In einer Lüneburger Kleingartenkolonie hat Jutta Blecken einen lebenswerten Ort für bedrohte Insekten geschaffen.

Die dicke Hummel nähert sich brummend einer leuchtend roten Mohnblume. Kaum gelandet verschwindet sie zwischen den schimmernden Blütenblättern, taucht tief in die Pollen ab. Sie ist im Paradies für Bienen und Insekten gelandet – im Kleingarten von Jutta Blecken in Lüneburg.

Auf einer Fläche von 400 Quadratmetern wächst, blüht und gedeiht hier eine bunte Mischung aus Blumen, Obststräuchern und Gemüsepflanzen. Für einen Rundgang durch den Garten hat die Hausherrin Magdalena Deutschmann hinzugeholt, ebenfalls Besitzerin mehrerer Kleingärten, in denen vor allem alte Obstbäume wachsen. Sie kennt sich besonders gut aus mit all den Bienen, Hummeln und Faltern, die zwischen den Pflanzen umherschwirren.

Mohnblüten sind besonders gute Nahrungsquellen für Bienen und Hummeln
Mohnblüten sind besonders gute Nahrungsquellen für Bienen und Hummeln © Lena Thiele | Lena Thiele

„Sehen Sie, ganz viele klitzekleine Wildbienen!“ Vor einem weiß blühenden Staudengewächs, über dem sich schwarze Pünktchen tummeln, bleibt Magdalena Deutschmann stehen. Der Anblick des Waldgeißbarts, so heißt die Pflanze, lässt sie entzücken. „Hier kann man innerhalb von zehn Minuten mindestens zehn verschiedene Insekten entdecken.“ Einige Schritte weiter streift sie den Holunderbeer­strauch. „Ein Traum für Bienen, so einer sollte in jedem Garten stehen.“

An einem Apfelbaum hängen alte Dosen mit getrocknetem Schilf, die engen Röhrchen sind ein idealer Nistplatz für Wildbienen. Der Garten ist eng bewachsen, dazwischen führen schmale Fußwege von einer Seite zur anderen. „Es ist ein bisschen wie im Dschungelcamp hier“, sagt Magdalena Deutschmann und lacht glücklich. „Aber es ist ein schöner Gegenentwurf zur Stadt.“

Als Jutta Blecken den Garten in der Kolonie Am Schildstein vor 15 Jahren – sie war kurz zuvor in Rente gegangen – von einem Bekannten übernahm, sah es hier noch ganz anders aus. „Das war ein Männergarten“, sagt sie nüchtern. „Alles war sehr sauber und blank, überall nur Nussbüsche und Goldrauten. Die Regenwürmer waren ausgewandert.“ Drei Jahre arbeitete sie daran, den Boden frei von Pflanzengift und wieder fruchtbar zu bekommen.

Magdalena Deutschmann beobachtet Bienen am Waldgeißbart
Magdalena Deutschmann beobachtet Bienen am Waldgeißbart © Lena Thiele | Lena Thiele

„Ich wollte einen richtig schönen Bauerngarten“, sagt Jutta Blecken. Sie las viel übers Gärtnern, informierte sich über insektenfreundliche Pflanzen, besuchte Gartenausstellungen und tauschte sich mit ihren Nachbarn in der Kolonie aus. Andere zu missionieren, liegt ihr fern. Was sie antreibt, ist die Freude an ihrem Garten. „Ich mache das für mich, für mein Glück.“

Die Früchte ihrer Arbeit genießt die Kleingärtnerin dennoch nicht allein. Es summt und brummt zwischen den Bäumen, verschiedene Vögel zwitschern ihre Arien und immer wieder kommen Besucher vorbei, die sich ihren Garten ansehen wollen. Denn er ist vorbildhaft gelungen, um Bienen und anderen bedrohten Insekten einen artgerechten Lebensraum zu bieten.

Durch eintönige Landschaften und „aufgeräumte“ Gärten seien Insekten in großer Gefahr, sagt Thomas Mitschke, erster Vorsitzender der Nabu-Kreisgruppe Lüneburg. So hätten zum Beispiel Wildbienen und Hummeln immer größere Schwierigkeiten, Nistplätze und vor allem Nahrung zum Überleben zu finden.

