Harburg . Die Elternvertreter des Nils-Stensen-Gymnasiums in Harburg hoffen, die Schließung ihrer Schule juristisch abwenden zu können
Lars Hansen
Auf das Entsetzen folgt das Handeln: Die Elternschaften der drei katholischen Schulen im Bezirk Harburg sammeln Argumente und juristische Munition gegen die geplante Schließung ihrer Schulen. Vor allem die von der Unternehmensberatung Ernst & Young errechneten Defizite der Grund- und Stadtteilschulen und das wenig transparente Vorgehen des Erzbistums – Vollversammlungen, in den Schulen, auf denen die Bistumsverantwortlichen Rede und Antwort stehen, wurden erst für Ende des Monats anberaumt – bieten Angriffsflächen, glauben die Elternvertreter.
Das Erzbistum Hamburg könnte bei dem Beschluss, das Niels Stensen-Gymnasium (NSG) zu schließen, einen Formfehler begangen haben, glauben Juristen unter den Eltern am NSG. Dieser würde den Beschluss ungültig machen. Ihnen ist aufgefallen, dass die Schulverträge zwischen Eltern und Bistum bei Schulschließungen eine Anhörung der Schulkonferenz, der Eltern, Schüler, Lehrer und Schulleitung angehören, vorschreiben.
Entscheidend sei, dass diese Anhörung im Vorwege eines Beschlusses stattfinden muss und nicht im Nachhinein angesetzt werden kann, sagen die Elternvertreter. So eine Anhörung hat es nicht gegeben.
Der Schulleiter erfuhr am Donnerstag von der Schließung
NSG-Schulleiter Winfried Rademacher erfuhr erst am Donnerstag in einem persönlichen Gespräch mit dem Erzbistum von dem Beschluss, das Gymnasium zu schließen. Am Abend informierte dann Christopher Haep, Leiter der Abteilung Schule und Hochschule im Erzbistum Hamburg Lehrer und Elternvertreter.
Erst am Freitag um 11.30 Uhr durfte die Nachricht auch offiziell an die Schüler weitergeben werden. Viele Eltern erfuhren von der Schulschließung erst nach Schulschluss von ihren Kindern. „Damit waren wir zu keinem Zeitpunkt in den Entscheidungsprozess miteinbezogen“, sagt der NSG-Elternratsvorsitzende Matthias Mittag. Ob der Beschluss aufgrund formaler Fehler nun juristisch angefochten werden kann, soll geprüft werden.
„Wir hätten uns ein Gespräch im Vorwege gewünscht, um vielleicht doch noch eine andere Lösung für die Harburger Schulen zu finden“, sagt die stellvertretende Elternratsvorsitzende Sabine Adelmann.
Sie fürchtet, dass die Schule selbst, wenn im Nachhinein formale Fehler festgestellt würden, keinen Nutzen mehr davon haben würde. „Wir haben das Problem, dass uns das Bistum die Anmelderunde abgesagt hat. Damit wird es keine neuen fünften Klassen geben.“
Eltern wollen Verträge genau überprüfen
Dennoch wollen die Eltern-Juristen die Verträge noch einmal genauer prüfen. Die Hoffnung, dass auf diesem Wege die Schließung doch noch abgewendet werden kann, ist jedoch gering. „Ich vermute, dass das Erzbistum Hamburg – sollten die Beschlüsse deswegen nicht rechtskräftig sein – zeitnah eine Schulkonferenz einberufen und nach erfolgter Anhörung der Betroffenen den Beschluss einfach neu fassen wird“, sagt Matthias Mittag, Elternratsvorsitzender am NSG.
Diese Konferenz sei auch schon anberaumt, sagt Schulleiter Rademacher und er kann den Eltern wenig Hoffnung machen: „Die Verträge sehen nur die Anhörung der Schulkonferenz vor, nicht aber, dass sie vor dem Beschluss erfolgen muss“, sagt er, „auf diesem Weg kann man wohl nicht juristisch gegen die Schließung vorgehen.“
Während das Niels-Stensen-Gymnasium bereits ab sofort keine neuen Schüler mehr aufnehmen darf, haben die Katholische Schule Harburg (KSH) und die Katholische Schule Neugraben (KSN) ein Jahr Gnadenfrist erhalten, um Konzepte zu erarbeiten, wie sie weiter geführt werden können, ohne dem unerwartet hoch verschuldeten Bistum finanziell zur Last zu fallen. Das dürfte schwierig werden: Knapp 25 Millionen Euro Finanzbedarf sehen die Unternehmensberater bei der KSH, gar 26 Millionen bei der KSN.
Pro Schüler wären das 38.000 Euro in Harburg, 48.000 in Neugraben. Aus dem sozial fein gestaffelten Schulgeld lässt sich das nicht aufbringen. Die wohlhabendsten Eltern zahlen bis zu 100 Euro pro Monat, die am wenigsten wohlhabenden nur 10, und die auch nur für das erste Kind. Für die Geschwister entfällt die Beitragspflicht. Das Durchschnittseinkommen im Bezirk Harburg liegt weit hinter dem der meisten anderen Bezirke Nur in Mitte wird weniger verdient.
„Bei vielen Eltern kommt das Gefühl auf, dass hier der christliche Auftrag verloren geht“, sagt Christian König, Elternratsvorsitzender der KSH. „Außerdem zweifle ich die Zahlen an. Aber bislang konnten wir die nicht nachprüfen. Da fühlt man sich schon über den Tisch gezogen!“
Nach Königs Schätzung ist der Sanierungsbedarf der Schule wesentlich niedriger zu bewerten. Ähnlich schätzt es auch Matthias Greve, Elternratsvorsitzender der KSN für seine Schule ein: „Die Gebäude sind zwar alt, aber sie haben kaum Abnutzungsspuren, Hier bröckelt kein Putz und hier blättert keine Farbe“, sagt er. „Und vor dem Hintergrund, dass hier gerade Neubaugebiete für 10.000 Bürger entstehen, müsste die Schule nicht nur erhalten, sondern sogar wieder ausgebaut werden. Wir haben jetzt schon mehr Bewerbungen, als wir Schüler aufnehmen können.“
Die KSN musste 2014 schon die Schließung ihres Stadtteilschul-Zweigs hinnehmen. Dieser läuft jetzt aus. Lediglich die 9. und die 10. Klasse sind noch da, Die Grundschule hingegen hat 2016 in der Bewertungsrangliste der katholischen Schulinspektion den ersten Platz in Hamburg belegt. „Dass man uns trotzdem schließen will, macht deutlich, dass es nur ums Geld geht“, sagt Greve.
Er hat allerdings Zuversicht, dass es für die KSN weitergeht: „Der Stadtteil wächst. Die Wohnungen werden gebaut. Die Stadt sucht händeringend nach Infrastruktur. Noch sperrt sich die Schulbehörde, eine katholische Schule direkt zu unterstützen. Aber wenn die Stadt sportorientierte Schulen fördert, warum dann keine werteorientierten. Es ist nicht so, dass ich hoffe, dass die Schulbehörde uns hilft. In dieser Situation erwarte ich es!“