Buchholz. Stefanie Ottens, Studentin an der Polizeiakademie, leistet ihr Streifenpraktikum in Buchholz. Dort wird sie auf den Arbeitsalltag vorbereitet.

Ihr Händedruck ist fest und es ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Uniform trägt, die als erstes auffällt. Stefanie Ottens (27) ist Kommissaranwärterin und studiert an der Polizeiakademie Niedersachsen in Oldenburg. Derzeit absolviert sie ihr Praktikum der Einsatz- und Streifenlehre in der Polizeiinspektion Buchholz. Aufrecht geht sie durch den langen Flur, unter ihrer Polizeimütze schaut ein halblanger brauner Pferdeschwanz hervor. Ottens hat eine selbstsichere und sachliche Art. Doch wenn sie über ihre Ausbildung spricht, holt sie gern weiter aus. Man merkt, dass ihr der Beruf viel bedeutet.

Bevor sie im mittlerweile zweiten Ausbildungsjahr mit dem Praktikum beginnen konnte, absolvierte sie zuerst ein einjähriges Grundlagenstudium sowie ein halbjähriges Fachstudium. In den 18 Monaten wurde Ottens unter anderem in dem Zivil- und Strafrecht sowie der Kriminologie und Einsatzlehre unterrichtet. Letztere setzt sie nun bei ihrem dreimonatigen Praktikum in der Polizeiinspektion um.

„Bereits seit meinem ersten Praktikumstag fahre ich im Streifenwagen mit. In den ganz normalen Schichten“, sagt Ottens. Was neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf am meisten reizt: „Von Sachbearbeitung bis zum Dienst auf der Straße haben Polizisten sehr viel Abwechslung. Zudem weiß ich nie, was mich erwartet, wenn ich zu einem Einsatz gerufen werde. Da kann alles passieren“ Diese ständige Ungewissheit setzt die Studenten einem permanenten Stress aus.

Auch Ausbildungskoordinator in Buchholz Johannes Voskors weiß: „Der Beruf ist belastend und nicht jeder ist dafür geeignet. Gute Polizisten müssen sich vollkommen mit ihrer Tätigkeit identifizieren.“ So sei es besonders wichtig, sich durch regelmäßigen Sport gesundzuhalten. Neben dem Studiensport gibt es für die Studenten auch nach bestandenem Sporttest noch jährlich Kurse an der Akademie, die körperliche Fitness überprüfen.

Zudem werden die Studenten von Ausbildern angeleitet, die selbst aus dem Streifendienst kommen. Mit ihnen spielen sie Ereignisse durch und werden psychologisch auf Ausnahmesituationen vorbereitet.

„Mein Praktikum war von Anfang an sehr ereignisreich“, berichtet Ottens. „So musste ich tatsächlich schon zu einer toten Frau und der anschließenden Leichenschau mitfahren. Fremdverschulden konnte ausgeschlossen werden.“ Ihre Stimme ist gefasst und sachlich. Ob sie denn niemals Angst habe? Ottens schüttelt den Kopf. „Ich denke an das, was ich gelernt habe, und versuche, die Situation zu lösen. Man gewöhnt sich an den Stress, jedes Mal zu unbekannten Einsätzen zu fahren.“

Auch die Uniform sei für Ottens schnell zur Gewohnheit geworden. Schwarzes Hemd, Hose, Krawatte, Stiefel und Mütze werden nicht erst im Einsatz- und Streifenpraktikum sowie dem anschließenden Sachbearbeitungspraktikum getragen, sondern von Studienbeginn an – in jeder Vorlesung. Einige Regeln sind für die Uniform zu beachten. So darf das Kurzarmhemd nie mit Krawatte oder Chinohose getragen werden. Ottens muss kurz überlegen, wie es sich anfühlt, eine Uniform zu tragen. „Es fühlt sich richtig an!“, sagt sie.

„Es gehört einfach dazu und ist wichtig für den Dienst.“ Auf Ottens‘ Schulterklappen ist bisher kein Stern zu sehen. Den ersten wird sie erst nach ihrem Bachelorabschluss erhalten, so lange ist sie noch „Beamtin auf Widerruf“. Auf den Schultern von Sachbearbeiter für Ausbildung Voskors prangen drei silberne Sterne. „Diese werden nach ‚Eignung, Leistung und Befähigung‘ vergeben“, erklärt er. „Dieses hierarchische System muss so sein, um die Strukturen einer Behörde zu halten. Ehrgeiz wird belohnt.“

Auch für den Gebrauch einer Schusswaffe muss sich jeder Student erst qualifizieren. Nach sechs Monaten Studium hat Ottens die Waffenhandhabung erlernt. Zuerst erfolgen Übungen zur richtigen Haltung und zum präzisen Zielen ohne Munition. Etwa ein Dreivierteljahr später – nach bestandener Kontrollübung – darf die Waffe, eine SFP9, getragen werden. „Ich habe Respekt vor der Waffe, aber gelernt, damit umzugehen.

