Lüneburg. Das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg, weltweit das einzige seiner Art, eröffnet im August seine neue Dauerausstellung.

Es ist eine Aufgabe, die Dr. Joachim Mähnert immer wieder vor große Herausforderungen stellt. Der Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg hat den Auftrag, die Geschichte und Kultur Ostpreußens begreifbar zu machen. Wo diese Aufgabe beginnt und wo sie endet, ist dabei keinesfalls so klar, wie der Verlauf der Oder-Neiße-Linie, die einst das Schicksal von Millionen Menschen bestimmte.

Das Lüneburger Haus ist weltweit das einzige Museum für Ostpreußen. Es beschränkt sich nicht auf einen Bereich, sondern versucht, ein möglichst umfassendes Bild der Region zu vermitteln – von Geschichte und Kultur über Kunst bis zu Naturkunde.

Wenn nach umfangreichen Umbau- und Modernisierungsarbeiten (siehe unten) im August dieses Jahres die neue Dauerausstellung eröffnet wird, erweitert sich dieses Feld sogar noch einmal: durch eine Deutschbaltische Abteilung, die das Leben in Lettland und Estland zum Thema hat. Darüber hinaus wird es erstmals Exponate und Ausstellungen geben, die den Blick auf die Zeit nach 1945 richten.

Die Geschichte der Deutschbalten ist bisher nicht sehr bekannt, das will der Museumsdirektor mit der neuen Abteilung ändern. „Städte wie Riga oder Tallinn sind im 13. Jahrhundert entstanden und durch die Hansezeit geprägt“, sagt der 50-Jährige. Schon damals habe es eine deutschsprachige Minderheit gegeben, die wie in den folgenden Jahrhunderten zur Oberschicht gehörte. Als das Baltikum 1939 Stalins Gebiet zugeschlagen wurde, mussten sie die Region verlassen und wurden im von den Deutschen besetzten Polen angesiedelt. Die Spuren, die sie in ihrer Heimat hinterließen, wirken bis heute. „Die Deutschbalten haben sich sehr für die Aufklärung eingesetzt und beispielsweise die Schulbildung vorangetrieben“, sagt Mähnert.

Durch die Erweiterung hat das Museum künftig fünf Ländern im Fokus. Diese Länder – das ehemalige Ostpreußen umfasste Gebiete im heutigen Polen, Russland und Litauen – sind äußerst unterschiedlich, es werden dort fünf verschiedene Sprachen gesprochen und fünf verschiedene Kulturen gepflegt.

„Wir sind eine europäische Kulturinstitution, die Brücken schlagen will“, beschreibt der Mähnert die Aufgabe des Museums, das im Zuge von Willy Brandts Ostpolitik entstanden ist. „Unser Auftrag ist die Annäherung und Versöhnung.“

Mit der Modernisierung des Hauses geht eine Neukonzeption einher, die Dauerausstellung wird von der Idee des Übergangs geprägt sein. „Wir wollen weiterhin die älteren Menschen ansprechen, die als Kinder aus Ostpreußen fliehen mussten, und durch diese Erinnerungen eine starke Emotionalität mitbringen“, sagt Mähnert, der seit neun Jahren an der Spitze des Museums steht. „Zugleich wollen wir das Thema in die Zukunft überführen und junge Menschen für die Vielfalt dieser Regionen begeistern.“

So wird es spezielle Angebote für Großeltern und Enkel geben, eine nachgebaute Flüchtlingswohnung und Videos mit Zeitzeugen. An Mitmachstationen steht die Naturkunde im Mittelpunkt. Dafür kann sich Mähnert, Historiker und Diplom-Chemiker, ebenso begeistern wie für Geschichte.

Die Ausstellung zeigt die Geschichte Ostpreußens in drei Phasen: der Flucht vor dem Krieg, der Zeit der Besetzung und der Vertreibung. Außerdem wird das Ankommen in der neuen Heimat thematisiert. „Die Einwohnerzahl Lüneburgs hat sich nach dem Krieg durch die Ankunft der vielen Vertriebenen fast verdoppelt“, sagt Mähnert. Das habe zu Spannungen geführt, aber auch die Grundlage dafür geschaffen, dass es der Stadt heute wirtschaftlich sehr gut gehe. „Die Vertriebenen haben die Dienstleistungsgesellschaft aufgebaut. Das hat der Stadt einen unglaublichen Modernisierungsschub gebracht.“ Sie setzten sich auch dafür ein, die historische Altstadt zu erhalten.

Von der will das Museum in Zukunft stärker profitieren. Im Zuge der Umbauten wurde ein angrenzendes historisches Brauhaus zugekauft, um Verwaltung, Bibliothek und Museumscafé unterzubringen. Durch das Gebäude entstand ein direkter Anschluss zur Altstadt, von dort erreichen Besucher den Eingang.

Auf einer noch bestehenden Lücke soll schon bald das nächste Projekt umgesetzt werden: ein Erweiterungsbau, in der die Zeit der Aufklärung im Mittelpunkt steht. Denn das Museum ist seit 2016 im Besitz einer umfangreichen Sammlung der Stiftung „Königsberg“, die es von einem aufgelösten Museum in Duisburg übernommen hat. Die Provinzhauptstadt Königsberg war lange ein bedeutendes kulturelles Zentrum in Europa. Hier lebte nicht nur der Philosoph Immanuel Kant, sondern auch die Künstler Käthe Kollwitz und Lovis Corinth. Anhand ihrer Werke soll gezeigt werden, wie von Königsberg aus der Weg in die Moderne führte.

Es gehe dabei weniger um konkretes Wissen zum Beispiel über Kant, sondern darum, dessen Ideen begreifbar zu machen, betont der Direktor. Kaum ist der Abschluss der jahrelangen Umbauarbeiten in Sicht, geht er die nächste Herausforderung an. „Wir wollen ein Museum der Aufklärung werden, das die Besucher im Heute abholt.“

Modernisierung für 16 Millionen Euro

Das Ostpreußische Landesmuseum wird seit 2014 modernisiert und umgebaut. Im Hof entstand ein Erweiterungsbau mit einem Foyer, von dem aus auch das dazugehörige Brauerei­museum zu erreichen ist. Im Obergeschoss wurden lichtdurchflutete Räume für die Museumspädagogik geschaffen, im Keller verfügt das Haus nun über großzügige Werkstätten. Die Kosten für den Umbau von etwa acht Millionen Euro haben zu 70 Prozent der Bund und zu 30 Prozent das Land Niedersachsen übernommen.

Ein Erweiterungsbau für die Sammlung der „Stiftung Königsberg“ mit Ausstellungsobjekten zu dem Philosophen Immanuel Kant und der Künstlerin Käthe Kollwitz soll bis 2024 entstehen – pünktlich zum 300. Geburtstag Kants. Für diesen Bau sind weitere acht Millionen Euro notwendig.

Die neue Dauerausstellung wird am 26. August eröffnet – drei Jahre später als geplant. Sie hat eine Fläche von 2000 Quadratmetern.