Harburg . Die junge Frau aus Tostedt gewinnt bei der Hamburger Sauna-Challenge 2018. Im MidSommerland zeigt sie ihr Können.

Mitternacht im Midsommerland. Die Sauna am Harburger Stadtparksee ist rappelvoll. Das Licht ist stimmungsvoll gedämpft. Im roten Kleid und mit orangefarbenen Drachenflügeln betritt Svenja den auf 85 Grad beheizten Raum. Gespannte Ruhe. „Herzlich willkommen in den sieben Königslanden. Ich bin Sturmtochter Daenerys Targaryen, die erste meines Namens und die rechtmäßige Herrscherin der sieben Königslande“, stimmt Svenja ihre Gäste mit sanfter Stimme ein. Untermalt von der Titelmusik zur amerikanischen Fernsehserie „Games Of Thrones“ verwandelt sich die junge Frau mit Betreten der Schwitzkammer in eine Fantasy-Figur – und zieht die Besucher mit ihrer geheimnisvollen Story in ihren Bann.

„Ich bin die Sprengerin der Ketten, und mein Ehemann Khal Drogo gab mir den Namen Khaleesi. Zu unserer Hochzeit bekam ich drei Dracheneier geschenkt – meine Drachen habe ich euch heute mitgebracht“, verrät die Frau im schulterfreien Kleid. „Ich werde versuchen, diese mit Pfefferminze und Eukalyptus in Schach zu halten. Sollte mir dieses jedoch nicht gelingen oder meine Drachen angreifen, so werdet ihr ihr Feuer als Limette und Grapefruit wahrnehmen.“

Die lyrischen Verse hat Svenja zu einer Story verdichtet. „Wir befinden uns auf meinem Herrschaftszug gen Königmund. Wem es zu heiß werden sollte, oder wer Angst bekommen sollte, darf das Schiff jederzeit verlassen und an der frischen Luft und unter kaltem Wasser Zuflucht suchen“, sagt sie. „Sollten meine Drachen ihre Flügel ausbreiten, empfehle ich, in der ersten Reihe in Deckung zu gehen. Wenn ihr mich und meine Drachen befeuern und anfeuern wollt, so dürft ihr dies jederzeit gern tun. Und nun wünsche ich euch viel Spaß bei den zwölf Minuten Herrschaftszug.“

Eiskugeln landen auf dem Glutofen, Wasserdampf zischt empor. Ätherische Öle steigen auf bis unter die Decke. Svenja, die jetzt Khaleesi heißt, schwingt ihre mächtigen Fächer, verteilt die heiße Luftmasse mit kraftvollen Schlägen im Raum. Ihre Hüften beginnen zu tanzen. Die Saune wird zur Show-Bühne, Saunatücher zu fliegenden Teppichen. Die Gäste auf den Holzbänken folgen Khaleesi bereitwillig in die glühende Zauberwelt.

Zu Gitarrenklängen von Ed Sheerans „I See Fire“ aus dem Film „Der Kleine Hobbit“, gefolgt vom Michael-Jackson-Popklassiker „Dangerous“ steigert Khaleesi beständig ihre Schlagzahl. Angefeuert vom Publikum. Das Lichtspiel wird intensiver, die Farben feuriger, die gefühlte Temperatur nähert sich dem Höhepunkt: Zum Finale verdampfen vier Liter Wasser in Sekunden in glühenden Nebel – zu treibenden Rhythmen von Star-Geiger David Garrets „Explosive“.

Frenetischer Applaus für eine atemberaubende Show. Die fesselnde Choreografie aus Feuer und Eis hat sich Svenja selbst ausgedacht – und ihr den ersten Platz der „Sauna Challenge 2018“ in der Kategorie „Bester Show-Aufguss“ beschert. Damit hat sich die Hamburgerin, die in Tostedt aufgewachsen ist, gegen 15 Mitbewerber und Mitbewerberinnen der Elbmetropole durchgesetzt. Svenja, die Newcomerin, wird damit im September bei der Deutschen Meisterschaft (DM) in der Eiffeltherme antreten. Vorjahressiegerin Peggy aus dem Holthusenbad („Verzaubert“) landete knapp hinter Svenja auf Platz zwei und hat sich ebenfalls für die DM qualifiziert. Wie André Ritter: Der Entertainer aus der Alster-Schwimmhalle wurde mit seinem „Baywatch“-Beach-Party-Elite-Aufguss Dritter.

