Wilhelmsburg. Die Tiere können innerhalb von Minuten große Geländeflächen absuchen oder Verschüttete finden – ein Besuch beim Trainingsabend.
Airedale Térrier Rati reißt an der Leine seiner Führerin. Er kann es kaum erwarten, in das mit Trümmern voll geschüttete Haus neben dem Dockville-Festivalgelände in Wilhelmsburg zu kriechen und die Räume nach menschlichen Spuren abzuschnüffeln. Für den vierjährigen Trümmersuchhund ist das Training reines Spiel. In einem Notfall entscheidet seine Nase mitunter über Leben und Tod.
„Unsere Hunde riechen die menschliche Witterung und sind für ein bestimmtes Gelände ausgebildet“, sagt Holger Grinnus, Vorsitzender der Rettungshundestaffel Hamburg und Harburg e.V., deren 50 ehrenamtliche Mitglieder bei Katastrophen helfen und vermisste Menschen bergen.
Sie rücken seit mehr als 20 Jahren im gesamten norddeutschen Raum aus, vorwiegend zu Notfällen in Hamburg und den Landkreisen Harburg, Lüneburg, Heidekreis und Stade. „Vor einigen Jahren sind wir nach Itzehoe gefahren, einmal sogar bis Rostock“, erläutert der hauptberufliche Kripobeamte. Seine Staffel ist stets bereit, auszurücken.
„Wir sind kein Rettungshundesportverein. Bei uns geht es im Einsatz um Leben und Tod“, erläutert Stefan Ossowski, Einsatzführer und Fahrdienstleiter, die Ernsthaftigkeit des Vereins. Deshalb müssen Suchhunde und Hundeführer vor dem Einsatz im Notfall ein vielfältiges Training durchlaufen. Etwa zwei bis drei Jahre dauert die Ausbildung. „Es kommt meist darauf an, wie schnell der Hundeführer den Hund verstehen lernt. Sie müssen sich als Team finden“, sagt Ossowski. Am Ende müssen sie eine Prüfung ablegen, die Prüfer des Bundesverbandes abnehmen.
„Eigentlich endet das Training nie, denn der Hund lernt immer neue Situationen kennen“, sagt Grinnus. Zwar könnten die Hundeführer nicht jede Situation durchprobieren, aber so viele wie möglich. Auch der Hundeführer muss lernen zu beobachten: „Der Hund entwickelt sich. Er hat auch eine Pubertät oder mal unmotivierte Tage oder Momente, in denen er übermotiviert ist“, sagt Ossowski.
Drei Arten von Suchhunden bildet die Harburger Staffel aus. „Mantrailer“ suchen nach bestimmten vermissten Personen. Dazu bekommen sie eine Geruchsprobe. Einige unter ihnen könnten Menschen sogar bis 50 Meter unter der Wasseroberfläche riechen, sagt Grinnus. Ganz anders sind Trümmer- und Flächenhunde, die in einem Gebiet jedes menschliche Zeichen meist durch Bellen anzeigen.
„Trümmerhunde können sich durch enge Löcher zwängen. Sie suchen die Stelle im Raum, an der sie die stärkste Witterung wahrnehmen“, erklärt Grinnus. So werden die Stellen gefunden, an denen verschüttete Menschen am besten geborgen werden können. Das Tier sucht das Gelände vorsichtig und systematisch ab.
„Ein Flächensuchhund würde hier unvorsichtig drüberrasen und sich vielleicht die Knochen brechen“, so Grinnus. Denn Flächensuchhunde sind für weitläufiges und unwegsames Gelände ausgebildet. Sie sollen zum Beispiel Vermisste im Wald finden – und das in weniger als einer halben Stunde.
So wie Labradorrüde Fred, der auf dem Außengelände an der „Alten Schleuse“ in Wilhelmsburg trainiert und ausgebildeter Flächenhund ist. Dort, wo sonst Festivalbesucher feiern, haben sich am Mittwochabend Menschen im Dunkel zwischen Karussells und Buden sowie in Büschen versteckt. Während sich Stefan Ossowski zu seinem Hund Fred herunterbeugt, streckt er seine rechte Hand nach vorn und gibt das Kommando: „Such und hilf.“
Sofort prescht das Tier nach vorn und rast in Richtung des ersten Verstecks. In unter einer Minute findet er jede Person. „Ein Flächensuchhund kann bis zu 50 Feuerwehr- oder Polizeileute ersetzen“, sagt Grinnus. Voller Freude stürzt sich der zweijährige Hund auf das Spielzeug, das er als Belohnung für eine gute Suche bekommt. Andere werden mit Leckerlis konditioniert. Für die Tiere ist es ein Spiel, für die Vermissten manchmal die letzte Rettung.
Neben der Suche nach Vermissten, hilft die Staffel im Katastrophenschutz, von dem sie ihre 17 Fahrzeuge bekommen hat, darunter einen Versorgungswagen inklusive Feldküche. Denn sie helfen auch, andere Einsatzkräfte vor Ort zu versorgen. „Nicht jeder, der bei uns mitmachen möchte, muss einen Hund haben“, sagt Grinnus.
Notwendig ist die Bereitschaft aufzustehen, wenn das Notfalltelefon klingelt. Meist sei das nachts der Fall. Doch die wichtigste Zutat lautet: „Wir haben alle ein Helfersyndrom, und eine gewisse Portion Idealismus“, sagt Ossowski.
Rettungshunde und freiwillige Helfer gesucht
16 ausgebildete Flächenhunde sind aktuell im Verein, davon haben vier auch die Trümmerhundeausbildung durchlaufen. 25 Tieren und Hundeführern steht die Abschlussprüfung noch bevor.
Ehrenamtliche Arbeit und Spenden halten den Verein am Laufen. „Deshalb freuen wir uns immer über Unterstützung“, sagt Grinnus, der mit der Sammeldose auch auf dem Weihnachtsmarkt steht.
Freiwillige sucht der Verein ständig, sei es mit oder ohne Hund. Auch Helfer für die Hundeführer werden gebraucht. Mitgliederanträge und weitere Informationen gibt es unter www.rhs17.de.