Harburg . Initiative „Yes, we swim!“ ist erfolgreich gestartet. 4000 Unterschriften liegen vor. Politik wird sich mit dem Thema beschäftigen

Eigentlich könnte das Bürgerbegehren „Yes – we swim!“, das sich für eine Schwimmhalle im Harburger Kerngebiet einsetzt, demnächst mit dem Sammeln von Unterschriften aufhören: Nachdem Ende November das wichtige „Drittelquorum“ – ein Drittel der benötigten gültigen Unterschriften erreicht wurde, nähern sich die Aktivisten jetzt bereits der insgesamt benötigten Anzahl an Unterschriften. „Uns liegen jetzt etwa 4000 Unterschriften vor“, sagt Juliane Eisele, eine der Mitinitiatorinnen des Begehrens, „das wären schon mehr, als wir benötigen. Aber die Erfahrung beim Drittelquorum hat gezeigt, dass nicht wenige Unterschriften ungültig sind. Deshalb hatten wir für das Drittelquorum schon deutlich mehr Unterschriften eingereicht, als nötig gewesen wären.“

1700 Unterschriften hatten Eisele und ihre Mitstreiter abgegeben. 1162 hätten sie gebraucht. Gültig waren etwa 1500. Es zählen nämlich nur Unterschriften von Bürgern, die im Bezirk Harburg wahlberechtigt für die Bezirksversammlung sind. Damit das Begehren insgesamt erfolgreich ist, müssen 3486 gültige Unterschriften vorliegen. Das sind drei Prozent der Wahlberechtigten im Bezirk. Ist diese Anzahl erreicht, muss die Bezirksversammlung das Thema des Bürgerbegehrens bei einer Sitzung besprechen und darüber abstimmen. Sie muss ihm nicht zwingend zustimmen. Lehnt die Bezirksversammlung ab, können die Initiatoren das Begehren zum Bürgerentscheid eskalieren. Dann stimmen alle Harburger Wahlberechtigten darüber ab. Das Ergebnis der Abstimmung zählt wie ein Beschluss der Bezirksversammlung. Im Fall des Bürgerbegehrens „Yes – we swim!“ heißt das, dass die Hamburger Stadtentwicklungsbehörde den Beschluss lediglich als Empfehlung ansehen muss.

„Schon deshalb werden wir bis zum

Fristende im April fleißig weitersammeln“, sagt Juliane Eisele, „damit klar wird, wie sehr die Harburger eine sport- und lehrtaugliche Schwimmhalle brauchen und wollen“.

Außer von den Sammelaktionen kommen jetzt auch Rückläufer zur Initiative, deren Absender bei den offiziellen Sammlungen einfach einige Listen mitgenommen haben. „Vor allem Elternvertreter der Grundschulen sammeln fleißig“, sagt Eisele, „bei uns kommen jeden Tag neue Listen an.“

Die Eltern sammeln deshalb so fleißig, weil es der Initiative gerade um das Schulschwimmen geht. Daran hapert es nach Meinung von Juliane Eisele und ihren Mitstreitern in Harburg. Das Harburger Freizeitbad Midsommerland hat ihrer Meinung nach weder die Kurskapazitäten noch die Voraussetzungen für einen vernünftigen Schwimmunterricht: Die höchste Wassertiefe beträgt 1,35 Meter. Damit können einzelne Komponenten der Prüfung zum Deutschen Jugendschwimmabzeichen (DSJA) Bronze hier nicht abgenommen werden, so wie das Tauchen in zwei Meter Tiefe oder der Sprung vom Startblock oder Einmeterbrett. Schon für den Seepferdchen-Sprung vom Beckenrand ist die geringe Tiefe bei größeren Kindern problematisch.

Betreiber des Midsommerland ist die städtische Bäderland GmbH. Deren Sprecher Michael Dietel sieht in der Ausstattung des Bades keinen Mangel: „Ziel des obligatorischen Schulschwimmens in der Primarstufe ist nicht die Erlangung des DJSA Bronze“, schreibt er auf Anfrage. „Im Bildungsplan Sport für die Primarstufe steht, dass die Schülerinnen und Schüler weitgehend ... die Bedingungen des ‘Jugendschwimmabzeichen Bronze’ erfüllen. Gemäß der Empfehlung der Kultusministerkonferenz für den Schwimmunterricht in der Schule ist grundlegendes Ziel des Schwimmunterrichts das sichere Schwimmen.“

