Fischbek . In Süderelbe entsteht ein komplett neuer Stadtteil. 15.000 Menschen werden zuziehen. Reicht die Infrastruktur wie Schulen und Kitas?

Wie viele Wohneinheiten in einem neuen Stadtteil entstehen sollen, legt die Planung fest. Doch wie viele Kinder im Kita- und Schulalter dorthin ziehen werden, ist nicht bekannt. Es gibt keine allgemeingültigen Vorschriften für Stadtplaner und Kommunalpolitiker, für welche Einwohnerzahl welche Infrastrukturelemente in einer Kommune vorhanden sein müssen. Es gibt – zumindest, was die Planung von Kindertagesstätten und Schulen angeht – auch keine normartigen Richtwerte. Es gibt lediglich so genannte Orientierungswerte – und die sind schwammig. Das hat seinen Grund: In Regionen, die überaltern, braucht man weniger Kitas und mehr Einrichtungen für Ältere. In Regionen, die junge Familien anziehen, mehr Kitas und Schulen.

Der Orientierungswert für Kindertagesstätten liegt bei einer Einrichtung für 2000 bis 10.000 Einwohnern. Um es vorwegzunehmen: Die Planungen der Behörden für die drei Neubaugebiete in Neugraben-Fischbek gehen nicht von der höchsten Zahl aus, ab der eine Kita benötigt wird – im Gegenteil: Für die bis zu 15.000 Menschen den drei Neubaugebieten sind acht Kindertagesstätten geplant. Zwei davon sind bereits im Bau: Die Kita im Quartierspark Vogelkamp und eine Kita in den denkmalgeschützten ehemaligen Kasernenbauten am Fischbeker Heidbrook.

Zumindest am Vogelkamp drängt die Zeit langsam. Das Wohngebiet nähert sich der Fertigstellung, einige Familien wohnen schon seit Jahren hier. Ihr Kita- und Schulbedarf wird derzeit über die bereits bestehenden Einrichtungen in der Nachbarschaft gedeckt. Bislang klappt das auch, allerdings werden die Plätze in den Neugrabener Kindertagesstätten langsam rar. Im Herbst berichteten Kita-Leiterinnen aus der Region in der Bezirksversammlung, dass sie Wartelisten führen müssten. Frank Richter (SPD) Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses, nimmt die Lage ernst, sieht sie aber nicht dramatisch. „Es ist derzeit sicherlich der Fall, dass nicht alle Eltern in der Region ihre Wunsch-Kita bekommen. Aber unversorgt bleibt nach meiner Kenntnis niemand“, sagt er. Das könne man daran sehen, dass keine Anfragen aus der Region beim Kita-Nachweissystem des Bezirksamtes eingegangen wären, das extra geschaffen wurde, um Eltern, die selbst keinen Kita-Platz finden, einen zu suchen.

Die Kita im Vogelkamp-Quartierspark sollte eigentlich längst eröffnet sein. Allerdings wechselte das Deutsche Rote Kreuz als Kita-Träger und Bauherr mitten in der Vorbereitung den Architekten, weil man sich über Nachforderungen stritt. Am Entwurf des jetzigen Architekten war die Holzfassade nicht genehmigungsfähig, die die Behörden zuvor explizit im Architektenwettbewerb gefordert hatten. Mit der Eröffnung der Kindertagesstätte wird jetzt für Anfang 2020 gerechnet. So lange nimmt eine Übergangs-Kita in einem Bauprovisorium an der Straße Plaggenmoor bereits Kinder auf.

„Darüber hinaus sind an zwei weiteren Standorten im Vogelkamp Neugraben Kitas mit rund 60 Plätzen geplant“, sagt Stefan Laetsch, Pressesprecher der IBA Hamburg, die alle drei Neubaugebietre entwickelt. „Die Grundstücke sind bereits verkauft; die Investoren sind für die Gewinnung der Betreiber verantwortlich. Nach derzeitigem Stand ist die Betriebsaufnahme der Kitas in ein bis zwei Jahren möglich.“

In der selben Zeit sind nach seinen Angaben auch die Kitas im Fischbeker Heidbrook – die bereits erwähnte im Altgebäude und eine weitere auf dem zentralen Plateau des Gebiets – bereit, Kinder aufzunehmen. Für dieses Baugebiet entstehen die Kitas damit fast zeitgleich mit der Wohnbebauung. Der Baubeginn für die Kitas in den Fischbeker Reethen ist zeitgleich mit dem des ganzen Baugebiets geplant. Wieviele Kitas in den einzelnen Baugebieten geplant werden, stimmt die IBA mit der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales ab.

Nach den Orientierungswerten für Stadtplaner wird für 2000 bis 10.000 Einwohner eine Grundschule und ab 10.000 Einwohnern eine weiterführende Schule benötigt. Dass sie eine weiterführende Schule plant, hat die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung bereits bekannt gegeben. Details sollen übernächste Woche verkündet werden.

Aus dem Stadtteil gibt es bereits Wünsche: „Die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek fordert die Schulbehörde auf, als Schulform für die neue weiterführende Schule das Gymnasium zu wählen“, schreibt Initiativensprecher Jan Greve in einer Presseerklärung. „Für die bestehenden Stadtteilschulen gibt es aktuell noch Ausbaureserven, für das Gymnasium Süderelbe jedoch nicht.“

Derzeit würden viele Gymnasiasten aus der Region Süderelbe bereits auf das Heimfelder Friedrich-Ebert Gymnasium ausweichen, oder als Katholiken das konfessionelle Nils Stensen Gymnasium besuchen. Das allerdings möchte das Erzbistum Hamburg schließen, so dass auch in Neugraben-Fischbek neuer Druck auf das Gymnasium entstünde. Im Hamburger Durchschnitt sei die Verteilung von Stadtteilschülern und Gymnasiasten etwa 50:50, allerdings mit einem höheren Gymnasiastenanteil in wohlhabenden Bezirken und mehr Stadtteilschülern in ärmeren Teilen der Stadt. Für Neugraben wünscht sich die Bürgerinitiative ein Gleichverhältnis. „Baut man in Neugraben-Fischbek eine neue – dritte - Stadtteilschule, so fällt das gymnasiale Angebot in Süderelbe auf gerade 20 Prozent“, heißt es in der Presseerklärung der Bürgerinitiative.

Was die Grundschulen angeht, ist der derzeitige Wissensstand der Kommunalpolitik, dass die bestehenden Grundschulen in direkter Nachbarschaft der Neubaugebiete deutliche Kapazitätserweiterungen erhalten sollen. „Die Schule Ohrnsweg soll durchsaniert und erweitert werden, damit sie mindestens fünfzügig, eventuell auch sechszügig werden kann“, sagt Frank Richter, „und auch an der Schule Schnuckendrift müssen mehr Kapazitäten geschaffen werden.“

Unklar ist derzeit noch, was mit der katholischen Schule Neugraben passiert. Die zweizügige Grundschule gehört zu den drei Schulen, denen das Erzbistum noch eine Gnadenfrist bis zur Schließung gewährt hat, um andere Finanzquellen zu finden.