„Ich habe nicht mit diesem Erfolg gerechnet. Ich war total überrascht, dass ich gewonnen habe. Und ich freue mich riesig, dass ich nun zur DM fahre“, sagt Svenja. Die durchtrainierte junge Frau hat früher Kickboxen gemacht. Demnächst macht die ausgeblidete Biochemikerin, die in Göttingen studiert, ihren Master in Herz-Kreislauf-Wissenschaften. „Kreislaufkrankheiten sind weltweit Todesursache Nummer Eins“, sagt Svenja, die vier Jahre lang als feste Aushilfe im „MidSommerland“ aufgegossen hat. „Das Labor ist meine Berufung, die Sauna meine Leidenschaft“, sagt sie über sich. Svenja ist ein Kind der Sauna. Ihr Vater arbeitet seit über 20 Jahren im Bäderland-Betrieb an der Außenmühle. Und ist heute stellvertretender Betriebsleiter. „Papa ist eher der Bademeister“, sagt Svenja über ihren Vater. Der ist natürtlich stolz darauf, was seine Tochter gerade geschafft hat.

Das Training nahm mehr als ein halbes Jahr in Anspruch

Um an die Spitze zu kommen, hat Svenja hart trainiert. Ein halbes Jahr lang hat sie sich frühmorgens in ihrer Freizeit intensiv auf den Wettkampf vorbereitet. Immer und immer wieder hat sie sich ihr 70 mal 70 Zentimeter großes, weißes Leinentuch geschnappt. Unzählige Male Figuren wie den „Fallen Angel“ oder den „Pizzabäcker“ trainiert, bei dem das Tuch hoch in die Luft gewirbelt wird. Oder den „Sailor Moon“, die „Liegende Acht“ und den „Butterfly“, bei dem das Tuch schlagartig entrollt wird. Bis ihr alle Figuren flüssig von der Hand gingen.

Das Ganze hat Svenja in eine spannende Story verpackt, passende Musik ausgewählt und alle Tanz-Schritte für jede Figur genau abgezählt – damit sie beim Wettbewerb in der Bäderland-Sauna in Altona mit ihrem zentralen Glutofen genau passen. Ein passendes Outfit und MakeUp gehören ebenfalls dazu. „Ich habe extra ein schulterfreies Kleid gewählt, damit ich mich frei bewegen kann. Ich arbeite mit ultrawasserfester Schminke, damit bloß nichts verrutscht“, verrät Swenja.

Zwölf Minuten bei 90 Grad Hitze schlagkräftig durchhalten – so verlangt es das eiserne Gesetz der Challenge. „Damit ich das schaffe, habe ich bei Wärme trainiert und mich immer mehr gesteigert“, sagt Swenja. Andere Teilnehmer, die mit tollen Choreografien zu klangvollen Namen wie „Reise nach Walhalla“, „Marylin Monroe“, „Gandalf“ oder „Verzaubert“ in fantasievollen Kostümen ins Rennen gegangen sind, sieht sie nicht als Gegner, sondern als Inspiration. „Wir sind alle wie eine große Familie. Wir schauen uns gegenseitig Dinge ab. Der eine gönnt dem Anderen den Erfolg. Untereinander gibt es einen tollen Spirit.“

Die Fangemeinde der Challenges ist bunt gemischt, sie wächst in Deutschland seit eingen Jahren kontinuierlich. Viele folgen ihren Stars bei den Wettbwerben quer durch die Republik. Einige kommen sogar aus dem europäischen Ausland, um den Nervenkitzel live zu erleben. „Zum Wettberwerb in Hamburg sind Zuschauer aus dem Süden angereist, einige kamen extra aus Belgien“, sagt Bäderland-Sprecher Michael Dietel. Die Shows könne man vielleicht am ehesten mit Concept Cars vergleichen, die auf Messen peäsentiert werden: „Es wird alles gezeigt, was möglich ist. Obwohl solche Autos nie in Serie gehen. Ähnlich ist es mit den Show-Aufgüssen.“ Die Fans nehmen sogar Urlaub, um dabei zu sein. „Sie sehen sich dann alle bei der Deutschen Meisterschaft in der Eiffel wieder“, sagt Dietel.

Bis dahin ist noch Zeit. Svenja hat schon Ideen für eine neue heisse Show. Was bei der DM passieren wird, verrät sie nicht. Privat geht sie gern schwimmen, trifft sich mit Freunden im Irish Pub. Oder tobt mit ihrem Cockerspaniel Betty durch dieLandschaft. In der Sauna sucht sie vor allem Ruhe und Entspannung. So wie die meisten Saunagänger. Manchmal kommt auch ihr Freund (27) mit. Den hat sie in der Sauna kennengelernt – entgegen allen landläufigen Klischees.