Dies „sichere Schwimmen“ ist fast, aber eben nicht ganz, deckungsgleich mit den Anforderungen des Bronzeabzeichens. So wird auf die Tauchkomponenten verzichtet. Peter Albrecht, Pressesprecher der Schulbehörde, bestätigt dies. Außerdem, so Dietel, sei die Wassertiefe im Midsommerland kein Problem, sondern beim Schwimmen lernen eher förderlich. „Hintergrund ist, dass es aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, nicht schwimmfähige Kinder mit einer Wassertiefe von zwei Metern oder mehr zu konfrontieren.“

Dem widerspricht der Pressesprecher der DLRG, Achim Wiese, vehement: „Ohne ausreichende Wassertiefe entwickeln Schwimmschüler kein Gefahrengefühl“, sagt er. „Es mag sinnvoll sein, die ersten Stunden in einem flachen Lehrbecken zu unterrichten, aber dann sollte man ins tiefere Wasser wechseln. Wenn man genügend Personal hat, um die Aufsicht zu gewährleisten, spricht auch nichts dagegen, gleich im Tiefen anzufangen.“

Egal, welche Auffassung richtig ist: Zur geringen Tiefe der Midsommerland-Becken kommt auch noch, dass das Midsommerland von der Größe her nicht alle Harburger Grundschüler zum Schwimmunterricht in Klasse 3 und 4 aufnehmen kann. Fünf Harburger Schulen weichen mit ihrem Schwimmunterricht deshalb auf die Schwimmhallen in Neugraben und Wilhelmsburg aus. Das bedeutet einen nicht geringen logistischen Aufwand für die betroffenen Schulen, hat die Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, Sabine Boeddinghaus, in mehreren Anfragen an den Senat herausgefunden. „Das ist ein anstrengender und misslicher Umstand, der sich durch ein weiteres – erneutes – Schwimmhallenangebot in Harburg-Kern erübrigen ließe“, sagt sie.

Armut erhöht offenbar das Risiko, zu ertrinken

Boeddinghaus hat die sehr umfangreichen Statistiken, mit denen der Senat ihre Anfragen zum Thema Schwimmfähigkeiten und Schwimmunterricht beantwortet hat, durch ihren wissenschaftlichen Mitarbeiter Sven-Uwe Ihling auswerten lassen. „Dabei fallen zwei Dinge auf“, sagt Ihling, „erstens steigt die Häufigkeit, mit der Schwimmunterricht ausfällt mit der Entfernung der Schulen zum jeweiligen Lehrschwimmbad. Zweitens sinkt die Quote der Schüler, die am Ende der vierten Klasse ein Bronzeabzeichen erreichen, mit dem Sozialindex der Schulen. Armut erhöht also das Risiko, zu ertrinken.“ Herausgearbeitet hat Ihling auch, dass in den Schulen mit höherem Sozialindex die Quote derer, die bereits zu Beginn des Schul-Schwimmunterrichts ein Bronze-Abzeichen haben, sehr viel höher ist. „Eltern, die es sich leisten können, ermöglichen ihren Kindern schon im jüngeren Alter Schwimmkurse“, sagt er.

Wer in einem Bäderland-Bad alle sechs Module des bäderlandspezifischen Lehrkonzepts „Pinguin“ absolviert hat, hat am Ende zwar etwas mehr gelernt, als für das Bronzeabzeichen nötig wäre; dessen Eltern haben aber auch 270 Euro Kursgebühren im Bad gelassen. „Und auch die hohen Eintritte im Midsommerland verhindern, dass ärmere Kinder frühzeitig Spaß am Schwimmen entwickeln können“, sagt Ihling. „In einem Bezirk mit hoher Armutsquote ist das fatal.“

Nicht nur die linke Bürgerschaftsabgeordnete Sabine Boeddinghaus unterstützt die Initiative „Yes – we swim“, sondern auch ihre konservative Kollegin Birgit Stöver (CDU). Ob ihre Parteifreunde von der CDU-Bezirksfraktion das ähnlich sehen, ist nicht sicher: CDU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, für ein neues Kombibad einzutreten. Allerdings nicht in Harburg, sondern in Süderelbe. Zwei neue Bäder in einem Bezirk wird der Senat aber kaum herausrücken. Gut möglich ist es, dass die große Koalition im Bezirk dem Bürgerbegehren zustimmt, um dem Hamburger Rathaus das Ablehnen zu überlassen.

Juliane Eisele und ihre Mitstreiter wollen bis April Unterschriften sammeln. Mittlerweile bekommen sie auch schon Anfragen aus anderen Bezirken. Dort wollen sich ähnliche Initiativen gründen.