarbeitsgruppe der Elbe-Werkstätten zur Seite.
Merkel: „Wir haben für dieses Pilotprojekt einen tollen Partner gefunden, mit dem wir langfristig zusammenarbeiten wollen. Ohne die engagierten, kompetenten Mitarbeiter der Elbe-Werkstätten wäre das Projekt gar nicht möglich.“ Das Stadtmuseum Harburg (ehemals Helms-Museum) ist das erste Hamburger Museum, das eine solche Kooperation zur Digitalisierung seines Archivs eingegangen ist.
Die Mitarbeiter der Elbe-Werkstätten gehören zum Betrieb Elbe ReTörn für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. „Unsere Mitarbeiter im Museum genießen diese Sinn stiftende Arbeit an einem Kulturgut. Das Helms-Museum macht herausragende kulturelle Angebote im Süderelberaum. Dass ausgerechnet wir jetzt dort sitzen und helfen, die Schätzchen zu bergen, ist etwas ganz Besonderes“, sagt Jens Rabe, der den Betrieb Elbe ReTörn leitet.
Mit dem Transfer der auf Glasplatten, Kleinbild-Negativen und Dias gebannten Fotodokumente ins digitale Zeitalter ist die Arbeit aber längst nicht getan. Zwar sind die Bilddokumente damit vor dem Verfall gerettet – mit ihnen arbeiten lässt sich aber erst, wenn den Dateien die Inhalte der Bilder beigefügt sind. Hier setzt Merkel auf künstliche Intelligenz.
„An der Technischen Universität Hannover habe ich mir zeigen lassen, wie Computerprogramme zur automatischen Erkennung von Fotoinhalten arbeiten, vor allem die automatische Gesichtserkennung. Was im Alltag eher beängstigend wirkt, das könnten wir wunderbar nutzen, um Fotoinhalte zu beschreiben und zuzuordnen.“
Doch dazu muss die Software erst einmal mit Daten gefüttert werden: Sie braucht Namen zu Gesichtern und Gebäuden, um diese auf anderen Fotos wiedererkennen zu können. Geht es nach Michael Merkel, könnten die Mitarbeiter der Elbe-Werkstätten auch diese Arbeit übernehmen. Allerdings steht dafür derzeit kein Geld zur Verfügung. Die Digitalisierungsarbeit bezahlt die Kulturbehörde. Nun hofft Merkel, dass seine ehemalige Kollegin Leonhard etwas Geld aus dem Sozialetat beisteuern kann, um dieses Beispiel einer gelungenen Inklusion weiterführen zu können.
Der übernächste Schritt ist dann die Arbeit mit den Fotodokumenten. „Ein besonderer Schatz sind die Bilder eines Zeitungsfotografen, der von 1952 bis 1992 für die Harburger Anzeigen und Nachrichten gearbeitet und uns seine Fotos überlassen hat. Ich schreibe gerade einen Antrag für ein Forschungsprojekt zur Auswertung seiner frühen Fotos aus der Nachkriegszeit. Das Ziel ist die Dokumentation des Wirtschaftswunders in Harburg“, sagt Michael Merkel.
Der Sammlungsleiter ist begeistert von dem fast unerschöpflichen digitalen Archiv, das derzeit entsteht, und lobt wiederholt die Arbeitgruppe der Elbe-Werkstätten – „eigentlich gehört so ein Team in jedes Museum“.
Aufruf Das Stadtmuseum fragt die Leser, ob jemand Hinweise zum unbekannten Foto auf der Seite unten links geben kann? Es zeigt einen Mann vor einem Fahrradgeschäft. Über sachdienliche Hinweise freut sich Michael Merkel unter der E-Mail Merkel@amh.de Elbe-Werkstätten
An mehr als 50 Standorten im Raum Hamburg bieten die Elbe-Werkstätten Menschen mit Behinderung Zugang zu beruflicher Bildung und Arbeit sowie individuelle Unterstützung und pflegerische Hilfe. Ziel ist die Qualifizierung und Eingliederung in den beruflichen Alltag – auch im allgemeinen Arbeitsmarkt.
Drei Standorte liegen im Bezirk Harburg und bilden den Bereich Elbe Süd: am Nymphenweg in Marmstorf, im Försterkamp sowie im Dubben in Hausbruch. Hinzu kommt das Kunstatelier Freistil. Mit rund 460 Menschen mit Behinderung ist Elbe Süd der viertgrößte von insgesamt sechs Betriebsstättenverbünden der Elbe-Werkstätten.
Rund 30 Außenarbeitsgruppen sind nicht in den Betrieben der Werkstätten aktiv, sondern in Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Hinzu kommen rund 200 Einzelarbeitsplätze in Unternehmen.
Eines der Teams unterstützt derzeit das Archäologische Museum Hamburg/Stadtmuseum Harburg, ein anders arbeitet beim Biohof Overmeyer Landbaukultur in Emmelndorf bei Hittfeld, ein weiteres beim Automobil-Zulieferer Vibracoustic in Harburg.
Mit 3100 Beschäftigten mit Behinderungen sind die Elbe-Werkstätten die größte Werkstatt für Menschen mit Handicaps im gesamten Bundesgebiet.