Für mich ist sie zum Handwerkszeug geworden“, sagt Ottens. Respekt verschaffe man sich als Polizistin in erster Linie durch sicheres und bestimmtes Auftreten. „Bei manchen ethnischen Gruppen muss man als Frau noch selbstsicherer auftreten“, erklärt die 27-Jährige. Trotzdem gelte dies für alle Polizisten – egal, ob männlich oder weiblich – und gehe mit der Zeit in automatisches Verhalten über.

Man nimmt den Berufdefinitiv mit nach Hause

Ihren männlichen Kollegen fühle sie sich zudem vollkommen gleichberechtigt. Nach Angaben der Polizeiakademie Niedersachsen sind 1705 Kommissaranwärter Männer, 1284 Studierende sind weiblich. In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Neueinstellungen mehr als verdreifacht. Im Jahr 2017 waren es 1145 Studienanfänger. Als Grund für diese Entwicklung werden die „Berechnung des erforderlichen Personalnachersatzes durch den demografischen Wandel und die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“ angegeben.

Nach ihrem Bachelor-Studium möchte Ottens sich weiter spezialisieren – als was, weiß sie noch nicht genau. Je nach Qualifizierung können sich Polizeikommissare aus dem Einzel- oder Bereitschaftsdienst weiter spezialisieren, beispielsweise für die Hundestaffel. Dies ist jedoch keine Pflicht.

Das Studium habe ihren Horizont erweitert. Ottens, die vorher bereits als Flugbegleiterin gearbeitet hat, muss jedoch zugeben: „Bei beiden Berufen blicke ich in menschliche Abgründe. Genauso helfe ich auch anderen Menschen und das tue ich sehr gern.“ Darüber hinaus habe sie aber auch einen gewissen „Verfolgungswahn“ entwickelt.

Wenn sie nach Dienstschluss andere Verkehrsteilnehmer am Handy sehe, ärgere sie sich sehr, dass ohne Kollegen keine Aussage möglich sei. „Ordnungswidrigkeiten spreche ich sofort an. Straftaten werden nicht toleriert – auch im Freundeskreis nicht.“ Ottens’ dunkle, ungeschminkte Augen blicken bei diesen Worten starr geradeaus und bilden einen Kontrast zu ihren weißen Perlenohrringen. „Ja, man nimmt den Beruf definitiv mit nach Hause“, sagt sie.

Polizei-Studium

In Niedersachsen wird in einem Bachelor-Studiengang zum Polizeikommissar und anschließend im Masterstudium zum Polizeirat ausgebildet. Für diesen gehobenen und höheren Dienst benötigen die Studenten mindestens ein Fachabitur. Dieses zweigeteilte System gibt es neben Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen in drei weiteren Bundesländern.

Die Mehrheit der Länder – wie Sachsen, Hamburg und Bayern – bildet immer noch dreigeteilt aus. Voraussetzung für die praxisnahe Ausbildung zum mittleren Dienst ist ein Realschulabschluss. Für ein Studium bewerben sich die Interessierten direkt an den Ausbildungszentren der jeweiligen Bundesländer. Der Auswahltest variiert landesweit und beinhaltet in Niedersachsen einen schriftlichen Teil, der Rechtschreibung, logisches Denken, Wortgewandtheit sowie das Gedächtnis prüft. Außerdem müssen für den Sporttest 5000 Meter in höchstens 32 Minuten gelaufen werden.

In Hamburg unterziehen sich Bewerber beispielsweise noch einem Parcours. Das Bachelor-Studium teilt sich ein in zwölf Monate Grundlagenstudium, dem ein halbes Jahr Fachstudium folgt. Anschließend absolvieren die Kommissaranwärter zwei dreimonatige Praktika. Nach weiteren zwölf Monaten Ergänzungs- und Schwerpunktstudium und einer Bachelor-Arbeit erhalten sie ihren Bachelor of Arts sowie ihren ersten Stern. Nächster Bewerbungsschluss für ein Studium in Niedersachsen im Jahr 2018 ist der sechste Februa.r