Lkw-Fahrer, Altenpfleger, Eismann – sie alle sind täglich viele Kilometer auf den Straßen unterwegs. Heute begleiten wir Marcus Grag.

Frühmorgens um 5.30 Uhr herrscht auf dem Harburger Stützpunkt der Stadtreinigung Hamburg reger Betrieb. Zum Schichtbeginn besteigen die Männer am Neuländer Kamp ihre Müllwagen, fahren mit gelbem Warnblinklicht vom Hof auf ihre Sammeltouren. Heute herrscht auch vor der Halle 3, in der einige 100 Tonnen Streusalz gelagert sind, emsiges Treiben: Der Winterdienst ist im Einsatz, um Straßenglätte vorzubeugen.

Meteorologen haben für diesen Morgen Schneefall von zwei bis drei Zentimetern bei Temperaturen um null Grad vorhergesagt – eine typische Wetterlage, bei der präventiv die Straßen gesalzen werden. 13 große Streufahrzeuge sind allein in Harburg im Einsatz, sieben eigene und sechs von Unternehmern, deren Dienste Betriebsleiter Frank Warschkow bei Bedarf abrufen kann. Oft kommen die Winterdienst-Einsätze mitten in der Nacht, vielleicht gegen zwei Uhr. Heute fallen sie fast mit dem normalen Dienstbeginn zusammen.

Marcus Grag, Teamleiter einer Straßenreinigungstruppe, steigt in eines der Streufahrzeuge. Er hat in dieser Woche Bereitschaft. Sein Straßenreinigungsdienst hätte um 5.45 Uhr begonnen, nun wurde er von Frank Warschkow per Pieper eine halbe Stunde früher als üblich aus dem Schlaf gerissen. Kein Problem für den ehemaligen Lkw-Fahrer.

Der Einsatz der Streufahrzeuge sorgt dafür, dass bei Schneefall und Oberflächentemperaturen knapp  unter null Grad die Straßen nicht glatt, sondern nur nass werden
Der Einsatz der Streufahrzeuge sorgt dafür, dass bei Schneefall und Oberflächentemperaturen knapp unter null Grad die Straßen nicht glatt, sondern nur nass werden © HA | Angelika Hillmer

Um 5.45 Uhr verlässt Grag, beladen mit rund vier Tonnen Salz und einem Tank mit Salzlauge zum Beimischen, den Betriebshof. „Wir fahren jetzt den Streuplan 7, Stufe 1a“, sagt er und biegt in die Neuländer Straße ein. „Das wird um die zweieinhalb Stunden dauern.“ Der Streuplan 7 führt ihn nach Cranz/Neugraben und versorgt 48,5 Straßenkilometer. Stufe 1a steht für Straßen mit höchster Priorität - hier werden Hauptstraßen und Busstrecken versorgt.

Das Straßennetz der Stufe 1a wird immer zuerst abgefahren. Allein im Bezirk Harburg sind es 540 Kilometer. Ähnlich wichtig ist die Stufe 1b. Sie steht für Linienbusstrecken, die Abschnitte beinhalten, die nur mit kleineren Fahrzeugen passiert werden können – insgesamt weitere 220 Kilometer. Marcus Grag fährt durch den Binnenhafen, die Seehafenstraße entlang Richtung Westen.

Der Salzstreuer bleibt verschlossen. Streuplan 7 beginnt erst in Neuwiedenthal, an der Kreuzung Neuwiedenthaler Straße/Rehrstieg. Dort bedient Grag kurz den Bordcomputer. Lautlos startet der Streueinsatz. Dem Salz wird etwas Lauge zugegeben. Das Salz-Laugen-Gemisch haftet besser an der Straße als loses Salz.

Grag schaut in den Rückspiegel, um sicherzugehen, dass alles rund läuft. Nötig sei das eigentlich nicht, sagt der 41-Jähirge, „wenn irgendwo etwas hakt, meldet sich der Bordcomputer“. Während des Streueinsatzes sinkt die Geschwindigkeit auf Tempo 25 bis 35. Wenn bei starkem Schneefall dazu noch ein Schneepflug montiert ist, wird mit 20 bis 25 km/h geräumt.

Ein Sensor misst die Temperatur des Straßenbelags

Das „intelligente“ Fahrzeug (ein Zweiachser von Daimler) ist mit dem Software-Programm Thermologic und einem Sensor ausgestattet, der die Temperatur der Straßenoberfläche misst. Anhand der Messung kann das Streusalz automatisch dosiert werden. Das funktioniert jedoch nicht in Situationen wie heute, in denen vorsorglich gestreut wird. Grag: „Der Bordcomputer misst jetzt gerade minus 0,5 Grad und schlägt vor, sieben Gramm Salz pro Meter zu streuen. Mein Auftrag lautet aber, 20 Gramm zu streuen.“

Schließlich kann der Computer nicht vorausahnen, dass der momentane Schneegriesel sich im Laufe der Fahrt zu veritablem Schneefall entwickeln wird. Wenn er es für notwendig halte, könne er die Dosis noch erhöhen, sagt Grag. Beispielsweise an neuralgischen Punkten wie Kreuzungen. Nach eigener Einschätzung weniger Salz zu streuen als beauftragt, ist dagegen nicht erlaubt. Obwohl es die Umwelt schonen würde. Doch der Leitspruch der Stadtreinigung lautet stets: Sicherheit geht vor.

