Harburg. Die Innovationsschmiede feiert 25-jähriges Bestehen. Sie sieht für sich und den Binnenhafen noch großes Potenzial.

Sie war Geburtshelferin bei 155 Jungunternehmen, von denen sich fast 80 Prozent langfristig im Markt etabliert haben: Die TuTech, Tochter der Technischen Universität Hamburg in Harburg (TUHH), baut seit 25 Jahren Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Geschäftsführer Martin Mahn sieht weiteres Wachstumspotenzial für die Jubilarin, denn sie befindet sich in einem gesunden Umfeld: „Die TuTech bildet den Kern des Technoquartiers Harburger Binnenhafen. Und der ist auf dem Weg zum Silicon Harbour.“ Der Begriff ist angelehnt an das Silicon Valley (Silicium-Tal) bei San Francisco, wo Unternehmen wie Apple, Google und Tesla groß wurden.

Ganz so weit ist die Harburger Gründerszene natürlich noch nicht, aber auch sie hat schon eine Reihe erfolgreicher Unternehmensgründungen hervorgebracht. Mahn beschreibt die TuTech in diesem Prozess als Katalysator: „Wir regen Reaktionen zwischen TU-Instituten und Unternehmen an, ohne selbst direkt daran teilzunehmen.“ Eine wichtige Rolle spielt dabei die Luftfahrtindustrie mit Airbus, Lufthansa-Technik und einigen ihrer Zulieferer. Aber auch klassische Harburger Industrie-Unternehmen wie Hobum, ContiTech (Phoenix) oder Harburg Freudenberger kooperieren mit Forschungsteams der TUHH.

Innovative Lärmbekämpfung und Kabinenbeleuchtung

Beim Institut für Flugzeug-Kabinensysteme ist die enge Zusammenarbeit mit dem Flugzeugbauer auf Finkenwerder bereits am Namen abzulesen. Hier geht es zum Beispiel um die Geräuschbelastung der Passagiere und um die Klimatisierung der Kabine. Zwei daraus hervorgegangene Startups sind jetlite und recalm. Das Team von jetlite entwickelte eine Kabinenbeleuchtung, die bei Langstreckenflügen den Jetlag reduzieren soll, und residiert inzwischen im ZAL (Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung) auf Finkenwerder. recalm befindet sich noch am Anfang der Unternehmensgründung. Die Entwickler haben Lautsprecher mit aktiver Lärmbekämpfung (Schallwellen werden durch Gegenwellen neutralisiert) in Sitze integriert und sich inzwischen auf die Lärmreduktion von Baumaschinen konzentriert. Gefördert vom EXIST-Programm des Bundeswirtschaftsministeriums bereiten sie sich im Startup Dock an der Harburger Schloßstraße darauf vor, sich selbstständig zu machen.

Das Startup Dock ist quasi Harburgs Brutreaktor für Jungunternehmen. Es setzt vor der Geburtshilfe durch die TuTech an und ist im ältesten Channel-Gebäude an der Harburger Schloßstraße 6–12 untergebracht. „Dieses Channel-Gebäude ist voll, dort sitzen derzeit 15 Unternehmen“, sagt Mahn. „Wir setzen darauf, dass unsere Jungunternehmer sich möglichst bald einen eigenen Standort suchen und den Platz für Nachrücker frei machen. Dabei ist es uns wichtig, dass sie in der Region bleiben, zum Beispiel in den Technologiepark HIT ziehen.“ Die TuTech suche gezielt nach Standorten im Bezirk Harburg, aber auch im Landkreis, zum Beispiel beim Gründungszentrum ISI in Buchholz.

Beim Blick aus Mahns Bürofenster im „Goldfisch“-Gebäude an der Blohmstraße tut sich eine neue potenzielle Adresse für innovative Unternehmen auf: der erste Bauabschnitt des HIP. Die drei Buchstaben stehen für Hamburg Innovation Port. Bauherr Arne Weber (HC Hagemann), dem auch der „Goldfisch“ gehört, will hier Raum schaffen für das Wachstum der Technischen Universität und zudem junge wie auch etablierte Technologieunternehmen zwischen Blohmstraße und Ziegelwiesenkanal ansiedeln.

„Arne Weber ist ganz wichtig für den Standort“, betont Mahn. Er tausche sich oft mit ihm aus, auch darüber, „was man in HIP hinein tun kann“. Gegenüber, im goldglänzenden Büroquader arbeiten 40 der 50 Mitarbeiter des Kernteams der TuTech. Zusammen mit Projekt-Mitarbeitern sind es rund 150. „Wir betreuen hier mehr als 250 Forschungsprojekte und haben jeden Monat 25 bis 50 Personalbewegungen zu bewerkstelligen“, sagt Mahn. Viele Technische Universitäten haben Gesellschaften, die den Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft organisieren. Der TuTech sei mit einem jährlichen Umsatz von 16 bis 17 Millionen Euro die zweitgrößte Transfergesellschaft einer deutschen Hochschule, größer sei nur die Gesellschaft der TU Dresden.

TUHH produziert jährlich rund ein Dutzend Patente

Vier Geschäftsfelder hat die TuTech: Forschungsmanagement (etwa das Einwerben von Drittmitteln aus der Industrie und die kaufmännische Abwicklung von Forschungsprojekten), die Unterstützung von Unternehmensgründer, die Bildung und Weiterbildung zu verschiedenen Facetten der Unternehmensführung sowie die Verwertung von Patenten. Rund ein Dutzend Patente werden jährlich aus der TUHH angemeldet, sagt Markus Kähler, der bei der TuTech diesen Geschäftsbereich leitet. „Sie kommen etwa zur Hälfte aus der Ingenieurstechnik, vor allem aus den Bereichen Luftfahrt und Konstruktion, und zur Hälfte aus dem Bereich Life Science“ (u.a. Medizin, Biotechnologie).

Martin Mahn will in Zukunft vor allem die Weiterbildung verstärken. Ein Beispiel sei das Programm der TUHH namens ContinuING – zum lebenslangen (kontinuierlichen) Lernen für Fachkräfte in Betrieben. Mahn: „Unternehmen können Fachkräfte an die Uni (zurück-)schicken, die dann gemeinsam mit TU-Mitarbeitern forschen“ – Wissenstransfer direkt an der Quelle.