Wilhelmsburg. Hamburger Verkehrsbehörde will Autobahn unter Deckel an Kirchdorf vorbeiführen. Gegner kritisieren „schwammige Versprechungen“.
Dass Hamburgs Staatsrat für Verkehr, Andreas Rieckhof (SPD), von den Betroffenen einer geplanten Autobahn Beifall erhält, geschieht nahezu nie. Schon gar nicht auf der Elbinsel Wilhelmsburg, die für ihr streitbare Kultur bekannt ist. Für seine Ankündigung, die geplante A 26 Ost auf dem 1480 Meter langen Abschnitt von Finkenriek bis Stillhorn unter die Erde legen zu wollen (das Abendblatt berichtete), erntete Andreas Rieckhof im Bürgerhaus Wilhelmsburg aber ungewohnten Applaus – keinen tosenden zwar, aber warmen. Besänftigt zeigten sich die Autobahngegner immer noch nicht.
Etwa 100 Menschen hatten sich versammelt, um zu erfahren, wie die Hamburger Behörde für Verkehr auf die Forderungen eines Bürgergutachtens reagieren würde. Entstanden ist es bei einer freiwilligen, frühzeitigen Bürgerbeteiligung, mit der die Behörde für Verkehr das Beteiligungsprojekt „Perspektiven!“ der Stiftung Bürgerhaus Wilhelmsburg beauftragt hat. Es ist das Forum der gemäßigten Autobahngegner, die Verbesserungen ihres Lebensumfeldes erkämpfen wollen, weil sie Bau der Autobahn für nicht mehr verhinderbar halten.
Vor allem nutzte die fundamentale Opposition, die den Bau der A26 Ost im Süden der Elbinsel Wilhelmsburg grundsätzlich ablehnt, die Möglichkeit zu direkten Auseinandersetzung mit Staatsrat Rieckhof. Sie ist im Bündnis Verkehrswende Hamburg organisiert, zu dem sich mehrere Bürgerinitiativenzusammengeschlossen haben und das der Naturschutzverband Nabu unterstützt.
Jochen Klein von der Initiative Engagierte Wilhelmsburger ist erfahren in Genehmigungsverfahren von großen Straßenbauvorhaben. Er bewertet das Versprechen der Hamburger Verkehrsbehörde, sich beim Bundesverkehrsministerium für einen Autobahntunnel in Wilhelmsburg einsetzen zu wollen, nicht als Ergebnis der freiwilligen Bürgerbeteiligung.
Wegen etwa 130 Bürgern, die sich an den Arbeitstreffen beteiligt hätten, nehme die Stadt Hamburg nicht zusätzlich 100 oder 200 Millionen Euro zur Co-Finanzierung eines Autobandeckels in die Hand, sagt er. Jochen Klein ist davon überzeugt, dass ohne Tunnel die Planung des Autobahnabschnitts in Wilhelmsburg rechtlich unzulässig sei. Die Freie und Hansestadt Hamburg, sagt Jochen Klein, wolle lediglich das Klagerisiko minimieren.
In dem Planfeststellungsverfahren zu dem ersten Bauabschnitt der insgesamt 9,7 Kilometer langen A26 Ost bei Moorburg haben Bürger 1300 Einwendungen erhoben. Die Planfeststellungsbehörde wird ab Juli 2018 dazu Stellung nehmen. Klagen vor Gericht würde das Bundesverwaltungsgericht als einzige Instanz verhandeln.
Autobahngegner halten die Absichtserklärungen der Behörde für Verkehr für zu schwammig, also nicht belastbar genug. Das gilt vor allem für die Idee zu Wohnungsbau über der unterirdisch verlaufenen Autobahn. Direkt über der Fahrbahn dürften keine Wohnhäuser entstehen, sagte Andreas Rieckhof.
Auf dem Autobahndeckel könnten aber zum Beispiel Kleingärten oder ein Park errichtet werden. „Sie malen einem verkehrstechnischen Dinosaurier einen grünen Schwanz an“, warf Stephan Zins, Sprecher des Bündnisses Verkehrswende Hamburg, dem Staatsrat vor. Ökologie und Wohnungsbau würden gegeneinander ausgespielt, um den Tunnel finanzieren zu können, kritisierte der Nabu.
Der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich (SPD) dagegen sieht mit dem Autobahntunnel die Hauptforderung der Wilhelmsburger als erfüllt an. Die Möglichkeit zu Wohnungsbau sei die große Chance, die Siedlung Kirchdorf-Süd aus ihrer Insellage zu befreien und die Infrastruktur für die Menschen zu verbessern. Die Handelskammer Hamburg begrüßt den Bau der A26 Ost. In einem Eckpunkte-Papier fordert sie ein Baustellenmanagement, dass einen fairen Ausgleich für betroffene Unternehmen vorsehe.
1. Halbjahr 2018 Abstimmung der Planung mit dem Bundesverkehrsministerium
„Perspektiven!“ Offen ist die Entscheidung, welche Anschlussstelle geplant wird: Otto-Brenner-Straße (Favorit der Behörde für Verkehr) oder „Halbanschluss“ Pollhornbogen“ (Bürgervorschlag).
Entscheidung über die Finanzierung und den Anteil der Freien und Hansestadt Hamburg daran
Einleitung des Planfeststellungsverfahrens
Baubeginn: ab 2023 möglich. Fertig nicht vor dem Jahr 2027