Betreiber schlagen Alarm. Täglich müssen Eltern trotz Rechtsanspruchs abgelehnt werden. Bau neuer Einrichtungen verzögert sich.
In Harburg gibt es offenbar einen eklatanten Mangel an Kita-Plätzen. Nach Angaben des Betreibers SterniPark, der in Harburg derzeit in den Kitas Helmsweg und Museumsplatz rund 300 Kinder betreut, fehlen aktuell rund 350 Kindergartenplätze im Stadtkern. Auch andere Einrichtungen beklagen, dass sie Eltern trotz Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nach Hause schicken müssen.
„Allein im vergangenen Monat mussten wir täglich zehn Anfragen von Eltern nach wir einem 5-Stunden-Platz ablehnen“, sagt Natalya Yanitska, Bereichsleiterin Harburg und zuständig für die Kita Museumsplatz. „Und es werden täglich mehr. Viele Eltern warten seit zehn Monaten auf einen Krippen- oder Elementarplatz. Die Lage ist dramatisch!“
Die zuständige Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) beziffert den Mangel auf 280 fehlende Plätze, allerdings im Krippenbereich. Fakt ist: Die Zahl der Nachweisverfahren, die von Seiten des Jugendamtes erst dann eingeleitet werden, wenn ein Kitaplatz-Suchender mit einem Rechtsanspruch fünf Absagen erhalten hat, ist seit Februar von sieben auf 30 gestiegen. Demnach können ganz offensichtlich auch immer mehr Nachfragen nach einem Fünf-Stunden-Platz nicht bedient werden.
Das Bezirksamt Harburg bestätigt die Entwicklung: „Aus Bezirkssicht gibt es für 2018/2019 tatsächlich einen Mangel“, sagt deren Sprecherin Bettina Zech. „Diesem kann aber wegen der Vorlaufzeiten für die Inbetriebnahme nicht kurzfristig, also in weniger als zwölf bis 15 Monaten, abgeholfen werden.“
Genau hier aber liegt das eigentliche Problem. Während die Behörde in Harburg eine kurzfristige Schaffung neuer Standorte für nicht umsetzbar hält, steht Betreiber SterniPark seit Monaten in den Startlöchern und könnte innerhalb weniger Wochen bis zu 45 Krippenplätze im Stadtkern schaffen. Die Räume dafür sind bereits vorhanden und müssen nur noch minimal umgebaut werden. „Wir könnten sofort starten“, sagt SterniPark-Geschäftsführerin Laila Moysich. „Doch das Amt legt uns immer neue Steine in den Weg.“
Bei dem Projekt handelt es sich um das ehemals vom Gesundheitsamt genutzte Gebäude in der Wilhelmstraße. Hier plant SterniPark im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss eine Kita für sieben Gruppen, also für rund 120 Kinder. Außerdem ist die Einrichtung einer pädagogischen Fachschule geplant, sowie der Bau von vier Wohneinheiten in einem Staffelgeschoss. Die Baugenehmigung wurde am 27. November 2017 beantragt.
„Seitdem kommt es immer wieder zu neuen Forderungen der Behörde“, sagt Laila Moysich. Die Situation sei „irritierend“, zumal SterniPark in Hamburg bereits 19 Kitas betreibe, also ziemlich genau wisse, was die Behörden fordern. Während in anderen Hamburger Bezirken lösungsorientiert gearbeitet werde, scheine es im Harburger Bezirksamt darum zu gehen, Projektplanungen möglichst lange hinzuziehen.
Als sich im Frühjahr die Situation weiter zuspitzt und sogar das Jugendamt vermehrt nach Kitaplätzen für besonders dringende Fälle anfragt, versucht SterniPark den Vorgang zu beschleunigen und reicht im März einen abgespeckten Bauantrag für die Wilhelmstraße ein, in dem es lediglich um den Umbau des Erdgeschosses geht. „Auf diesen Antrag haben wir bis heute keine Antwort erhalten“, so Moysich.
Ebenso schwierig gestaltet sich das Verfahren um die zweite Immobilie, die der Betreiber in Harburg zu einer Kita umbauen will. Nach dessen Plänen sollen im ehemaligen Hauptzollamt in der Buxtehuder Straße 120 Plätze für Krippen- und Elementarkinder entstehen. Für die Immobilie lag bereits 2013 eine Baugenehmigung für eine Kita vor, die trotz Antrag von SterniPark nicht verlängert wurde. Im Februar wurde eine neue Genehmigung beantragt. Doch auch hier stockt der Prozess.
