Die Harburgerin Julia Dold will mehr Bewegung in den Schulunterricht bringen. Dazu hat die Pädagogin ein Buch geschrieben.

Lauft, lauft! Ich will euch laufen sehen!“ Die Stimme von Julia Dold hallt durch den Bewegungsraum einer Marmstorfer Kita, in weiten Jeans wippt sie in den Knien, lässt die Arme hochschnellen und hat ihre Jungs fest im Blick. Aus kleinen Lautsprechern unter dem Fenster, auf dessen Glasscheibe die Silhouette einer Ballerina klebt, schallt Hip-Hop-Musik. „Low“ textet Flo Rida und acht Grundschüler flitzen durch den Raum, jagen einem neonfarbenen Ball nach, werfen ihn sich zu, lachen lautstark gegen die Musik an.

„Die heiße Tanzkartoffel“ heißt das Spiel, mit dem Julia Dold die Acht- bis Zehnjährigen fürs Tanzen begeistern will. Sie tippt auf die Stopptaste. Alle Augen sind auf Moritz gerichtet, der in diesem Moment den Ball hält. Seine Aufgabe: Er muss einen coolen Tanzschritt machen. Der Zehnjährige hüpft von einem Bein zum anderen, wirbelt mit den Armen, die anderen machen es ihm nach. Julia Dold tippt die Musik wieder an und täuscht einen Wurf mit dem Ball an. „Los geht’s!“

Die freiberufliche Tanzpädagogin hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch Jungen diese Art der Bewegung nahezubringen. „Tanzen bietet die Möglichkeit, sich auszudrücken, es schult das Gedächtnis und die Koordination“, sagt sie. Außerdem gehöre Mut dazu, sich und seinen Körper zu zeigen. „Das verbessert das Selbstwertgefühl, was vielen Kindern total gut tut.“

Hip-Hop-Musik bringt die Jungs zum Tanzen, und auch Bälle kommen dabei zum Einsatz
Hip-Hop-Musik bringt die Jungs zum Tanzen, und auch Bälle kommen dabei zum Einsatz © HA | Lena Thiele

Seit 17 Jahren unterrichtet die Harburgerin in verschiedenen Kursen und Projekten Kindertanz für Schüler in fast allen Hamburger Stadtteilen. Die Idee, speziell für Jungen ein Angebot zu entwickeln, kam ihr vor etwa drei Jahren bei einem Projekt an einer Stadtteilschule in Blankenese.

Zu ihrem Hip-Hop-Kursus erschienen nur Jungen. Plötzlich hätten 16 „Bagaluten“ vor ihr gestanden, erzählt Julia Dold lachend. Schnell habe sie gemerkt, dass sie in dieser Gruppe mit ihren üblichen Ansätzen nicht weiterkommen würde.

Deshalb überlegte sich die 43-Jährige unterschiedliche Tanzspiele, baute zum Beispiel Bälle in die Abläufe ein. Viele der Jungen hätten Erfahrung in Ballsportarten, der Wettkampf sei ihnen wichtig. Oft lässt sie die Teilnehmer ihrer Kurse auch einen Parcours aus Hütchen und Sportgeräten aufbauen, der ihrer Choreographie eine Struktur gibt.

© HA | Lena Thiele

„Jeder kann tanzen“, sagt die Mutter von zwei fünf und acht Jahre alten Söhnen. Aber Jungen müsse man es anders beibringen als Mädchen. „Ihnen fällt es oft schwer, in Ruhe eine Schrittfolge zu lernen. Sie brauchen viel mehr Action und Bewegung.“

Ihre Ideen hat Julia Dold vielfach in der Praxis erprobt und dann in einem Buch gebündelt, das Lehrern helfen soll, Tanz und Bewegung in den Unterricht zu integrieren. Dass diese in den Schulen oft mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hätten, weiß sie aus ihren Fortbildungsseminaren.

Die mit einem Sportlehrer verheiratete Tanzpädagogin gibt unter anderem Seminare am Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung, am Kompetenzzentrum Lüneburg und für den Deutschen Turnerbund. Vor Kurzem ging es – angesichts der Weltmeisterschaft in diesem Jahr – zum Beispiel in einen Workshop um die Verbindung von Fußball und Tanz. Außerdem hat sie Lehraufträge an zwei Grundschulen in Harburg und Groß Flottbek inne.

Tanzen zieht sich wie einroter Faden durch ihr Leben

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Sprachförderung durch die Kombination mit tänzerischer Bewegung. Außerdem hat sie mehrere Tanztheaterprojekte auch mit Erwachsenen umgesetzt.

Ihre Leidenschaft für den Tanz entdeckte Julia Dold als Dreijährige vor dem Fernseher. Auf dem Bildschirm war John Neumeiers Kinderballett zu sehen und das Mädchen machte die Choreographien Schritt für Schritt nach. „Seitdem war ich infiziert“, sagt Julia Dold. Trotz einiger beruflicher Abstecher, unter anderem als Regieassistentin am Theater, zieht sich das Tanzen wie eine rote Linie durch ihr ganzes Leben. „Davon komme ich wohl einfach nicht mehr weg.“

Tanz sollte in den Schulen eine viel größere Rolle spielen, meint Julia Dold. Es sei keinesfalls elitär, der Zugang sollte auch außerhalb von Tanzstudios möglich sein. Doch nicht nur Schüler, auch Lehrer hätten Berührungsängste. „Viele denken, sie können nicht tanzen. Aber ich bin auch kein Hip-Hop-Profi und mache es trotzdem.“

Auch das will Julia Dold ihren Schülern vermitteln: den Mut, etwas gegen alle Vorurteile oder Bedenken einfach auszuprobieren. Die tanzenden Jungs im Marmstorfer Bewegungsraum haben das längst verinnerlicht. Grinsend, aber konzentriert verfolgen sie die Bewegungen ihrer Lehrerin, die einen Ball springen lässt und ruft: „Alle gucken zu mir!“ Schnelle, klare Anweisungen seien bei Jungen wichtig, sagt sie später. Man müsse auch streng sein, damit alle bei der Sache blieben.

Dass der Spaß dabei nicht auf der Strecke bleibt, zeigen acht Jungen, die zu lauter Musik von Culcha Candela bunte Bälle unter ihren Beinen durchspringen lassen. Ihr Jubel dringt durchs geöffnete Fenster bis nach draußen auf den Fußballplatz.

Hilfe für Lehrer

Tanz- und Bewegungsideen mit Jungen – unter diesem Titel hat Julia Dold ein Buch verfasst. Sie stellt Ideen vor, wie Elemente aus Hip-Hop, Improvisation, Wettkampf- und Ballspielen in den Schulunterricht und Vereins­angebote integriert werden können.

Die Pädagogin beschreibt unterschiedliche Stundenkonzepte für die Unter- und Mittelstufe. Das Buch ist 2017 im Meyer & Meyer Verlag erschienen und kostet 19,95 Euro.

Im selben Verlag hat Julia Dold zuvor die Titel „Kreativer Tanz mit Kindern und Jugendlichen“ sowie „Kreativer Kindertanz“ veröffentlicht.