Dibbersen . 3000 Oldtimerfreuende trafen sich in Dibbersen. In einem Auto ließ sich schon Udo Lindenberg den Wind um die Nase wehen.

Schöner kann ein Oldtimertreffen nicht sein: Bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 23 Grad trafen sich am Wochenende am Landhaus Frommann in Dibbersen rund 3000 Menschen mit Benzin im Blut. Sie waren mit ihren gewienerten Karossen aus ganz Norddeutschland angereist. Um an einer 220 Kilometer langen Ausfahrt durch den Landkreis Harburg, den Heidekreis und Stade teilzunehmen.Oder um ihre mobilen Schätze stolz zu präsentieren – und sich selbst.

Sehen und gesehen werden lautet das ungeschriebene Motto der Veranstaltung. Dabei drehten sich beim 16. Oldtimertreffen in Dibbersen viele Geschichten um die Historie der automobilen Zeitzeugen. Denn die spielt – neben typischen Fachsimpeleien und Schrauber-Gesprächen – bei Oldtimerfans eine zunehmend wichtige Rolle.

Das können persönliche Geschichten und Anekdoten sein, die Liebhaber alter Autos mit ihrem Gefährt verbinden – und die in entspannter Atmosphäre gern zitiert werden. Und es gibt mehr oder weniger handfeste Geschäfts­interessen: Oldtimer als Wertanlage lautet das Stichwort. Spätestens dann rückt die Historie eines Fahrzeugs ins Blickfeld.

Daumen im Wind:
Daumen im Wind: © HA | Jörg Riefenstahl

„Die Liebe zu Oldtimern war bei mir schon immer schon da“, sagt Unternehmer und Gastronom Frank Blin, der in Bispingen nebenbei das Automuseum „Automobile Zeitzeugen“ betreibt. Ab und zu verkauft er dort auch Oldtimer. Im Angebot: ein legendäres Mercedes 300 SL Cabriolet von 1957. „Den fuhr als erster der Verleger Richard Gruner“, verrät Blin. Später übernahm ein Redakteur aus dem späteren Gruner+Jahr Verlag („Stern“) das Auto. Bis es der Mitbegründer des 300 SL-Clubs kaufte, in dessen Besitz es sich bis zu dessen 83. Lebensjahr befand.

„In die alten Kfz-Briefe wurden früher noch die Berufsbezeichnungen der Eigentümer eingetragen“, sagt Blin. Natürlich habe der Sportwagen dank der prominenten Vorbesitzer und der lückenlosen Historie „einen ganz anderen Wert“, so Blin. 1,2 Millionen Euro ruft er für den SL auf. Verhandlungsbasis. Das mag füt den exzellenten Wagen angemessen sein, für Normalverdiener ist es unbezahlbar. Wie auch ein Triumph von 1949, der als Filmauto im Spielfilm „Ceranau de Bergerac“ mit Gerad Depardieu“ Furore gemacht haben soll und von dem es weltweit nur noch 180 Exemplare gibt. „Es ist alles da. Selbst die Werkstattbücher mit Handzeichnungen“, schwärmt Blin.

Er hat aber auch ganz normale, bezahlbare Oldtimer im Angebot. „Eine lückenlose Historie, mit Dokumenten über Inspektionen und Bildern von Reparaturen steigert den Wert“, sagt der Unternehmer. Seinen ersten Oldtimer hat er übrigens vor Jahren mit dem Anhänger selbst aus Amsterdam geholt – einen Mercedes SL Cabriolet (W 107) in goldmetallic. „So einer, wie ihn der Ölmagnat J.R. Ewing in der TV-Serie ,Dallas’ fuhr. Damals habe ich dafür noch 7000 Euro bezahlt“, verrät Blin. Heute ist das Auto ein Vielfaches wert. Doch er gibt den Wagen nicht mehr her. Seine Frau sei dagegen.

