Winsen. Norderbülte: Wo vor gut 400 Jahren die Winsener ihre Kühe weideten, entsteht ein stadtnahes Baugebiet.
Noch herrscht pure Idylle. Von einem makellos blauen Himmel scheint die Sonne an diesem Nachmittag auf das Baugebiet Norderbülte am Rand von Winsen. Die ehemaligen Weide- und Ackerflächen sind schneebedeckt, an ihren Rändern und an der Zufahrt Zuckerkamp ragen Büsche und vereinzelt Bäume in den Winterhimmel. Weit und breit niemand zu sehen.
Doch das wird sich ändern. In dem Gebiet, umrahmt von der Osttangente, dem Tönnhäuser Weg und der OHE-Bahntrasse sowie den anschließenden ersten Häusern von Winsen, werden künftig bis zu 500 Menschen leben. Das entspricht gut 2,5 Prozent der Bewohner der Kreisstadt ohne die Ortsteile. Winsen bleibt auf Wachstumskurs.
Insgesamt 7,6 Hektar groß ist das Baugebiet, 4,4 davon bleiben für die Häuser und Wohnungen. Vorgesehen sind 29 freistehende Ein-Familien-Häuser, 18 Doppelhäuser, 40 Reihenhäuser und fünf Mehrfamilienhäuser mit jeweils zehn Wohnungen. „Für das reine Wohnviertel planen wir einen Kindergarten, einen Spielplatz und einen Park als Quartiersplatz“, sagt Peter Max Möller, der im Rathaus für das Projekt verantwortlich ist.
Die Stadt hat das Areal komplett erworben. Möllers Chef, Stadtarchitekt Alfred Schudy, denkt aber schon weiter. Möglich wäre das Wohngebiet in Richtung Süden auszuweiten. Dort ist die Stadt bislang jedoch noch kein Eigentümer. Doch das Interesse an Grundstücken, der Druck auf den Wohnungsmarkt, hält an. So führt die Verwaltung eine Liste, auf der derzeit 660 Interessenten für Grundstücke und Häuser verzeichnet sind. Das Angebot der Norderbülte wird also längst nicht für alle ausreichen.
Nach dem einstimmigen Beschluss des städtischen Planungsausschusses über den Entwurf des Bebauungsplans lässt sich jetzt ein Zeitplan für Bauwilligen absehen. „Der Plan wird voraussichtlich vom 20. April an ausgelegt, so dass sich Fachbehörden und Bürger äußern können“, sagt Schudy, der die Stadtplanung und Bauaufsicht der Stadt leitet. Vor der Sommerpause soll der Satzungsbeschluss ergehen, so dass im Herbst die Erschließung beginnen könnte. „Das ist allerdings ein sehr optimistischer Zeitplan“, räumt der Stadtplanungschef ein. Mit der Grundstücksvergabe an Bewerber (siehe Infokasten) rechnet Möller nicht vor Frühjahr bis Sommer 2019.
Dafür muss jedoch erst der Grundstückspreis festgelegt werden. Das übernimmt für Winsen der Gutachterausschuss für Grundstücksbewertungen beim Katasteramt in Lüneburg – ein unabhängiges Expertengremium. Beim Quadratmeterpreis wollen sich Möller und Schudy nicht festlegen. Bekannt ist, dass am Rand von Winsen für einen Quadratmeter Bauland durchaus 200 Euro aufgerufen werden. Angeboten werden in der Norderbülte Grundstücke ab 140 bis mehr als 500 Quadratmeter je nach Häusertyp.
Klar ist: Die Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises wird als Investor tätig werden und bezahlbaren Wohnraum um 8,50 Euro pro Quadratmeter anbieten. Wie viele Wohnungen an die Gesellschaft gehen, an der Winsen beteiligt ist, steht noch nicht fest. „Wir haben derzeit 56 bis 71 Wohnungen vorgesehen. Dazu gehören auch Reihenhäuser“, sagt Schudy.
Gegen den Lärm des Verkehrs auf der Osttangente soll an einem Teilstück eine zwei Meter hohe Lärmschutzwand entstehen, die ab 80 Zentimeter Höhe durchsichtig sein wird. Zur Bahntrasse bleibt, um Erschütterungen fern zu halten, ein 30 Meter breiter Grünstreifen erhalten.
Innerhalb des Gebiets sollen ebenfalls Lärmschutzwände installiert werden. Nach Süden und nach Westen ist es ohnehin ruhig. „Das Gebiet liegt nah an verschiedenen Schulen und zum Schwimmbad. Bis zur Innenstadt sind es 1,5, bis zum Bahnhof zwei Kilometer“, sagt Möller.
Noch vor gut 400 Jahren soll die Norderbülte eine ganz andere Funktion gehabt haben. So habe Herzogin Dorothea, die als Witwe des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg 1593 nach Winsen kam, das Gebiet ortsansässigen Ackerbürgern geschenkt. Sie konnten dort ihre Kühe weiden lassen. Wie hätte die kluge Verwalterin Dorothea auch wissen können, wie sich ihre Stadt einmal entwickeln würde?
Punktesystem
Winsen hat ein Punktesystem entwickelt, nach dem die Bürger Grundstücke von der Stadt erwerben können. 40 Punkte sind die Untergrenze, um bei einer Vergabe dabei zu sein.
Zu den Kriterien für Punkte zählen das Einkommen, enge Wohnverhältnisse oder auch die Mitgliedschaft in einer Hilfsorganisation. Zuschlag gibt’s für die meisten Punkte.