Buchholz. Erst war es zu nass, dann zu trocken: Rund 25 Prozent weniger Erträge machen den Bauern im Landkreis Harburg zu schaffen

    Das Getreide ist gestresst: Erst war es zu nass, dann zu trocken – die Pflanzen reagieren empfindlich auf das extreme Wetter und bilden weniger oder gar keine Früchte aus. Die Witterungsverhältnisse seit dem vergangenen Herbst wirken sich in diesem Jahr massiv auf die Ernte im Landkreis Harburg aus. Die Landwirte erwarten hier deutliche Ertragseinbußen.

    Schon im vergangenen Herbst lief es nicht rund: „Es gab zu viel Regen, was die Ernte bei den Kartoffeln erschwerte. Weil die Böden aufgeweicht waren und im März noch eine kurze Frostperiode folgte, konnte das Wintergetreide erst sehr spät ausgesät werden“, erklärt Ulrich Peper, Leiter der niedersächsischen Landwirtschaftskammer-Außenstelle in Buchholz. Im Frühjahr holten Wintergetreide, Raps und Grünland zwar auf, doch schon im Mai begann die langanhaltende Trockenperiode.

    Die trifft nicht nur den Ackerbau, sondern auch die Milchviehhaltung: Während der erste Grünland-Schnitt zur Heu- und Silageherstellung noch ausreichende Mengen in guter Qualität lieferte, fiel der zweite Schnitt aus, da das Gras wegen der Trockenheit noch nicht nachgewachsen ist. „Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat deswegen jetzt die Freigabe der ökologischen Vorrangflächen erteilt“, sagt Kreislandwirt Willy Isermann. Das bedeutet, dass das Gras auf brach liegenden Äckern verfüttert werden darf. Die Landwirte hoffen indessen, dass bis zum Herbst noch ein- bis zweimal Heu geerntet werden kann,

    Die Wintergerste ist weitestgehend geerntet, Roggen, Raps, Sommergerste und Weizen stehen an. In dieser Reihenfolge wird normalerweise geerntet, doch unter diesen trockenen Bedingungen ist es möglich, dass der Weizen noch vor der Sommergerste eingefahren werden muss.

    Wie sich die Trockenheit auf die Pflanzen auswirkt, zeigte Ulrich Peper anschaulich auf einem Weizenfeld in Sprötze. Den Halmen fehlt es an Länge, die Fruchtstände sind teilweise leer oder enthalten nur sehr kleine Körner. „Die Pflanze fährt ein Notprogramm, sie bildet nur in der Mitte der Ähre große Körner, damit sie mit wenigen Körnern den Fortbestand sichern können.“ Den Landwirten im Landkreis Harburg drohen insgesamt rund 25 Prozent Ernteeinbußen, mancherorts auch 30 bis 50 Prozent bis hin zum Totalausfall.

    Ein lokales Problem: Im Landesdurchschnitt werden nur 17 Prozent weniger Erträge erwartet, bundesweit vier Prozent weniger. Schlecht für die Einnahmen der hiesigen Bauern, da in anderen Teilen Europas gute Ernten erwartet werden und somit die Weltmarktpreise stabil bleiben.

    Wie sich Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais entwickeln, ist noch nicht absehbar. Entscheidend ist auch hier, wie viel es in den kommenden Wochen regnet. Zuckerrüben verlieren im Landkreis Harburg an Bedeutung, seit die EU-Marktordnung ausgelaufen ist und die Zuckerfabrik in Uelzen nur noch Rüben aus 15 Kilometer Umkreis annimmt.

    Insgesamt gibt es im Landkreis Harburg 55.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen, davon 36.500 Hektar Acker- und 18.500 Hektar Grünland. Während der Anteil der Kartoffeln mit 3000 Hektar stabil bleibt, sorgte das Wetter im Herbst für einen Rückgang beim Getreide von 16.500 auf 13.500 Hektar, da die Wintersaaten wegen der durchweichten Äcker nicht ausgebracht werden konnten. Stattdessen wurden 1500 Hektar mehr als üblich mit Mais bepflanzt (10.500 gegenüber 9000 im Vorjahr), übrige Flächen blieben brach liegen. Weil nicht mehr Sommersaaten als üblich zur Verfügung standen, konnten die Bauern auch nicht auf diese Sorten umschwenken. Raps wird noch auf 1700 Hektar angebaut, Hackfrüchte auf 4000 Hektar. 4500 Hektar sind mit Sonderkulturen (Tannenbäume, Spargel, Gemüse) bebaut, 2300 Hektar liegen brach oder sind, zum Insektenschutz, mit Blühpflanzen bestückt. Insgesamt wurden zuletzt weniger Winter- und mehr Sommergetreidesorten angebaut.

    Die Ernteausfälle sorgen für gedrückte Stimmung bei den Landwirten. „Wir würden uns freuen, wenn unser Risikomanagement steuerlich besser berücksichtigt würde“, sagt der Landvolk-Vorsitzende Rudolf Meyer. Grund sei, dass das Geschäftsjahr der Landwirte am 1. Juli beginnt. Macht der Landwirt bis Jahresende Verluste, kann er diese steuerlich geltend machen. Macht er Gewinne, muss er im Folgejahr – wie jeder Unternehmer – entsprechend höhere Steuern vorauszahlen, auch wenn im Folgejahr die Ernte schlechter ausfällt und der Landwirt erneut Verluste macht. Auch Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, fordert, dass Landwirte wirtschaftlich guten Zeiten steuerfreie Rücklagen zum Risikoausgleich bilden können.