Harburg. Bezirksamtsleiter Thomas Völsch hat um Versetzung in den Ruhestand gebeten – Fraktionen sind ratlos.

Das Schreiben war nicht lang, doch es traf die Harburger Bezirkspolitik unvorbereitet: In neun Sätzen erklärte Bezirksamtsleiter Thomas Völsch den Fraktionsvorsitzenden der Bezirksversammlung, dass er sich vom Bürgermeister in den Ruhestand versetzen lässt. „Ich habe dieses Amt, zusammen mit Ihnen und mit Ihrer Unterstützung, sehr gern ausgeübt. Deshalb fällt mir dieser Schritt wirklich schwer. Zumal wir noch viel zu tun hätten. Aber eine realistische Einschätzung der Situation lässt keine anderen Entscheidungen zu“, lautet der abschließende Absatz des Schreibens.

Erst im September hatte die Bezirksversammlung Thomas Völsch für weitere sechs Jahre als Bezirksamtsleiter bestätigt. Die Krebserkrankung, die ihn das Frühjahr über zwang, von seinem amt zu pausieren, schien überwunden. Selbst von der Opposition hatte der Sozialdemokrat Völsch in der September-Debatte durchweg Lob erhalten.

Nun hat sich die Krankheit doch zurückgemeldet. Die Perspektive der notwendigen Behandlungen sei unklar, schreibt Völsch. Schon bei der Hauptausschusssitzung der Bezirksversammlung hatte er sich von Verwaltungsdezernent Dierk Trispel vertreten lassen. Dennoch überraschte das Rücktrittschreiben die Fraktionsvorsitzenden.

„Das hat uns auch wie eine Keule getroffen“, sagt Ralf-Dieter Fischer, Fraktionschef der CDU, „wir haben ja im Vorwege der Wiederwahl intensive Gespräche mit Thomas Völsch gehabt, bei denen es natürlich auch um seinen Gesundheitszustand ging. Da sah alles noch sehr positiv aus.“

Fischer wünscht Völsch Genesung, damit er seinen Ruhestand nach überwundener Krankheit noch genießen könne. Politisch wird ihm Thomas Völsch fehlen. „Er hat sich ja in den letzten Jahren immer mehr als Harburger Bürgermeister profiliert und war hier nicht der Sachwalter der Senatsinteressen.“

Als größte Fraktion in der Bezirksversammlung und Führungspartei in der großen Bezirks-Koalition hat die SPD das Vorschlagsrecht für den Nachfolger von Thomas Völsch. Auch in den Nebenabreden des Koalitionsvertrages mit der CDU ist das nicht anders geregelt. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Jürgen Heimath, warnt davor, jetzt in Hektik zu verfallen. „Das wäre der Sache nicht angemessen“, sagt er, „bis zum Ende des Jahres ist Thomas Völsch ja noch Bezirksamtsleiter, dann werden wir weitersehen.“

„Man weiß in solchen Situationen gar nicht, was man sagen soll“, sagt Kay Wolkau, Fraktionsvorsitzender der Neuen Liberalen. „Natürlich wünschen wir ihm gute Besserung! Politisch wird es nicht einfach, Thomas Völsch zu ersetzen. Er kann Menschen zusammenbringen.“

Dieses politische Urteil teilt auch der Vorsitzende der Linken-Bezirksfraktion, Jörn Lohmann. „Ich fürchte, der endgültige Ausfall von Thomas Völsch könnte sich destabilisierend auswirken“, sagt er. „Er hat ja immer moderierend auf die Große Koalition eingewirkt und Ralf-Dieter Fischer ganz gut im Zaum halten können. Bislang war Thomas Völsch ein Ankerpunkt der Harburger Politik.“

Dass Thomas Völsch erneut erkrankt sei, hätte er bereits gewusst, sagt Lohmann. „Trotzdem hat mich das Schreiben überrascht.“

In der Abwesenheit und nach dem offiziellen Ausscheiden von Thomas Völsch aus dem Amt des Bezirksamtsleiters übernimmt Verwaltungsdezernent Dierk Trispel die Amtsgeschäfte. Das hat er in der Vergangenheit auch schon getan, regulär wenn Thomas Völsch im Urlaub war und im Frühjahr, als der Bezirksamtsleiter länger ausfiel. „Das hat er mit großem Sachverstand gemacht“, sagt Kay Wolkau, „von daher wird es nicht schlimm sein, wenn die Suche nach einem neuen Kandidaten etwas länger dauert.“

Kommisssarische Besetzung bis zu nächsten Bezirkswahl?

Dieser Meinung ist auch Britta Hermann, Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Die nächste Wahl zur Bezirksversammlung findet ja schon in eineinhalb Jahren statt“, sagt sie, „ich finde, bis dahin sollte Herr Trispel kommissarisch weitermachen und nach der Wahl könnte die neue Bezirksversammlung einen neuen Bezirksamtsleiter wählen.“

Persönlich wünscht auch die Grünen-Fraktionschefin Thomas Völsch alles Gute. „Es hat ihn als Bezirksamtsleiter immer ausgezeichnet, dass er Situationen so angenommen hat, wie sie waren, sich aber nie damit zufriedengegeben, sondern sie mit Beharrlichkeit verändert hat“, sagt Britta Herrmann. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass er auf diese Art auch mit seiner Krankheit umgeht, und dass er sie so überwinden kann.“