Frank Waschkow ist Betriebsleiter des Stadtreinigungs-Stützpunkts Harburg am Neuländer Kamp
Frank Waschkow ist Betriebsleiter des Stadtreinigungs-Stützpunkts Harburg am Neuländer Kamp © HA | Angelika Hillmer

Es ist 6.15 Uhr, als Grag auf die Francoper Straße einbiegt. Hier rollt ihm bereits der Berufsverkehr Richtung Hamburg entgegen. Er fahre lieber früher los, wenn die Straßen noch leer sind, sagt der dreifache Familienvater, der in Hamburg-Niendorf wohnt. Das kommt auch seinem Arbeitsweg zugute. Mitten in der Nacht braucht er von zuhause bis zum Neuländer Kamp keine halbe Stunde.

Auf der Hohenwischer Straße taucht das Blinklicht des Streuwagens den Elbdeich für Bruchteile von Sekunden in fahl-gelbes Licht und lässt ihn wie ein Bühnenbild aussehen. Das gelbe Warnlicht rotiert während der gesamten Fahrt, auch dann, wenn kein Salz gestreut wird. Aber anders als das Blaulicht bei Polizei-, Feuerwehr- und Notarzteinsätzen ist es nicht mit Privilegien verbunden. Grag: „Wir müssen uns genauso wie alle anderen an die Verkehrsregeln halten.“ Ein paar Minuten später, auf der Hasselwerder Straße, kommt dem rollenden Riesensalzstreuer ein Trecker entgegen. Jetzt wird’s eng.

Doch die beiden Profis fahren im Zentimeter-Abstand problemlos aneinander vorbei. Weiter geht’s auf dem Arp-Schnitger-Stieg und dann auf der Nincoper Straße bis zur Landesgrenze. Dort endet das Einsatzgebiet des Hamburger Winterdienstes. Grag zeigt auf ein Straßenschild, das am rechten Straßenrand schemenhaft im Scheinwerferlicht in Sicht kommt: „Sehen Sie, da vorne beginnt der Landkreis Stade.“ Er biegt in den Domänenweg ein und dreht. Der entfernteste Punkt des Streuplans 7 ist erreicht.

Fahrer Marcus Grag arbeitet bei der Straßenreinigung, wenn er nicht Schnee ind Eis bekämpft
Fahrer Marcus Grag arbeitet bei der Straßenreinigung, wenn er nicht Schnee ind Eis bekämpft © HA | Angelika Hillmer

Auf dem Rückweg passiert das Fahrzeug zunächst die Strecke des Hinwegs. Es nimmt Fahrt auf, denn hier wird nicht gestreut. Grag hat die Streubreite so eingestellt, dass sie für beide Fahrspuren reicht. Inzwischen hat der Schneefall zugenommen, die Gehwege sind weiß gepudert. „Sehen Sie, die gestreuten Fahrbahnen sind in Ordnung“, sagt der Fahrer und schaut auf den nassen Asphalt.

Nun führt die Tour Richtung Neugraben. Grag fährt sie ohne Navi-Hilfe ab, er kennt die Strecke auswendig. Zumal er sie erst in der Nacht zuvor absolviert hatte. Seit 14 Jahren arbeitet er bei der Stadtreinigung, immer am Harburger Stützpunkt. Deshalb kennt er sich hier fast besser aus als in Niendorf. Vorher war Grag Berufskraftfahrer. Aber das ließ sich nur schwer mit der – inzwischen fünfköpfigen - Familie vereinbaren. Grag hat zwei Söhne (19 und 12 Jahre alt) und eine achtjährige Tochter.

„Ich mag diesen Job, gerade auch den Winterdienst. Der schafft Abwechslung. Heute macht es besonders Spaß. Die Situation ist entspannt, weil wir präventiv im Einsatz sind“, sagt er. Schneeflocken wirbeln durch den noch nächtlichen Himmel. Mag er Winterurlaube? Nein, dafür sei er nicht so zu haben, wohl aber für Schnee. Schon wegen der Kinder. Aber mit einer Einschränkung: „Ich freue mich über Schnee. Aber nicht, wenn ich arbeiten muss.“ Inzwischen ist das Streugerät wieder im Einsatz.

Grag dreht in Neugraben seine Runden, passiert den Busbahnhof neben der S-Bahn-Station. Dann fährt es die Neugrabener Bahnhofstraße und anschließend den Falkenbergweg ab. Es geht im Slalom um geparkte Autos, immer wieder muss das schwere Fahrzeug den Gegenverkehr passieren lassen. Inzwischen misst der Temperatursensor minus 2,2 Grad – der Schnee kühlt. Aber auf den Rückwegen ist auf beiden Straßen schon die tauende Wirkung des vor wenigen Minuten ausgebrachten Salzes zu sehen.

