Harburg. „Krisenfest“: DRK-Referent Olav Meyer-Sievers schreibt Buch über das DRK-Kriseninterventionsteam. Plädoyer für ein bewusstes Leben.
Wenn Krisen Weichenstellungen des Lebens sind, hat Olaf Meyer-Sievers (60), früh lernen müssen, neue Wege zu gehen: Er weiß wie es sich anfühlt, geliebte Menschen zu verlieren und mit Schicksalsschlägen fertig zu werden. Mehr als einmal wurde er aus der Bahn geworfen, machte Erfahrungen, die ihn für die Arbeit als Notfallhelfer beim Kriseninterventionsteam – kurz KIT – des DRK Kreisverbandes Harburg vielleicht besonders prädestinieren.
Seit 2006 gehört er bereits zum ehrenamtlichen Helfer-Team. Seit vergangenem Jahr ist er nun auch hauptamtlich als Referent für das KIT im Einsatz, etwa um angehende Polizisten über Arbeit und Aufgaben des Teams zu unterrichten. Über all das, seinen persönlichen Lebensweg, das KIT und seine Einsätze für dieses in Hamburg einmalige Team, hat Meyer-Sievers ein Buch geschrieben: „Krisenfest – Stärke finden in seelischer Not“.
Verlustängste haben Meyer-Sievers’ Leben früh geprägt: Immer wieder hatte seine Mutter versucht, sich umzubringen. Er war 17, als es ihr tatsächlich gelang. Ein Verlust, mit dem sich Meyer-Sievers damals kaum auseinandersetzte. Stattdessen schmiss er die Schule. Ließ sich treiben, machte schließlich eine Ausbildung als Fotograf.
Auf Umwegen landete er bei einer Eventagentur, wurde deren Kreativdirektor und Kommunikationsberater mehrerer Unternehmen. Dann der nächste Schicksalsschlag: ein Freund tötete sich selbst. Dieses Mal nahm Meyer-Sievers therapeutische Hilfe in Anspruch, erkannte zweierlei: dass Gefühle sich nicht dauerhaft verdrängen lassen und sein Talent zum Trauerredner, eine Aufgabe, der er sich jahrelang ehrenamtlich widmete. „Ich akzeptierte, dass der Tod zu meinem Leben gehört und wie wichtig es ist, sich diesem Thema zu stellen.“ Als er dann zufällig vom KIT des DRK Harburg erfuhr, bewarb er sich sofort.
Seit 1997 gibt es das Team, dem rund 40 Ehrenamtliche angehören. Sie alle haben eine siebenwöchige Ausbildung absolviert. Polizei oder Feuerwehr fordern sie an, wenn es gilt, zum Beispiel Todesnachrichten zu übermitteln etwa nach Unfällen oder Suiziden. Sie sind da nach Raubüberfällen oder Geiselnahmen, wenn das Haus abgebrannt oder ein Baby dem plötzlichem Kindstod erlegen ist. Sie helfen Menschen, die klarkommen müssen mit dem Schock einer Katastrophe. Mehr als 300 Einsätze absolvieren die Ehrenamtlichen des KIT jedes Jahr: Hilfe für mindestens 1000 Menschen in Not.
Die Hilfsangebote sind so unterschiedlich wie die Bedürfnisse der Betroffenen. Die Helfer vom KIT hören zu, sie nehmen in den Arm, leisten praktische Hilfe oder informieren Angehörige. Wie wichtig Hilfe für traumatisierte Menschen ist, weiß Olav Meyer-Sievers auch aus anderen Zusammenhängen. Fast zwei Jahre lang leitete er die DRK-Flüchtlingsunterkunft Neuland I.
Olav Meyer-Sievers dokumentiert mit seinem Buch wie sinnstiftend es ist, für andere da zu sein. Es ist weit mehr als eine Nacherzählung der spektakulärsten oder bewegendsten Einsätze. Es erklärt eindrucksvoll, was in Menschen vorgeht, die mit einer persönliche Katastrophe umgehen bzw. Verlust und Trauer bewältigen müssen. Wie Olav Meyer-Sievers, wieder mal: Er hatte gerade mit der Arbeit an dem Buch begonnen, als seine wenige Wochen alte Enkelin völlig überraschend starb.
Krisenfest – Stärke finden in seelischer Not, Gütersloher Verlagshaus, 191 S., 16,99 Euro