Harburg. Too Good To Go: Eine App aus Dänemark, die über überschüssiges Essen informiert, gewinnt auch in Hamburg immer mehr Anhänger.
Da kann einem glatt der Appetit vergehen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg landen in Deutschland jedes Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Too Good To Go ist der Name einer App, die dem etwas entgegensetzen will. Wer sich hier kostenlos registriert, erfährt, welche Restaurants oder sonstigen gastronomischen Betriebe in der Nähe überschüssig produziertes Essen zu günstigen Preisen – in der Regel um die drei Euro – anbieten. Eine Idee, die auch in Harburg ankommt: Zwölf Läden machen hier inzwischen mit. Sie haben mittlerweile 600 Kunden mit knapp 900 Mahlzeiten versorgt.
Eine tolle Idee sei das, sagt Silke Schwartau, Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wir freuen uns über jedes Gramm an Lebensmitteln, das gerettet wird.“
Bruno Cruz (36), Betriebsleiter der Schweinske-Filiale an der Lüneburger Straße 2, spricht von einer Win-Win-Situation: „Die Kunden sind zufrieden, wir sind zufrieden.“ An diesem Tag gibt es für die App-Nutzer Rotbarschfilet mit glasierten Zuckerschoten und Rahmkartoffeln. Eine komplette Mahlzeit für 3,50 Euro, die regulär für 7,90 Euro verkauft wird – allerdings im Müll landet, wenn sie weder während des Mittagstisches noch über die App einen Abnehmer findet.
Stets aktuell zeigt die App an, welcher Laden wie viele Portionen übrig hat. Es wird angezeigt, wie weit das jeweilige Restaurant vom eigenen Standort entfernt ist, was das Essen kostet und in welchem Zeitraum es abgeholt werden kann. Der Nutzer tippt auf das ausgewählte Angebot und erfährt Näheres. „Diese Leckereien können hier übrig bleiben“, heißt es beispielsweise bei Schweinske - Harburg City: „Salate, Schnitzel, Pommes, Backkartoffel, Pastagerichte, Mittagsgerichte.“ So ganz genau, weiß der Kunde vorher nie, was er bekommt. Bei der Nordsee-Filiale im Phoenix-Center ist etwa im Angebot: „Alaska-Seelachsfilet mit Kartoffeln oder Gemüse oder Schollenfilet vom Grill mit Bratkartoffeln. Immer inkl. einer Sauce.“ Bei Nordsee stellt der Kunde seine Portion selbst zusammen - aus dem, was um 19.30 Uhr noch übrig ist. Und weil der Kampf gegen die Verschwendung sich nicht nur auf das Essen beschränkt, ist das Angebot mit diesem Hinweis verknüpft: „Wir freuen uns, wenn ihr eure eigene Tasche zum Transport nach Hause mitbringt.“
Vor allem unter Studenten sei die App besonders beliebt, sagt Bruno Cruz: „Die haben ja meist nicht soviel Geld.“ Aber inzwischen kommen auch ältere Leute, die von dem Angebot begeistert sind: „Das geht mittlerweile querbeet.“
Tatsächlich wächst der Kreis der Essensretter stetig. In ganz Hamburg sind es mittlerweile 330 Betriebe, die über die App vergünstigte Mahlzeiten und Lebensmittel anbieten. Franziska Lienert von Too Good To Go spricht von 13.000 Kunden und 60.000 geretteten Mahlzeiten in der Hansestadt.
Die Gründer der App, fünf junge Dänen, denken indes größer: „Wir setzen uns für eine Welt ein, in der produzierte Lebensmittel auch konsumiert werden. Global wird mehr als ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weggeworfen. Wäre Lebensmittelverschwendung ein Land, wäre es der drittgrößte CO2-Emittent hinter den USA und China“, schreiben sie auf ihrer Website: „Um dieser sinnlosen Verschwendung zu begegnen, vernetzen wir gastronomische Betriebe mit Kunden.“
So kommt es zuweilen zu Erfahrungen, von denen alle Beteiligten profitieren. Die Kunden, weil sie unter Umständen Restaurants und Läden für sich entdecken, die sie bisher noch gar nicht kannten – und die Anbieter erhöhen ihren Bekanntheitsgrad, und manchmal gewinnen sie sogar ganz nebenbei den ein oder anderen neuen Stammkunden.
Wer erfahren möchte, was jeder Einzelne noch tun kann, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, bekommt Tipps auf der Internetseite von Too Good To Go. Ob Anleitungen zum Einkauf, für die beste Lagerungen oder den Umgang mit Resten („So werden aus Essensresten natürliche Reinigungsmittel“): Das alles sind Themen, die in einem Blog auf der Seite behandelt werden. Dort ist auch nachzulesen, wie es ist, sich sieben Tage lang ausschließlich von geretteten Mahlzeiten zu ernähren. Das Fazit des Selbstversuchs: „Wer Portionen rettet und sie teilt, ist am Ende der Woche ein Stückchen beliebter.“