Harburg . SPD hat das Vorschlagsrecht für den neuen Bezirksamtsleiter, hält sich aber bedeckt – viele Kandidaten.
Wenn heute Abend um 17.30 Uhr die letzte Sitzung der Bezirksversammlung in diesem Jahr beginnt, steht ein Thema zwar nicht auf der Tagesordnung, wird aber die Gedanken vieler Abgeordneter bewegen: Wie geht es ab 2018 weiter mit der Bezirksamtsleitung? Thomas Völsch, gerade von der Versammlung als Bezirksamtsleiter bestätigt, hat den Bürgermeister gebeten, ihn nicht erneut zu berufen.
Sein Gesundheitszustand habe sich so verschlechtert, dass er nicht garantieren könne, das Amt auszuüben. Damit würde seine Amtszeit am 31. Dezember enden und keine neue beginnen. Entspricht der Bürgermeister dem Wunsch seines Beamten, muss die Bezirksversammlung einen neuen Bezirksamtsleiter wählen.
Das Bezirksverwaltungsgesetz sieht vor, die Stelle auszuschreiben. Ein Ausschreibungsverfahren dauert mehrere Monate. Auf die Ausschreibung der Stelle kann allerdings auch verzichtet werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Bezirksversammlung dies beschließt und selbst einen Kandidaten wählt.
Dieser Vorschlag der Bezirksversammlung wird dann im Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg darauf geprüft, ob die Person die formalen Voraussetzungen erfüllt, ein Amt auszuüben. Ist das der Fall, ernennt der Bürgermeister die neue Bezirksamtsleitung für sechs Jahre.
Im vertraulichen Anhang des Koalitionsvertrags zwischen SPD und CDU ist verabredet, dass die SPD-Fraktion einen Kandidaten vorschlägt und die CDU dem zustimmt. Öffentlich nicht bekannt ist, ob die CDU die Zustimmung auch verweigern darf.
SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath will von solchen Gedankenspielen noch nichts wissen: „Bis Jahresende ist Thomas Völsch noch Bezirksamtsleiter, danach sehen wir weiter“, sagt er, „das gebietet auch der Respekt gegenüber Thomas Völsch. Zu gegebener Zeit werden sich Kreisvorstand und Fraktionsvorstand der SPD zusammensetzen und jemanden finden. Das werden wir dann mit der CDU-Fraktion besprechen und dann an die Öffentlichkeit gehen.“
Bestimmte berufliche Qualifikationen sind bei der Besetzung des Amtes offiziell nicht gefragt. Führungserfahrung und Kommunikationsfähigkeit gehören sicherlich zu den Kriterien, die in einer Ausschreibung zu finden wären. Üblicherweise sind Bezirksamtsleiter Juristen oder Verwaltungsfachwirte.
Dierk Trispel, der Verwaltungsdezernent, vertritt Thomas Völsch. Wenn es um die Nachfolge geht, ist er ein möglicher Kandidat. Der 57-jährige leitet sein Dezernat seit 16 Jahren, ist firm in allen Verwaltungsvorgängen. Ob er bei der CDU gut gelitten sein wird, ist allerdings fraglich. Der ehemalige CDU-Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg hatte Trispel seinerzeit loswerden wollen.
Ein weiterer möglicher Kandidat wäre Frank Richter. Der SPD-Kreisvorsitzende ist Rechtsanwalt und einer der Architekten des Koalitionsvertrags mit der CDU. Er ist Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses und hat mit seiner Partei zusammen eine nicht unumstrittene, aber in sich schlüssige Vision für das Harburger Kerngebiet entwickelt, die er als Bezirksamtsleiter verfolgen könnte.
Birgit Rajski macht als Vorsitzende der Bezirksversammlung eine sehr gute Figur, wirkt integrierend. Wer die Effizienz der Bezirksversammlungs-Sitzungen steigern kann, hat auch das Potenzial zur Verwaltungschefin. Die SPD könnte mit ihr auch zum ersten Mal in der Geschichte des Bezirks eine Frau an die Amtsspitze bringen.
Tief im Ärmel der Harburger SPD, weil auf Bezirksebene wenig in Erscheinung getreten, sitzt ein weiteres Ass: Klaus Thorwarth, 53, Verwaltungsrichter aus Marmstorf. Thorwarth leitete den Arbeitsstab des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Elbphilharmonie und war mehrere Jahre vom Verwaltungsgericht in die Senatskanzlei abgeordnet, ist also sehr gut in Bürgerschaft und Behörden vernetzt – so wie der jetzige Amtsinhaber Thomas Völsch.
Gut im Hamburger Rathaus vernetzt ist auch der Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher, ein Vollblutpolitiker. Sein Nachteil: Außerhalb des Politikbetriebs hat er kaum Berufserfahrung.
Möglich ist auch, dass die SPD versucht, den ehemaligen Sozialdezernenten Holger Stuhlmann aus der Sozialbehörde zurück nach Harburg zu lotsen. Der ist allerdings bereits 62 Jahre alt und würde schon nach einer halben Amtszeit in Pension gehen.
Der Ball liegt im Feld der SPD-Fraktion. Wann sie ihn aufnimmt, ist noch nicht sicher. Doch sie werden sicherlich schon mal heimlich das Spielfeld vermessen.