Jesteburg. Wiedenhof-Erbe Christoph Kröger will das alte Stauwehr und die Fischtreppe südlich der historischen Hofstelle modernisieren.
Taugt die Seeve im Bereich Lüllau für ein kleines Wasserkraftwerk? Ja, ist Christoph Kröger überzeugt. Er präsentierte auf der Sitzung des Jesteburger Straßen- und Wegeausschusses am Mittwochabend einen Plan, der die Kommunalpolitiker sichtlich beeindruckt hat. „Dieses Engagement ist geradezu genial. Deshalb sollten wir als Rat das Projekt unbedingt unterstützen“, sagte Bürgermeister Udo Heitmann (SPD).
Kröger ist Erbe jenes alten Bauernhofes, der dem kleinen Ortsteil Wiedenhof zwischen Lüllau und Jesteburg seinen Namen gab. Da der 30-Jährige aber kein Landwirt, sondern Wirtschaftsinformatiker ist, arbeitet er gerade an einer Umnutzung jener Hofstelle, die sich schon seit mehr als 400 Jahren in Familienbesitz befindet.
Bis in die 1950er-Jahre gab es hier auch eine Wassermühle, in der Korn gemahlen, wie auch Strom erzeugt wurde. Der schon damals bis in die Ortschaft Lüllau hinein genutzt wurde. Diese historische Nutzung will Kröger nun wieder aufleben lassen. „Die Rahmenbedingungen sind einfach ideal, um grünen Strom zu erzeugen. Deshalb war die Idee naheliegend“, sagt Kröger. Zumal die Familie auch im Besitz alter Staurechte ist, die weit zurück bis ins Jahr 1922 reichen.
Südlich des Wiedenhofs hat die Seeve ihr Flussbett. Dort existieren noch immer ein altes Stauwehr sowie ein Seitenarm, der Mühlengraben. Er versorgte die Mühle früher mit dem Wasser der Seeve. Kröger will nun das Stauwehr ertüchtigen, um unterhalb ein Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung betreiben zu können: „Nach Berechnungen meines Wasserbauingenieurs, könnte solch eine Anlage jährlich 200.000 Kilowattstunden erzeugen und damit ein Drittel aller rund 800 Einwohner von Lüllau ganztägig, unterbrechungsfrei und zu jeder Jahreszeit mit regenerativem Strom versorgen.“
Wasserkraft ist rund um die Uhr verfügbar
Anders als Windkraft und Sonnenenergie ist Wasserkraft nicht wetterabhängig. Sie ist viel mehr 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche verfügbar. Deshalb könnten Prognosen zufolge außerhalb von Spitzenzeiten des Stromverbrauchs wahrscheinlich sogar mehr als 50 Prozent aller Lüllauer versorgt werden. Und weil der Weg von der Stromquelle zum Verbraucher kurz ist und transportbedingt kaum etwas verloren ginge, würden mindestens 85 Prozent des erzeugten Stroms in dem Jesteburger Ortsteils verbraucht werden.
„Diesen Fakten kann man sich kaum verschließen, wenn es die Gemeinde wie der Kreis ernst meinen mit ihrem Anspruch, etwas für den Klimaschutz tun zu wollen und sich als touristischen Anziehungspunkt zu profilieren“, erklärte der Ausschussvorsitzende Hansjörg Siede (UWG Jes!). Und zollte dem ambitionierten Vorhaben höchsten Respekt. Im Gegensatz zur Umwidmung anderer Hofstellen in der Gemeinde stünde das Gemeinwohl hier deutlich stärker im Fokus.
Fallhöhe soll von einem auf drei Meter anwachsen
Zu den entscheidenden Faktoren für die technische Umsetzung zählen die Fließgeschwindigkeit der Seeve, die Fallhöhe des Wassers sowie die Menge des durchfließenden Wassers. Würde die Fallhöhe von jetzt einem auf etwa drei Meter vergrößert werden, stünde dem effizienten Betrieb eines kleinen Wasserkraftwerks nichts im Wege.
Wären da nicht die Bedenken der Unteren Naturschutzbehörde. Sie plant, den gesamten Flusslauf der Seeve unter Naturschutz zu stellen, am besten noch im Laufe dieses Jahres. Dabei geht es der Behörde auch um den Artenschutz, im konkreten Fall um den Erhalt der Fischpopulationen in dem Gewässer.
Seit den 1990er-Jahren betreibt der Seeve-Verband unweit des Wiedenhofer Stauwehrs eine Fischtreppe. Die befindet sich allerdings in einem äußerst desolaten Zustand. „Für den Betrieb des Wasserkraftwerks ist eine intakte Fischtreppe zwingend erforderlich, um den Wasserbewohnern einen sicheren Umweg zu ermöglichen“, weiß Christoph Kröger.
Momentan sei jedoch nicht einmal die so genannte Lockströmung gewährleistet, die die Fische Richtung Treppe lockt. „Auch deshalb ist eine massive Anpassung und Modernisierung der Fischtreppe unverzichtbar“, so Kröger. Statt Verantwortliche für den offensichtlichen Missstand zu suchen, hat der junge Familienvater bereits avisiert, die notwendigen Maßnahmen selbst zu veranlassen.
Projekt könnte bis zu 300.000 Euro kosten
Der Vorhabenträger rechnet mit Kosten zwischen 150.000 und 300.000 Euro. Doch das ist ihm sein ehrgeiziges Vorhaben wert. „Weil ich es für ein unglaublich nachhaltiges und nach allen denkbaren Maßstäben sinnvolles Projekt halte. Mit dem die Gemeinde zum Vorreiter in Sachen erneuerbare Energie werden könnte“, so Kröger.
Das sehen die Mitglieder des Jesteburger Straßen- und Wegeausschusses ebenso. Die von Kröger gewünschte positive Empfehlung durch den Gemeinderat war jedenfalls einstimmig.
Aqua-Power
Wasserkraftwerke sind in Süddeutschland, der Schweiz und in Österreich deutlich häufiger anzutreffen, als im norddeutschen Raum.
Im Landkreis Harburg sind momentan nur zwei weitere bekannt. Eines findet sich an der Horster Mühle nahe Maschen, eines an der Aue, einem rechten Zufluss der Seeve. Beide werden allerdings eher hobbymäßig betrieben und produzieren bei weitem nicht so viel Strom, wie es der Wiedenhofer Kröger plant.
Prinzipiell unterscheiden sich Wasserkraftwerke nach ihrer Bauart in zwei große Gruppen, die Radkraftwerke und die Turbinenkraftwerke. Beide Varianten haben noch verschiedene technologische Unterklassen.
Der Wirkungsgrad von Rädern ist markant geringer als der von Turbinen. Diese benötigen aber eine Mindesthöhe für den Wassersturz um effektiv zu sein.
Auch Wasserschnecken, so genannte Archimedesschrauben können zum Einsatz kommen. Sie gibt es für das Seeveprojekt bislang aber nicht als serienreifes Produkt.