Jesteburg/Buchholz. Ausgestaltung der Kunstpfade in Jesteburg und Buchholz sorgen für Verärgerung. Disput um die Umsetzung der „Stühle im Dialog“.
Mit der Kunst im öffentlichen Raum ist das so eine Sache. Was als schön, oder gar ästhetisch empfunden wird, ist bekanntlich Ansichtssache. So scheiden sich auch in der Beurteilung von Kunstwerken schnell die Geister. Noch dazu in Zeiten knapper Kassen. Prägnante Beispiele für heillose Debatten zum Thema lieferten jüngst erst wieder Jesteburg und Buchholz. Wo die Ausgestaltung von Kunstpfaden den kommunalen Frieden empfindlich stören.
Besonders heftig wird in Jesteburg gestritten. Aktueller Anlass ist ein Spiegel-Kubus, der mitten auf einer abschüssigen Wiese in dem kleinen Park zwischen Lisa-Kate und Pastorenteich entstehen soll. Aus Sicht der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG Jes!) ist der Würfel des Jesteburger Künstlers Gerrit Menke dort absolut deplatziert.
Mit einer spektakulären Aktion demonstrierte die UWG kürzlich mittels vier stabiler Kanthölzer und einer blauen Bauplane die Dimension des Mirror-Cubes mit einer Kantenlänge von drei Metern. „Jedem dürfte deutlich geworden sein, dass der Spiegel-Kubus den idyllischen Charakter des Areals nachhaltig zerstört“, so UWG-Frontmann Hansjörg Siede.
Mit dieser Auffassung steht die Wählergemeinschaft nicht allein. An der Diskussion im sozialen Netzwerk Facebook beteiligten sich vornehmlich Bürger, die das Projekt kategorisch ablehnen. Nun meldete sich erstmals auch die evangelische Kirchengemeinde St. Martin zu Wort. Deren Vorstand hatte sich lange ein Schweigegelübde auferlegt, obwohl St. Martin direkter Anrainer der Kubus-Fläche ist.
Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Planungen zu diesem zentralen Platz in der Dorfmitte und dem „genius loci“ rund um den Pastorenteich konzeptlos seien, monierte Pastorin Ellen Kasper: „Von einer Korrespondenz mit der Geschichte dieses besonderen Ortes kann jedenfalls keine Rede sein, ein Austausch mit der Kirchengemeinde und den Bürgern findet nicht statt.“
Gleichwohl sei die St. Martins-Gemeinde weiter offen für einen Dialog. Wie für Einblicke in die Intentionen des Künstlers und der Kunstpfad-Kuratorin Isa Maschewski. Die lehnt Erklärungen derweil beharrlich ab. Auch mehrfache Abendblatt-Anfragen zum Thema blieben unbeantwortet.
Dafür äußerten sich in der Gemeinderatssitzung nur wenige Stunden nach der UWG-Aktion die gewählten Volksvertreter der selbsternannten Kulturgemeinde des Landkreises Harburg. Da war viel von der Freiheit der Kunst die Rede. „Wir als Ratsmitglieder sollten über das Kunstwerk nicht urteilen“, befand CDU-Fraktionschefin Britta Witte. Außerdem sei die ganze Debatte ohnehin schädlich. Weil sich sonst womöglich Sponsoren zurückziehen könnten.
Hans-Jürgen Börner (SPD) versuchte sich unterdessen in einer Interpretation des Spiegelwürfels. Natürlich sei die Platzierung am Pastorteich auch ein Stück weit Provokation: „Der Künstler hält uns den Spiegel vor, wie wir auf Ungewohntes reagieren. Und stellt damit unsere Toleranz auf den Prüfstand.“
In diesem Sinne wolle man der Kuratorin weiter freie Hand lassen bei der Gestaltung des rund fünf Kilometer langen Kunstpfads zwischen dem Kunsthaus Jesteburg und der Kunststätte Bossard im Lüllauer Forst, der bis zur Eröffnung Ende August von sechs Kunstwerken gesäumt werden soll.
"Stühle im Dialog" in Buchholz
So weit ist der Kunstpfad in Buchholz noch lange nicht. Man könnte auch sagen, dass er bereits in der Anfangsphase stecken blieb. 2015 hatte die städtische Kunstkommission anlässlich des 75. Geburtstags des namhaften Künstlers Timm Ulrichs vorgeschlagen, für 23.000 Euro fünf seiner Sandsteinskulpturen mit dem einladenden Titel „Stühle im Dialog“ anzuschaffen.
Aufgestellt wurden zwischen Kabenhof und Rathauspark letztlich nur drei der Stuhlpaare. „Allerdings hat man versäumt, sie anschließend auch mit einer Einweihung der Öffentlichkeit zu übergeben“, sagt Frank Thöle-Pries, Vorstandsmitglied des Kunstvereins. Deshalb habe sich der beabsichtigte Dialog nie entfalten können.
So standen die Skulpturen denn in der Stadt – ohne Beschilderung, ohne Einordung und ohne Fürsorge. Die norddeutsche Witterung hinterließ ebenso ihre sichtbaren Spuren, wie der kreative Drang urbaner Kunstbanausen, die die recht sperrigen Steinmöbel des großen Meisters mit Graffiti ver(un)zierten.
Bis sich die CDU-Fraktion des Frevels annahm und in einem Antrag Ende Januar dieses Jahres die Umsetzung der Werke in ein „kunstaffineres Umfeld“ anregte, etwa ins Museumsdorf Seppensen rund um Sniers Hus. „An ihren alten Standorten werden sie doch gar nicht als Kunst wahrgenommen, eine Würdigung des Schöpfers ist nicht gegeben“, so CDU-Ratsherr Christian Horend.
Eine Rücksprache mit Ulrichs führte jedoch zu geharnischten Protest des Künstlers. Und zu großen Bedenken im Stadtrat. Denn der Umzug der Steinmöbel hätte Kosten von geschätzten 20.000 Euro verursacht. Als Kompromiss erklärte sich die Stadt schließlich bereit, die Kunstwerke im Juni durch den Bauhof reinigen zu lassen. Der Kunstverein übernimmt zudem die Kosten für eine fachgerechte Beschilderung.
„Für mich bleibt es trotzdem ein klassischer Fall, wie man ein Kunstprojekt vor die Wand fahren kann“, sagt Thöle-Pries. Ob jetzt noch eine intensive und bewusste Auseinandersetzung mit Timm Ulrichs Skulpturen stattfinden wird, bleibt fraglich.