Harburg/Landkreis. Erste Restaurants reduzieren bereits ihre Öffnungszeiten. Laut Verband Dehoga fehlen derzeit allein im Raum Hamburg 5000 Kräfte
In Harburgs Gastro-Szene herrscht, ebenso wie im Umland, akuter Personalmangel. Mit ersten deutlichen Konsequenzen. In diesem Jahr wird der beliebte Mittagstisch im Al Limone abgeschafft. Künftig fehlen die bunten und wechselnden Speisen der Mittagskarte. Das Restaurant an der Lämmertwiete sieht sich angesichts akutem Mitarbeitermangel gezwungen, das Angebot zu reduzieren.
Auch das höchst renommierte momento di im Harburger Binnenhafen überrascht mit neuen Geschäftszeiten. Neben dem gewohnten Ruhetag am Montag bleiben auch Sonntags die Türen geschlossen. Spitzenkoch Kethees möchte mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Geeignetes Personal, das die Lücke füllen könnte, fehlt jedoch. „Wir haben Standards und gehen keine Kompromisse ein, die einen Qualitätsverlust bedeuten würden“, sagt er. Kethees stieg einst vom Tellerwäscher in Buxtehude zu einem von Hamburgs besten Köchen auf. Gelernt habe er dabei vor allem eines: dass Qualität unabdingbar ist.
Knapp 5000 Arbeitskräfte fehlen der Gastronomie in Hamburg und Umland, so der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Davon sind auch die rund 200 Betriebe im Landkreis Harburg betroffen. „Wir sehen in der gesamten Branche gerade einen dramatischen Mangel an Fachkräften“, sagt Ulrike von Albedyll. Die Hamburger Landesgeschäftsführerin der Dehoga sieht unterschiedliche Gründe für die Personallücke, darunter auch den demografischen Wandel. „Während die Gastronomie expandiert, kommt der Nachwuchs zu kurz“, sagt Albedyll. „Wir versuchen seit Längerem Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Ausland anzuwerben.“
Mit dem Sonderprogramm MobiPro-EU kommen beispielsweise Spanier nach Hamburg und absolvieren ein umfassendes Ausbildungsprogramm mit Deutschkurs. Flüchtlinge möchte man ebenfalls integrieren: 180 Teilnehmer mit Migrationshintergrund hat es bislang gegeben. Deren Kompetenzen und Vorerfahrungen werden zunächst im Grone-Bildungszentrum für Gastronomie und Ernährung erprobt und im Anschluss durch eine Weiterbildung ergänzt. Die Kontakte in die verschiedenen Betriebe werden von Dehoga vermittelt.
Gastwirt Hans-Peter Ebeling bildet in seinem Gasthof „Zum Estetal“ derzeit einen jungen Syrer aus. Auch hier, in Kakenstorf, klagt man über den mangelnden Nachwuchs. Wer in den Betrieb komme und sich nach längerer Einarbeitungszeit im Alltagsgeschäft zurecht finde, verlasse trotzdem früher oder später die Gastronomie. Für viele junge Menschen seien Küche und Service bloß eine Zwischenstation vor oder während des Studiums.
Die Familie beobachtet zudem einen Mentalitätswandel bei den jüngeren Generationen. „Nur wenige Personen kommen mit dem harten Gastronomiealltag zurecht“, sagt Jan-Peter Ebeling, Sohn des Gastwirts. „Unsere zuverlässigen Kräfte sind dann eher die Ü50er.“ Einmal sei es vorgekommen, dass eine neue Hilfskraft erst wenige Stunden vor einer Großveranstaltung abgesagt habe. Das ist für das Bankett-Geschäft eine Katastrophe; für die Großverstaltungen und Feste brauchen die Betriebe jede einzelne Arbeitskraft. Nicht zuletzt wollten Restaurantinhaber und Gastwirte deshalb die Arbeitszeitgrenze von zehn auf zwölf Stunden am Tag erhöhen und gesetzlich verankern. Man brauche eine Rechtssicherheit, so Hans-Peter Ebeling.
Albedyll kritisiert: „Die Branche hat viele schöne Seiten, ist zugleich jedoch sehr belastend. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Einstellungen verändert.“ Freizeit habe in der Mentalität der jungen Leute einen höheren Stellenwert. Mit den Wochenendschichten und der hohen Belastung schrecke die Gastronomie den Nachwuchs ab. Vonseiten der Arbeitgeber ist deshalb ein Angebot an flexiblen Arbeitszeiten gefragt.
Das Hittfelder Hus versucht dem mit attraktiven Tarifverträgen gerecht zu werden. „Unsere Mitarbeiter sind doch keine reinen Befehlsmenschen“, sagt Inhaber Carsten Poser. „Die brauchen auch gut geregelte Arbeitszeiten.“ Einige Betriebe würden die Situation ausnutzen und mit Absicht billige Arbeitskräfte einstellen. Auf diesen Zug will das Hittfelder Hus nicht aufspringen; in der Kulinarik-Oberliga müsse das Personal den Speisen und Gästen auf Augenhöhe begegnen. Deshalb ist dem Inhaber die Qualität der Ausbildung wichtig. In den letzten Jahren falle es ihm aber zunehmend schwer, qualitativen Zulauf zu gewinnen.
„Betriebe im Landkreis haben es im Vergleich zu ihren städtischen Kollegen besonders schwierig“, sagt Thomas Cordes, Inhaber des Hotels und Restaurants Cordes in Rosengarten und Ansprechpartner der Dehoga für den Landkreis Harburg. Immer häufiger würden Menschen in die Großstadt ziehen, um sich dort Arbeit zu suchen. Ohne Fahrzeug oder Führerschein kämen viele Studierende gar nicht zum Arbeitsplatz.
„Dabei haben wir auch einiges zu bieten - den hohen Stammgastanteil zum Beispiel. Sich so gut mit seinen Besuchern unterhalten kann man nur im Umland.“ Denn hier, in den mittelständischen Betrieben des Landkreises Harburg, gebe es nun mal einen ganz besonderen Zusammenhalt und Charme. Eine Gastrokultur, die es zu wahren gilt.