Starker Berufsverkehrbremst den Winterdienst

Mit der ersten Morgendämmerung, gegen 7.45 Uhr, biegt Grag auf die B 73 Richtung Harburg ab – und steht im Stau. Der Berufsverkehr… Der Streuplan 7 ist abgearbeitet, aber nun stört eine Blechlawine den Winterdienst. Kurz vor dem Ziel muss noch die gesperrte Hannoversche Brücke umfahren werden. Grag nimmt die Schlachthofstraße und biegt dann rechts in die Neuländer Straße ein. Vor ihm nasser Asphalt. „Die Straßen sind super“, sagt er. „Die präventive Maßnahme hat gegriffen, da kann sich keiner beschweren.“

Gegen 8.15 Uhr fährt Grag mit dem Streuwagen auf den Betriebshof. Er klettert auf das Fahrzeug und schaut nach, wieviel Salz übrig ist. Es ist wenig, da muss er nachladen. Denn nun stehen noch die Touren der Stufe 2 an: Nebenstraßen, die Verbindungsstrecken sind. Hier sind noch einmal 265 Kilometer zu versorgen. Welchen Streuplan er bei der kommenden Tour abfahren wird, weiß Grag noch nicht. Jetzt genehmigt er sich erst einmal einen heißen Kaffee und betritt das Verwaltungsgebäude.

Dort sitzt seit vier Uhr morgens Frank Waschkow. Der Betriebsleiter hatte den Bereitschaftsdienst alarmiert, nachdem die beiden zentralen Einsatzleiter, die das gesamte Hamburger Stadtgebiet betreuen, die Streuorder an das Harburger Team ausgegeben hatten. Als „Ohr zur Stadt“ dient den Einsatzleitern die Winterdienstzentrale der Stadtreinigung am Bullerdeich. Dort gehen über eine Hotline Glatteis-Meldungen von Polizei, Feuerwehr, Hochbahn, Bürgern ein. Die Zentrale sei von Anfang November bis Ende März rund um die Uhr besetzt, sagt Waschkow.

Die Frage, ob nach seinem Eindruck die Winter eher milder werden, beantwortet er ausweichend: „Zumindest liegt der letzte heftige Winter einige Jahre zurück, den hatten wir 2010. Damals ging uns das Salz aus.“ Generell sei der Winterdienst „ein spannendes Geschäft“ und habe die wichtige Funktion, die Infrastruktur der Stadt am Laufen zu halten. Mit Blick auf seine Männer ergänzt der Betriebsleiter: „Die Leute sind stolz, etwas für Hamburg zu tun. Wenn es dann am nächsten Tag heißt: Der Winter ist glimpflich vorbeigegangen, es hat keine Unfälle gegeben.“

Gehwege sichern

Das Winterdienst-Team der Stadtreinigung hält neben Straßen auch anliegerfreie Gehwege, ausgewählte Radweg-Abschnitte und Bushaltestellen schnee- und eisfrei. Generell sind aber die Anwohner für den Zustand des Gehwegs entlang ihres Grundstücks zuständig.

Anlieger müssen Schnee sofort nach Ende des Schneefalls beseitigen und glatte Gehwege umgehend abstreuen. Dazu dürfen nur abstumpfende Mittel wie Sand, Splitt, feiner Kies oder Blähton verwendet werden. Bei Schnee oder Glätte nach 20 Uhr müssen die Anlieger ihren Winterdienst bis morgens 8.30 Uhr erledigt haben, an Sonn- und Feiertagen bis 9.30 Uhr.

Bei Eckgrundstücken müssen beide Seiten bis zur Bordsteinkante geräumt oder abgestreut werden. Auch öffentliches Grün, eine Böschung, Gräben oder Stützmauern zwischen Grundstück und Gehweg entbinden die Anlieger nicht von ihren Winterdienst-Pflichten. Generell müssen sie einen mindestens ein Meter breiten Streifen präparieren (in Fußgängerzonen auch mehr). Der Schnee darf nicht auf die Fahrbahn oder den Radweg geschoben werden. Treppen müssen in voller Breite behandelt werden.

Die Winterdienst-Hotline nimmt Meldungen über Eis- und Schneeglätte entgegen unter der Rufnummer 25 76 13 13. Weitere Informationen im Internet unter www.stadtreinigung.hamburg

Betriebshof Harburg

90 Mitarbeiter sind im Betriebshof Harburg der Stadtreinigung Hamburg für die Müllabfuhr im Bezirk zuständig. Hierfür stehen 18 Fahrzeuge bereit.

80 Mitarbeiter bilden die Abteilung Straßen- und Gehweg-Reinigung. Dazu zählt auch das Entleeren von Papierkörben. Hier sind vier „Großkehrmaschinen“, vier „Kleinkehrmaschinen“ und 15 Pritschenwagen im Einsatz.

40 Mitarbeiter sind das Stammpersonal des Betriebshofs.

Der Recyclinghof auf dem Nachbargrundstück (Neuländer Kamp 6) gehört zu einer anderen Abteilung der Stadtreinigung. Die Zusammenarbeit beschränkt sich auf Hausmeisterdienste und Ähnliches.