Die Behörde weist die Vorwürfe zurück: „Leider werden in den baurechtlichen Verfahren bauherrenseitig die notwendigen Unterlagen oft unvollständig oder verzögert vorgelegt“, sagt Sprecherin Bettina Zech. „Deshalb sind die Abläufe häufig langsamer als nötig.“
Die leidtragenden in dem Wirrwarr zwischen Behörde und Betreiber sind die vielen Eltern, die in Harburg vergeblich nach einer Betreuung für ihren Nachwuchs suchen. „Bei uns sind es vor allem Kinder mit Migrationshintergrund, die aufgrund fehlender Plätze nicht in der Kita betreut werden können“, sagt Anna Maruhn, Leiterin der Kita Helmsweg.
In dem Gebäude der ehemaligen Frauenklinik werden aktuell 125 Kinder betreut, von denen mehr als 90 Prozent einen Migrationshintergrund haben. „Kitas haben bezüglich des Themas Integration heutzutage eine ganz besondere pädagogische Verantwortung“, sagt Anna Maruhn. „Kinder mit ausländischen Wurzeln, die keine Kita besuchen, lernen die deutsche Sprache nicht. Diese benötigen sie aber sobald sie in die Schule kommen.“
Die BASFI hat SterniPark aufgefordert, die Kitaplanungen in Harburg zügig zu realisieren, weist aber darauf hin, dass die Umsetzung allein Sache des Bezirks ist. Dass es aber auch anders gehen kann, wenn der politische Wille und Druck vorhanden ist, hat Laila Moysich 2016 in der Hafencity erlebt.
Nachdem im Baakenhafen eine Flüchtlingsunterkunft aufgestellt worden war, kam die BASFI im Oktober 2016 auf SterniPark zu mit der Bitte, zügig eine Kita zu bauen. Nach vier Wochen lag eine Baugenehmigung vor. Im Dezember 2016 wurde die Einrichtung eröffnet.
Die Versorgung
Im Bezirk Harburg lebten Ende vergangenen Jahres 11660 Kinder im betreuungsfähigen Alter. Davon entfielen auf den Krippenbereich (unter 3 Jahre) 5654 Kinder und auf den Elementarbereich (ab einem Alter von drei Jahren bis zur Einschulung ) 6006 Kinder.
In den Kitas, Tagespflegestellen und Vorschulklassen des Bezirks Harburg wurden am 31. Dezember vergangenen Jahres insgesamt 7480 Kinder betreut. Davon entfielen auf den Krippenbereich 1996 Kinder und auf den Elementarbereich 5484 Kinder, von denen knapp die Hälfte auf 5-Stunden-Plätzen betreut wurden.
Ende 2017 ergaben sich damit rechnerisch ein Krippen-Versorgungsgrad von 35,3 Prozent sowie ein Elementar-Versorgungsgrad von 91,3 Prozent. Aktuell gibt es im Bezirk Harburg 83 Kindertagesstätten.
Die Planungen
Gemeinsam mit der BASFI hat sich das Bezirksamt vorgenommen, verstärkt an einer Erhöhung der Betreuungsquoten zu arbeiten.
Das Bezirksamt hat im ersten Quartal 2018 eine dezernatsübergreifende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen und eine laufend aktualisierte zentrale Sammlung von Informationen zu Kita-Potenzialflächen, Bauvoranfragen für Neubau, Umbau oder Erweiterungen für Kitas sowie Sachständen der Trägerberatung der BASFI eingerichtet.
30 Projektideen zu Kita-Neugründungen und -Erweiterungen in den nächsten Jahren mit insgesamt rund 1500 Plätzen sind der Behörde in Harburg bekannt, deren Realisierung unterschiedlichen Faktoren unterliegen. Fest geplant ist, dass davon rund 700 Plätze bis 2020 realisiert werden.
Konkret in Planung sind aktuell 400 Plätze im Neubaugebiet Fischbeker Reethen, 180 Plätze im Neubaugebiet Fischbeker Heidbrook und 250 Plätze im Rahmen des Bebauungsplans Neugraben-Fischbek 65.