Dibbersen/Harburg. Bei extremer Kälte säubern die Mitarbeiter hunderte Autos am Tag. Tausende Tonnen Salz liegen auf den Straßen. Blitzeis könnte kommen.
Dick eingepackt in fünf Schichten Kleidung steht Stefan Adolfs (21) auf dem frostigen Betonboden der Autowaschanlage Carwash Buchholz in Dibbersen. Es ist sein erster Arbeitstag. Mit der Hochdrucklanze rückt der junge Mann aus Buchholz dem salzverkrusteten Smart zu Leibe. Kein leichtes Unterfangen bei extremen Minusgraden, wie wir sie in diesen Tagen im Norden dauerhaft erleben. „Gegen die Kälte hilft nur sehr warm anziehen und sehr viel bewegen“, sagt der junge Mann. Und: Bloß nicht nass werden!
In Nullkommanichts befreit Stefan mit der Lanze Räder, Radkästen und Bremsbeläge von dicken Salzrändern. Er schrubbt mit dem Hochdruckstrahler Schneereste von der Haube, von den Scheiben und vom Autodach, der pulverisiert durch die Halle stiebt. Stefan hat nicht viel Zeit. Vor der Waschstraße stehen schon die nächsten Autofahrer in der Eiseskälte Schlange, um ihre salzigen Karossen in frischem Glanz neu erstrahlen zu lassen. Es herrscht Hochbetrieb bei Carwash.
Der frostige Winter mit viel Schnee hat die Fahrbahnen nach zahlreichen Dauereinsätzen der Winterdienste in Harburg Stadt und auf dem Lande in endlose Salzpisten verwandelt. Statt über grauen Straßenbelag fegen die Autos in diesen Tagen vielerorts über ein weißes Asphaltband durch die verschneite Winterlandschaft. Das aufgewirbelte Salz legt sich wie eine zweite Haut auf die Karossen. Und verfärbt sie vorübergehend in ein mattes Weiß.
Allein im Bezirk Harburg ist in diesem Winter der Streu- und Räumdienst mit seinen 30 Mitarbeitern schon zu 13 Einsätzen ausgerückt, um das rund 1000 Kilometer umfassende Straßennetz von Wilhelmsburg bis Finkenwerder von Schnee und Eis zu befreien. Mindestens 90 Tonnen Feuchtsalz landen bei jedem Einsatz der 13 Großstreufahrzeuge auf den Hauptstraßen des Bezirks. Damit das Salz bei extremen Temperaturen von bis zu -13 Grad die Straßen auftaut, wird die Dosis erhöht. „Statt der üblichen zehn bis 20 Gramm pro Quadratmeter haben wir in den letzten Einsätzen 40 Gramm Tausalz pro Quadratmeter auf die Straße gebracht. Das ist die vierfache Menge dessen, was üblich ist“, sagt Frank Waschkow, Einsatzleiter für den Winterdienst in Harburg. Schätzungsweise 1500 Tonnen Feuchtsalz wurden demzufolge in diesem Winter schon verbraucht.
Bei bisher sieben Wintereinsätzen auf Gehwegen, Radwegen und in Parks wurden zusätzlich jeweils fünf Tonnen Streugut wie Sand und Kies als abstumpfendes Mittel verteilt. Neuerdings wird auf den Velorouten auch Blähton verteilt (wir berichteten). „Der Sand auf den Geh- und Radewegen wird am Ende des Winters mit Kehrmaschinen beseitigt. Der Blähton hat für uns den Vorteil, dass er sich auflöst und nicht eingesammelt wird“, sagt Waschkow.
Das Salz bleibt dagegen auf den Straßen. Solange, bis Schnee, Wind und Regen die weiße Pracht davontragen. Oder es in der Waschanlage von den Autos entfernt wird. „Der Schmutz und das Salz muss runter. Das Salz ist aggressiv. Es zerstört den Lack“, sagt Nick Düsing von Carwash in Dibbersen. Damit die stark verschmutzten Autos wirklich rundum sauber werden, wird in der Waschanlage das Brauchwasser zur Vorwäsche in diesen Tagen mit sehr viel Frischwasser ergänzt. Die Anzahl der Autos, die täglich durch die Waschanlage rauschen, liege derzeit im „deutlich dreistelligen Bereich“, sagt Düsing. Wie viele es genau sind, will der Buchholzer nicht verraten. Betriebsgeheimnis.
Rund 100.000 Liter Wasser werden Düsings Angaben zufolge pro Monat in der Waschstraße verbraucht. Sechs bis acht Mitarbeiter arbeiten pro Schicht Hand in Hand. Bei Temperaturen unter minus 10 Grad wird eine Autowäsche von Fachleuten allerdings nur eingeschränkt empfohlen. Denn es besteht die Gefahr, dass die Feuchtigkeit in Türschlösser und unter Dichtungen kriecht und vereist. Oder Kunststoffteile am Fahrzeug abbrechen könnten. Mit dem ganz großen Ansturm rechnet Düsing, der sich mit viel Bewegung und heißem Tee bei Laune hält, in den nächsten Tagen, wenn die Kälteperiode im Norden langsam zu Ende geht. Ende des Monats wird die Technik der Waschstraße dann komplett erneuert.
Doch bis dahin haben die Räumdienste in Stadt und Land nochmal alle Hände voll zu tun. Für Sonntag sagen die Meteorologen wärmeres Wetter voraus. „Alles, was an Niederschlag herunterkommt, wird auf dem tiefgefrorenen Boden sofort zu Eis“, sagt Waschkow. Das bedeutet: Blitzeis ist möglich. Waschkow rechnet am Wochenende mit dem nächsten Großeinsatz des Winterdienstes.
2220 Tonnen Salz auf den Straßen des Landkreises
Im Landkreis sind die Straßendienste ebenfalls präpariert. 2220 Tonnen Salz und 648 Tonnen Salzsole wurden in diesem Winter bereits auf die Kreis-, Land- und Bundesstraßen aufgebracht. „Die Vorräte werden sofort wieder ergänzt, sagt Bernhard Frosdorfer, Sprecher des Landkreises Harburg. Bei Temperaturen unter minus acht Grad werde ausschließlich Streusalz verwendet. 18 Mitarbeiter stehen für die nächste Fünf-Stunden-Schicht bereit, um mit 14 Räumfahrzeugen und drei Kleinfahrzeugen insgesamt 71 Kilometer Bundes-, 173 Kilometer Landes- und 424 Kilometer Kreisstraßen sowie rund 460 Kilometer Radwege von Schnee und Eis zu befreien. „Wir setzen im Landkreis ausschließlich Tausalze ein“, sagt Frosdorfer. „Das Salz bleibt liegen.“
Um 17 Uhr macht Stefan Adolfs Feierabend. Für ihn war es ein guter Tag. Trotz Bibberkälte in Dibbersen.