Rainer Kehrwieder reiste im Ford LTD fünf Jahre durch die USA
Rainer Kehrwieder reiste im Ford LTD fünf Jahre durch die USA © HA | Jörg Riefenstahl

Auf dem Rasen hinter dem Landhaus Frommann haben es sich Thomas und Stephan Korn zwischen ihren italienischen Autos gemütlich gemacht. Die Zwillinge aus Stelle, die einst mit ihren Fahrrädern den halben Erdball bis nach Sydney umrundet haben, arbeiten in Bremen und nutzen das Oldtimertreffen zum Familientreff mit ihrem Vater.

„Ich liebe das italienische Design“, sagt Thomas Korn, seit einem Jahr stolzer Besitzer eines Fiat 850 Coupé von 1971. „Ein Italiener aus Stuttgart wollte das Auto seiner Frau schenken“, sagt er. „Er hat seinen Cousin in Italien damit beauftragt, es zu restaurieren.“ Als die Frau die Lust an dem kleinen Italiener verloren hatte, kaufte der Maschinenbauingenieur mit dem Faible für italienisches Design den Fiat. Der Weg des Fahrzeugs ist dokumentiert – von der Erstzulassung bis heute. „Die Historie steigert den Wert“, sagt Thomas Korn. Das sei ihm aber nicht so wichtig.

Sein Bruder Stephan freut sich seit Kurzem über seinen eleganten Lancia Flavia, Baujahr 1970, mit Zweiliter-Boxermotor. „Den hat ein Schwede 41 Jahre lang gefahren, anschließend ein Autoredakteur der ,Klassika Bilar’. Der Journalist hat den Wagen restauriert und auf das Titelblatt gebracht“, sagt der Bauingenieur. Er hat den Original-Kaufvertrag des Autos und die komplette Historie. „Ich wollte etwas Seltenes“, sagt Stephan Korn. „Und so fahr’ ich jetzt einen Flavia, typisches italienisches Anwaltsauto. Und mein Bruder einen 750er Sekretärinnen-Ferrari. Passt doch.“

Michael und Bettina Drud aus Oldendorf bei Stade stehen auf Amischlitten aus den 1950ern. „Eine Heckflosse musste sein“, sagt Bettina Drud neben ihrem Dodge Coronet („Krönchen“) von 1959, ein Geburtstagsgeschenk ihres Mannes. Die Beiden haben auch noch einen Cadillac als ,Daily Driver’. „Vorbesitzer des Autos war ein gewisser Tom Maison aus den USA. Der hat von 1959 bis 1988 ein Notizbuch geführt, in das er alles eingetragen hat. Wann er wohin gefahren ist, wann und wo er getankt hat“, sagt Michael Drud. Es gibt sogar einen Brief, den ein Kaufinteressent an das Auto geklebt hat, einen Nachweis, welche Kugellager das Auto erhielt, und eine Mitgliedskarte des Vorbesitzers aus seinem Golfclub. „Leider habe ich ihn noch nicht ausfindig machen könne“, sagt der Autoliebhaber.

Norbert Dembski steigt aus seinem 1957er Ford Fairlane 500 Skyliner. „Der Wagen ist seit drei Jahren in Deutschland. Seit einem Jahr fahre ich ihn. Leider weiß ich nichts über die Historie“, sagt der Toningenieur aus Jesteburg, der Udo Lindenberg seit 38 Jahren auf jeder Tour begleitet. „Udo ist auch schon bei mir mitgefahren. Der fährt sonst Porsche. Den Trip im Fairlane fand Udo sehr, sehr cool.“

Die Ausfahrt

An der Ausfahrt nahmen 65 Fahrzeuge teil. „Wir hatten einige technische Ausfälle. Das lag vermutlich daran, dass viele Oldtimerfreunde wegen der Kälte auf eine Probefahrt verzichtet hatten“, sagt Veranstalter Heiner Frommann. Er selbst fuhr mit einem schlichten Ford Taunus aus den 70ern vorneweg an der Spitze. „Der hat 2200 Euro gekostet. Keiner kennt den Vater. Aber er läuft wie eine Eins.“

Im Landhaus Frommann treffen sich Oldtimer-Freunde am 22. Juli zum Jubiläums-Frühstück (11 bis 16 Uhr). Mitmachen können auch Fahrer von Youngtimern bis Baujahr 1991. Es gibt Live-Musik mit der Hamburger Band „Sixty“ Der Eintritt ist frei.