Harburg. Harburger machen ihrer Entrüstung über die katholische Kirche bei Sondersitzung Luft: „Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht!“

Das Ganze kommt einem Offenbarungseid gleich: „Ich bin hier, um Ihnen ehrlich zu sagen, dass wir in der Sackgasse stecken.“ Mit diesem Eingeständnis richtete sich Generalvikar Ansgar Thim während der Sondersitzung des Ausschusses für Soziales, Bildung und Integration an die knapp 200 Besucher, die in den Rieckhof gekommen waren, um sich über die horrende Verschuldung des Erzbistums und die drohende Schließung der katholischen Schulen zu informieren.

Die fährt den Karren in Harburg besonders tief in den Dreck: Das Ende des Niels-Stensen-Gymnasiums scheint besiegelt (neue Schüler durften nicht mehr aufgenommen werden). Und für die beiden anderen – die Katholische Schule Harburg und die in Neugraben – gibt es ein einjähriges Moratorium.

Partner gesucht

Zwar versprachen der Generalvikar und auch Anne Hutmacher von der Schulaufsicht des Erzbistums: „Die KSH und die KSN wollen wir gerne weiterentwickeln.“ Thim sagte aber auch: „Ohne Partner schaffen wir es nicht!“ Zu den Eingeständnissen, die er an dem Abend machte, gehörte auch dies: „Das ist keine Schieflage mehr, sondern eine richtige Katastrophe.“ Und an anderer Stelle: „Wäre das Erzbistum ein Betrieb, hätten wir längst Insolvenz angemeldet.“

Allein für Instandsetzung und notwendige Investitionen bei den Katholischen Schulen Harburg und Neugraben werden gut 50 Millionen Euro vom Erzbistum veranschlagt. Für das Niels-Stensen-Gymnasium (NSG) würden weitere 17,9 Millionen Euro gebraucht. Doch das Aus des Gymnasiums („die Schule war von Anfang an nicht zu Ende gedacht“) ist aus Sicht des Erzbistums besiegelt. „Ein zweizügiges Gymnasium ist nicht zu finanzieren“, sagte Anne Hutmacher: „Das kann sich keiner leisten.“

Schulabschluss garantiert

Der Schulabschluss sei denoch garantiert: Sowohl an der Sophie-Barat als auch der Sankt-Ansgar-Schule gebe es freie Kapazitäten. Die jüngeren NSG-Schüler (und deren Eltern) hoffen allerdings noch immer, dass auch sie ihr Abi in Harburg machen können. Anne Hutmacher sagte zu, dass über diese Frage bis morgen entschieden werde. Danach ist dann auch klar, ob das Gymnasium nach fünf oder erst sieben Jahren dicht macht. In diesem Zusammenhang prüft das Erzbistum aktuell, ob die Gebäude des Gymnasiums künftig dann von KSH und KSN genutzt werden können.

Hatte der Generalvikar gehofft, es könnte reichen, sich in den Sand zu werfen, um die Zuhörerschaft milde zu stimmen, wurde er enttäuscht. Entrüstung und Unverständnis überall. „Was sie gemacht haben, ist wie eine Vollbremsung, mit der Sie einen Totalschaden produzieren“, sagte Carsten Schuster (FDP). CDU-Vize Uwe Schneider sieht es ähnlich: „Dass Sie sich von Harburg verabschieden, tut weh.“ Er erklärte gleichzeitig, dass er weiter hofft. Auf die von engagierten Katholiken initiierte Schulgenossenschaft angesprochen, blieb der Generalvikar allerdings vage: „Wir sind im Gespräch und diskutieren alle Fragen.“

Ob auch andere katholische Einrichtungen von Schließung bedroht seien, wollte Sahbattin Aras, Abgeordneter der Linken, wissen. Das werde geprüft, so der Generalvikar: „Wir gehen jetzt auf Tour durch die Gemeinden. Das wird noch mal sehr schmerzlich werden.“ Bis Ende des Jahres werde die Überprüfung dauern: „Dann fällt eine Entscheidung.“ Fest stehe bislang nur, dass die 66 Kitas, die zum Erzbistum gehörten, nicht gefährdet seien. Insgesamt stehen in rund 700 Hamburger Pfarreien etwa 1000 Einrichtungen auf dem Prüfstand. Mit Entsetzen quittierten die Zuhörer das Eingeständnis Thims, dass er nicht mal genau wisse, wie viele Gebäude, Gemeindehäuser usw. es gebe: „Das hat bisher keiner erfasst.“

Wohl auch, weil „wir nicht mal eine Bauabteilung hatten“, wie Thim sagte. Die daraus resultierende Verwunderung der Zuhörer fasste einer von ihnen so zusammen: „Die katholische Kirche hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht!“ Noch konkreter wurde Jürgen Marek von den Grünen: „Sie haben keine Investoren, Sie haben keine Ideen und besonders schlimm ist, dass sie nicht mal mehr Visionen haben, mit denen Sie die Leute hier ins Boot holen können.“ Ein Desaster, das für ihn zwingend zu der Frage führt: „Wozu brauchen wir die Kirche dann überhaupt noch?“

Für die Ausschussvorsitzende Claudia Loss (SPD) steht fest: „Man hätte viel eher handeln müssen.“ Für Harburg sei das in doppelter Hinsicht bitter: weil das NSG keine Chance habe und auch sonst keine Lösung in Sicht sei. Tief erschüttert zeigte sich auch der Vater eines NSG-Schülers: „Sie haben ein Wirtschaftsgebaren an den Tag gelegt, das man sonst nur vom HSV kennt.“

Schuldenkrise

Stichtag: 18. Januar – Das Erzbistum informiert die Leiter der 21 katholischen Schulen über die Schließung von bis zu acht Schulstandorten. Grund ist die horrende Verschuldung von aktuell knapp 80 auf 350 Millionen Euro bis 2021. Das Niels-Stensen-Gymnasium, St. Marien in Ottensen, Franz von Assisi in Barmbek, die Katholische Schule in Altona und die Domschule dürfen keine Schüler mehr aufnehmen. Für die Katholischen Schulen Harburg und Neugraben sowie die Sophienschule in Barmbek gibt es ein einjähriges Moratorium.