Jesteburg/Sinstorf. Anne und Stefan Lemcke, Gründer der Sinstorfer „Geschmacksmanufaktur“ haben bereits 65 Mitarbeiter. Nun soll ein Kochbuch erscheinen.
Wenn man eine Firma gründet, kommt es immer anders, als man denkt. Eigentlich hatten Stefan und Anne Lemcke ein kleines Familienunternehmen geplant, das sie und ihre Kinder ernährt und dabei mehr Spaß bringt, als ein normaler Bürojob. Das mit dem Spaß klappt immer noch. Aber statt eines überschaubaren Familienbetriebs führen die beiden nur wenige Jahre, nachdem sie „Ankerkraut“ gegründet haben ein mittelständisches Unternehmen, das nicht nur einen Haushalt ernährt, sondern 65. So viele Mitarbeiter hat „Ankerkraut“ mittlerweile in der Sinstorfer Geschmacksmanufaktur. Ihre Produkte werden von Aalborg bis Zürich geschätzt. Und an dem Erfolg ist nicht nur die Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ schuld.
„Als wir dort auftraten, begann das Geschäft bereits zu laufen und wir hatten schon ein Dutzend Mitarbeiter“, sagt Anne Lemcke, „aber die Beteiligung von Frank Thelen hat uns noch einmal einen Extra-Schub gegeben, es uns ermöglicht, von der Garage in den Puhst-Gewerbehof nach Sinstorf umzuziehen. Der Werbeeffekt war natürlich auch gut.
„Ankerkraut“ war eigentlich Stefan Lemckes Idee. „Ich war im Online-Marketing tätig und ziemlich angeödet davon, den ganzen Tag vor dem Rechner zu sitzen und nichts greifbares herzustellen“, erinnert er sich. „Und Gewürze waren schon immer meine große Leidenschaft.“
Die entdeckte Lemcke während seiner Kindheit in Tansania. Sein Vater war dort als Entwicklungshelfer tätig. Die Familie wurde von einem Afrikaner bekocht, der zuvor lange in einem pakistanischen Restaurant gearbeitet hatte und so die Würzphilosophien zweier Kontinente in seiner Küche vereinigte. Alle waren begeistert, der kleine Stefan fasziniert. „Seit ich vier war, war ich nur noch in der Küche zu finden. Der Koch nahm mich auch mit auf den Markt und zeigte mir alles, was man über Zutaten und Gewürze wissen muss. Mit zehn konnte ich so gut kochen, dass ich sonntags, wenn der Koch frei hatte, für das Familienessen zuständig war.“
Zurück in Deutschland und nach der Schule plante Stefan Lemcke deshalb zunächst auch eine Kochlehre. Allerdings merkte er rechtzeitig, dass am Anfang der gastronomischen Laufbahnen teils nicht etwa intensive Ausbildung, sondern gnadenlose Ausbeutung steht. Lemcke lernte Buchbinder und kam irgendwann zum Online-Marketing.
Bis er davon die Nase voll hatte und ihm die Idee mit den Gewürzen in den Kopf kam. Da war Stefan schon mit Anne verheiratet und auch Nachwuchs gab es bereits. Eigentlich ein Zeitpunkt, zu dem die meisten Männer auf Sicherheit setzen, aber Stefan Lemcke hatte nun mal der Unternehmergeist gepackt.
Ihre Anfänge nahm die Geschmacksmanufaktur 2013 ganz klischeehaft in einer Garage. In Wilhelmsburg am Elbdeich waren die Lemckes Untermieter einer Autowerkstatt. In einem abgeteilten Bereich neben dem Meisterbüro waren Lager, Produktion und Experimentierlabor untergebracht. „Die ersten drei Monate habe ich mich nur eingeschlossen und Mischungen entworfen, ausprobiert , verworfen oder verfeinert“, sagt Lemcke. „Dann war es so weit, dass wir die ersten Mischungen anbieten konnten.“
Die Werbewortkreation „Geschmacksmanufaktur“ ist ernst gemeint: Auch mit 65 Mitarbeitern werden die Gewürzmischungen noch von Hand zusammengestellt. Maschinen helfen, mischen jedoch nicht automatisch oder gar programmgesteuert. An jedem Mischer stehen Mitarbeiter, wiegen Zutaten ab und füttern den Trichter damit. „Unser Vorteil ist, dass Hamburg noch immer der wichtigste Gewürzhafen Europas ist“, sagt Stefan Lemcke, „hier bekommt man alles. Und frischer, als hier bekommt man es nirgends. Diesen Frischevorteil wollen wir an die Kunden weitergeben. Das Würzen soll zu einem Erlebnis für alle Sinne werden, so wie für mich früher. Deshalb auch die Gläser, damit auch das Auge mitisst“
Die Gläser mit den Korken sind eines der Markenzeichen von Ankerkraut. Sie haben aber auch schon viel Arbeit gemacht. Einmal – „Ankerkraut“ war bereits so gewachsen, dass man von einer Garage in Wilhelmsburg in zwei Garagen bei Stefans Eltern in Jesteburg umgezogen war – kamen mehrere Paletten mit Gläsern, die bei der Produktion verunreinigt waren. „Wir haben tagelang in der Küche gestanden und Gläser gewaschen“, erinnert sich Stefan Lemcke.
Einfach ein Auge zudrücken, das kann Stefan Lemcke nicht
Einfach ein Auge zudrücken, kann er nämlich nicht, das entspräche nicht der Ankerkraut-Philosophie. So verzichteten die Gewürzmischer einige Zeit auf den besonders geschmacksintensiven Szezuan-Pfeffer. „Im Herkunftsland waren unerwünschte Insekten aufgetaucht und die Regierung hatte das Land besprühen lassen. Rückstände waren auch im Pfeffer. Andere haben diesen noch verwendet. Wir nicht. Wir haben die Mischung so angepasst, dass sie auch ohne Szezuan-Pfeffer gut schmeckte“, sagt Stefan Lemcke.
Ähnlich geht es demnächst mit der Vanille. Die ist derzeit im Einkauf so teuer – sie kostet zehnmal mehr, als letztes Jahr – dass man sie nicht zu einem akzeptablen Preis weiterverkaufen kann. „Wir haben noch Restbestände“, sagt Anne Lemcke, “danach können wir aber geschmackliche Alternativen anbieten. Die gibt es in guter Qualität und zu akzeptablen Preisen. Zum Beispiel die Tonka-Bohne.“
Eine Mischung zu kreieren, kann Monate dauern. Und manchmal überrascht sie sogar ihre Erfinder: „Einmal kam ich etwas später nach Hause und Anne hatte schon gekocht, einen Auflauf. Der schmeckte an diesem Tag besonders gut und ich sagte das auch. Anne sagte mir darauf, dass sie schon mal meine neue Auflauf-Gewürzmischung ausprobiert hatte. Da habe ich beschlossen, dass sie fertig entwickelt war. Seitdem ist diese Mischung mein persönliches Lieblingsgewürz.“
Die neuste Kreation aus dem Hause Ankerkraut gibt es derzeit allerdings nur online: Anne und Stefan Lemcke haben ein Kochbuch herausgegeben. Neben leckeren Rezepten enthält es auch viel Waren- und Werkzeugkunde. Die Verhandlungen mit dem Buchhandel laufen.