Schilfrohre bieten Nistplätze für Insekten 
Schilfrohre bieten Nistplätze für Insekten  © Lena Thiele | Lena Thiele

Laut einem aktuellen Bericht des Bundesumweltministeriums gelten 42 Prozent der 8000 in den Roten Listen bewerteten Insektenarten als bestandsgefährdet, extrem selten, bereits ausgestorben oder verschollen. Viele Städte und Gemeinden haben die Not­lage erkannt und lassen bei der Grünpflege bewusst Blühstreifen stehen.

Auch im Kleinen lohne sich das insektenfreundliche Gärtnern, betont Mitschke. So könne jeder, der einen Garten oder auch nur einen Balkon habe, durch die bewusste Auswahl geeigneter Pflanzen seinen Teil zum Schutz der Bienen beitragen. Wer auf viele Blüten, pollenreiche Sorten und Vielfalt achtet, hat den ersten Schritt schon getan.

Auch das Timing spielt eine Rolle. „Nach der Baum- und Strauchblüte setzt für die Insekten ab Anfang Juni eine regelrechte Hungersnot ein. Deshalb ist es wichtig, vor allem Pflanzen zu wählen, die erst später blühen“, sagt Mitschke. Dabei schlössen sich Insektenfreundlichkeit und Ordnung keineswegs aus. „Es geht beides: Struktur schaffen und – in bestimmten Bereichen – Wildheit zulassen.“

Eine Biene sammelt Pollen in der Blüte eines Rosenstrauchs
Eine Biene sammelt Pollen in der Blüte eines Rosenstrauchs © Lena Thiele | Lena Thiele

Der Rundgang durch das bunte Reich von Jutta Blecken zeigt, wie ein solcher Garten aussehen kann. Neben alten Rosensorten, der heimlichen Leidenschaft der Hobbygärtnerin, und Pflanzen mit schönen Namen wie „Herzgespann“ wachsen hier Johannisbeersträucher, Fingerhut, Margeriten, Stockrosen und Apfelbäume – alles auch für Anfänger leicht zu handhaben.

Sogar der weiß blühende Giersch, sonst als schnell wucherndes Unkraut verschrien, nimmt in diesem Garten einen wichtigen Platz ein. Magdalena Deutschmann deutet auf eine der Blüten, auf der sich gerade eine ungewöhnlich aussehende Biene niedergelassen hat. Ihren goldfarbenen Pelz zieren sechs schwarze Tupfen. „Das ist eine seltene Wildbiene“, sagt die Expertin und macht sich sogleich daran, das besondere Exemplar fürs Foto ins rechte Licht zu rücken. Diese kleinen Erlebnisse sind es, die die beiden Frauen in ihren naturnahen Gärten so schätzen.

Für alle, die im Kleinen anfangen wollen, hat Jutta Blecken einen Tipp. „Am besten legt man ein Kräuterbeet an“, sagt sie. „Das muss gar keine tolle Schnecke sein, ein einfaches Beet mit zehn Kräutern reicht. Nur eines ist wichtig, vor allem bei Balkonkästen: Da muss richtig gute Erde rein.“ So ein Minigarten reicht bereits, um einen Wohlfühl-Ort für Bienen zu schaffen.

Gärtner-Tipps

Tipps zum insektenfreundlichen Gärtnern gibt es im Internet unter anderem auf www.nabu.de. Dort ist auch eine App verfügbar, mit der sich Insekten bestimmen lassen. Sie ist Teil der Nabu-Aktion „Insektensommer“.

Die Initiative BienenBürger verteilt zurzeit in Lüneburg Tütchen mit Wildblumen-Saatgut, um bedrohten Insektenarten zu helfen. Infos zur Aktion sowie Wissen über Insekten und Gartenpflege gibt es auf der Seite der Initiative: www.bienenbuerger.de.

Ein Buch, das Gartenbesitzerin und Bienenschützerin Jutta Blecken zum bienenfreundlichen Gärtnern empfiehlt, ist von Inga M. Richberg: „Altes Gärtnerwissen wieder entdeckt“.