Pattensen. Freiheitssymbol oder angriffslustige Bestie aus dem Märchen? Ashausener Forscherin sucht die Wurzeln der Furcht.

Um die lodernden Mahnfeuer, wie in Fleestedt oder Pattensen, stehen sie und diskutieren über Wölfe – Politiker, Weidetierhalter und Anwohner machen ihren Empfindungen und Befürchtungen bei solchen Gelegenheiten Luft. Unter ihnen steht Dr. Kathleen Schwerdtner Manez und hört ruhig zu. Die promovierte Agrarökonomin beobachtet auf Veranstaltungen wie dieser, wie im Landkreis Harburg und im Heidekreis über Wölfe diskutiert wird. Bevor ihre Forschung in die nächste Phase geht, zieht sie Bilanz.

„Über kein anderes Tier wird derart emotional diskutiert“, sagt Dr. Schwerdtner Manez. Das beobachte sie in ihrer eigenen Gemeinde in Stelle und Umgebung. Seit der Rückkehr der Wölfe nach Niedersachsen, sei hier die Angst gewachsen: „Die Menschen denken, mit dem Wolf kommt die Wildnis zurück“, sagt die 42-jährige Forscherin, die mit dem Thema Wolf quasi groß geworden ist. „Mein Großvater hat vermutlich gesehen, wie die ersten Wölfe von Polen über die Neiße nach Deutschland geschwommen sind“, sagt die gebürtige Görlitzerin. Bevor die Tiere sich in Niedersachsen ausbreiteten, siedelten sie nämlich in ihrer Heimat in Ostsachsen.

„Ich will wissen, worauf diese Angst basiert“, sagt sie entschlossen. „Denn was nutzt es, zu wissen, wieviel Prozent der Menschen dafür und dagegen sind, wenn wir nicht wissen, warum das so ist.“ Als Umwelthistorikerin interessieren sie besonders, welchen Einfluss Mythen und Märchen haben: „Zum Einen ist der Wolf ein Symbol für Freiheit, Indianer und Wildnis, auf der anderen Seite ist er der böse Isegrim aus den Märchen der Gebrüder Grimm. Auch das Bild der nährenden Wolfsmutter kennen wir, wie in dem römischen Gründungsmythos mit Romulus und Remus“, sagt Dr. Kathleen Schwerdtner Manez.

Um den kulturhistorischen Wurzeln der Wolfsangst auf den Grund zu gehen, bewegt sie sich auf Veranstaltungen, wie dem Mahnfeuer in Pattensen. Seit Januar ist diese bereits die vierte in den Landkreisen Harburg und Heidekreis, die sie besucht.

„Ich schaue, wer etwas sagt, wie die Menschen diskutieren und welche Gesprächsmuster wiederkehren“, erklärt sie gelassen das Programm ihrer Forschung. Im Schafwollpullover steht sie neben Landtagsabgeordneten und solchen, die es werden wollen. Sie stellt kaum Fragen, sondern hört zu, was hier gesagt wird. Auch den Weidetierhaltern, die das Mahnfeuer organisierten, widmet sie Aufmerksamkeit. Ab und an schreibt sie kurze Notizen in ihren Block. „Ich beobachte die Menschen und frage mich anschließend ganz sachlich nach den Gründen ihrer Emotionen“, erklärt die Agrarökonomin.

Wer darf entscheiden, ob der Wolf hier her gehört?

In der Tradition der Grounded Theory, einer Methode aus der qualitativen Sozialforschung, führt sie zunächst Beobachtungsprotokolle, aus denen sie eine Theorie ableitet. Diese ist Grundlage für die Fragen, die sie bisher für ihre Studie formuliert hat.“Ich möchte wissen, ob die Angst der Menschen historisch bedingt ist. Außerdem interessiert, ob der Wolf hier zur Kulturlandschaft gehört und wer darüber entscheiden darf“, erklärt sie. Mit diesen Fragen im Hinterkopf hat sie mittlerweile schon Fragebögen entwickelt. Mit diesen wird sie in die zweite Forschungsphase gehen und Interviews führen. „Ich werde wahrscheinlich erst einmal auf die Jäger zu gehen“, sagt Dr. Kathleen Schwerdtner Manez.

Beginnen wird sie in ihrer Wahlheimat Ashausen. Das spart Reisekosten. Denn die Unabhängigkeit ihrer Forschung will Dr. Schwerdtner Manez dadurch sicher stellen, dass sie nicht von Naturschutzorganisationen finanziert wird.

„Bei einer Wahrnehmungsstudie ist das Thema Finanzierung sehr schwierig, wenn die Studie an keine Universität angeschlossen ist“, sagt sie. Über Unterstützung durch eine interessierte, neutrale Stiftung würde sie sich freuen.