Winsen. Wie ein Traditionsschlachter sich neu aufstellt. Sonderangebote gibt es nicht mehr, Bauern werden fair bezahlt – damit Tiere nicht leiden.
Ob Weihnachtsbraten oder Alltagskost: Viele Verbraucher legen inzwischen Wert darauf, dass das Fleisch, das sie braten, backen und kochen, von ehemals glücklichen Tieren stammt. „Das Thema wird mehr und mehr diskutiert“, sagt Dierk Jurich, der zusammen mit seiner Frau Petra in Winsen in vierter Generation eine Fleischerei betreibt.
Seit einem Vierteljahr setzt Jurich auf das Qualitätsfleischprogramm Neuland, das besonders strenge Anforderungen an die Tierhaltung setzt. Und das mit Erfolg: „Unsere Kunden schätzen die hohe Fleischqualität und sind bereit, dafür mehr zu bezahlen“, sagt Jurich.
Der Verein Neuland wurde 1988 von fünf Verbänden gegründet, darunter der Deutsche Tierschutzbund, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Ziel ist eine „tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung“, wobei das Tierwohl und nicht die Ökologie im Vordergrund steht. Darin unterscheidet sich der Verein von den Bio-Verbänden.
Umstellung nach Verbraucher-Betrug
„Wir haben schon immer regional eingekauft, nur halt bei konventionellen Betrieben. Mit der Umstellung wollen wir unseren Kunden mehr bieten in Puncto Tierwohl. Aber es geht nicht nur darum, Fleisch mit gutem Gewissen essen zu können. Es hat auch eine bessere Qualität, die man schmeckt. Es ist fester, etwas dunkler und trockener“, sagt Jurich.
Zunächst hatte der 55-jährige Fleischermeister nur Schwein- und Rindfleisch von Neuland-Betrieben bezogen. Vor zwei Wochen ist Geflügel hinzugekommen. Neuland hatte die Vermarktung von Hähnchen nach einem Skandal im Jahr 2014 ausgesetzt.
Damals hatte der wichtigste Geflügellieferant von Neuland unter dem Label des Vereins über viele Jahre die Verbraucher betrogen, indem er konventionell gehaltene Hähnchen eingekauft, geschlachtet und als Neuland-Geflügel verkauft hatte. Inzwischen gibt es ein neues Kontrollsystem, und seit kurzem sind Neuland-Hähnchen wieder zu haben.
„Wir hatten schon 2014 vor, Neuland-Produkte zu beziehen. Doch nach dem Vorfall haben wir erst einmal darauf verzichtet“, sagt Jurich. Jetzt sei die Zeit reif, Tierwohl sei ein Thema in der Presse und in der Gesellschaft. Viele Menschen seien inzwischen bereit, lieber etwas weniger und dafür teureres Fleisch zu kaufen.
Sonderangebote sind nicht möglich
Dies ist für den Fleischer wichtig, denn Sonderangebote kann er seiner Kundschaft nicht bieten: „Ich kaufe zu festen Preisen ein, denn auch Neuland zahlt seinen Bauern Festpreise. Die gelten jeweils für ein Jahr, damit der Viehhalter mit ihnen kalkulieren kann. Wenn Landwirte unter Preisdruck geraten, geht das immer zu Lasten der Tiere.“
Er kenne alle Höfe, die ihn beliefern, sagt Jurich. Die meisten liegen im Raum Dannenberg – im Gegensatz zum Wendland gebe es im Landkreis Harburg relativ wenige Viehhalter. Für den Fleischer ist es wichtig, das Tier komplett zu nutzen. Schließlich sei die Ware besonders hochwertig.
Er bezieht ganze Tiere und zerlegt sie selbst, produziert daraus auch Zungenragout, Schweinskopfsülze, Leberwurst. Ein arabischer Stammkunde kommt regelmäßig im Geschäft an der Deichstraße vorbei und kauft Schweinepfoten, ein Chinese nimmt die Schweineohren ab. Aus Rinderherz und -leber entsteht Hundefutter.
Zudem sollte von der Produktion nichts übrig bleiben, so dass es weggeworfen werden müsste. Jurich: „Wir arbeiten hier handwerklich mit Kleinstmengen, die ein Industriebetrieb gar nicht herstellen könnte. Es kommt vor, dass zum Wochenende das eine oder andere Produkt ausverkauft ist. Dann vertrösten wir unsere Kunden auf den Anfang der nächsten Woche, auf die neue Ware. Und die verstehen uns.“
Phosphat und Geschmacksverstärker sind tabu
Die hausgemachten Neuland-Wurstprodukte bestehen nicht nur aus tierschutzgerechter Ware, sondern müssen weitere Anforderungen erfüllen. Sie dürfen weder Phosphat noch Geschmacksverstärker oder gentechnisch veränderte Zutaten enthalten. Einige Produkte in der reichhaltigen Auslage sind weiterhin zugekauft, auch hier achtet Jurich auf Qualität.
Noch besteht nicht das gesamte Sortiment des Winsener Fachgeschäfts aus Neuland-Ware – „bei Pute und Hähnchen fahren wir zweigleisig, und auch unser Mittagstisch ist nicht komplett umgestellt“, so Jurich. Aber er sieht sich auf einem guten Weg, den Wünschen der Kunden nach echt gutem Fleisch nachzukommen.
Damit agiert der Urenkel ganz im Sinne der Familientradition. Anno 1899 schaltete der Urgroßvater und Firmengründer Emil Jurich eine Zeitungsanzeige und versprach den Winsenern: „Es wird stets mein eifrigstes Bestreben sein, meine werthe Kundschaft nach Kräften reell zu bedienen und bitte mein neues Unternehmen gütigst untersuchen zu wollen.“
Die Gunst der Kunden währt nun seit fast 130 Jahren.
Hier gibt es Neuland-Fleisch
Winsen Fleischerei Jurich, Deichstraße 7-9, Telefon: 04171/25 09, Internet: www.fleischerei-jurich.de
Amelinghausen Landschlachterei Drewes, Lüneburger Straße 46, Telefon: 04132/367, www.party-drewes.de
Holm-Seppensen Fleischerei Harms, Lohbergenweg 5, Telefon: 04187/69 37,
www.fleischerei-bistro-harms.de
Horneburg Henning Brümmel, Gut Daudieck, Telefon: 04163/81 14 65
Oldendorf Andreas Engel, Mühlenweg 1, Telefon: 04132/342
Lüneburg Sandpassage, Manfred Tschorn,
Am Sande 8, Telefon: 04131/737 50 und Tschorn am Bockelsberg, Uelzener Str. 105, Telefon: 04131/491 15