Teresa-Marie Pelka und ihr Bruder Friedrich Voß halten auf ihrem Hof am Rande der Heide Gänse und Enten. 1000 Tiere sind es in diesem Jahr.

Manchmal, nachts, hört er ihr Geschnatter. Wie das Geheul eines Sturmes weht es herüber, wird lauter und lauter. Dann weiß Friedrich Voß, dass der Fuchs über die Wiesen schleicht, um sich eine von ihnen zu holen. 1000 Gänse leben derzeit auf dem Cassenshof unter der Obhut von Friedrich Voß und seine Schwester Teresa-Marie Pelka.

Tagsüber bevölkern sie die großen grünen Wiesen rund um das kleine Heidedorf Inzmühlen. Doch wenn die Dämmerung kommt, bringt sie ihr Gänsehirt in einen Hochsicherheitstrakt bestehend aus 1,80 Meter hohen Zäunen, mehrfach mit Strom gesichert und tief in den Boden eingegraben. Hier können sie ein ruhiges Leben führen. Solange bis der Martinstag kommt – und die Zeit des Gänsebratens beginnt.

Seit fünf Jahren werden auf dem Cassenshof, einem Familienbetrieb in der 14. Generation, Gänse für das winterlichen Festmahl aufgezogen. Die Idee, neben Bio-Kartoffeln und Bio-Spargel sowie den 25.000 Legehennen auch Weihnachtsgänse und -enten ins Sortiment zu nehmen, hatten Friedrich Voß und seine Schwester Teresa-Marie Pelka vor fünf Jahren.

Damals waren die beiden 24 und 25 Jahre alt. „Wir haben überlegt, was kann man als Gegengewicht zum Spargel anbieten? Was essen die Leute gern im Winter?“, sagt Teresa-Marie Pelka. „Und schon waren wir beim Thema Gänse.“

Die studierte Agrarwissenschaftlerin kümmerte sich um das Organisatorische, ihr Bruder, gelernter Landwirt, um das Praktische. Er nahm Kontakt zu einem befreundeten Züchter auf. Im Mai 2013 zogen die ersten 100 Gänse auf dem Cassenshof ein.

Wenn Chefin Teresa-Marie Pelka nicht im Büro sitzt, hilft sie im Hofladen beim Verkaufen mit
Wenn Chefin Teresa-Marie Pelka nicht im Büro sitzt, hilft sie im Hofladen beim Verkaufen mit © HA | Hanna Kastendieck

Seitdem ist der von den Geschwistern angeschobene Betriebszweig auf dem elterlichen Hof stetig gewachsen. Längst werden die Tiere nicht mehr nur über den hofeigenen Laden an Privatkunden verkauft. Auch Restaurants bieten die Gänse vom Cassenshof auf ihrer Speisekarte an. Zu den Abnehmern gehören unter anderem das „Restaurant Lieblingsplatz“ in Helmstorf, der„Heidekrug“ in Hanstedt, „Bostelmann“ in Tostedt und der „Reichshof“ in Hamburg.

Auch im zweiten Hofladen, den Teresa-Marie Pelka 2012 in Othmarschen eröffnet hat, werden die Gänse angeboten. 3,5 bis 7,5 Kilogramm bringen die Vögel kurz vor ihrer Schlachtung auf die Waage. Doch bis es soweit ist, vergehen sechs Monate, in denen Friedrich Voß täglich für seine Tiere da ist.

Sie kommen im Mai als Ein-Tages-Küken von Braunschweig nach Inzmühlen. Ein Haufen plüschiger Vögel, unendlich klein und zerbrechlich. Vor allem die ersten Wochen sind hart, wenn es darum geht, das Überleben jedes Einzelnen zu überwachen. Dann ist für Friedrich Voß an Schlaf nicht mehr zu denken. Damit die Vögel nicht erfrieren, kommen sie zunächst in den Pferdestall. Mit Wärmelampen werden die Boxen auf 32 Grad aufgeheizt. Alle halbe Stunde macht sich Friedrich Voß auf den Weg, um nach seinen Zöglingen zu schauen.

Liegen sie gut unter der Lampe? Wird keines zu heiß, keines zu kalt? Oder ist gar eines umgekippt und liegt hilflos auf dem Rücken? „Das ist ein Fulltimejob“, sagt Friedrich Voß. „Bis Mitternacht bin ich im Stall. Und morgens um vier geht es wieder los.“ 14 Tage lang. Dann sind die Küken aus dem Gröbsten raus und kommen ins Flegelalter.

Besonders gefragt sind Gänse von 4,5 bis fünf Kilo

„Sie fangen an wie verrückt mit Wasser rumzuspritzen“, erzählt Voß. Damit die noch federlosen Vögel weiterhin im Trockenen sitzen, muss der Landwirt drei bis vier Mal täglich das Stroh erneuern. Erst mit drei Wochen kommen die kleinen Gänse das erste Mal raus auf die Weide – vorausgesetzt, die Sonne scheint. Knapp zwei Monate vergehen, bis die Tiere richtig durchgefiedert sind und auf die große Wiese dürfen.

Friedrich Voß nimmt sich dennoch viel Zeit für die Tiere. „Ich rede mit ihnen, damit sie meine Stimme kennenlernen“, sagt er. „Nur wenn die Tiere mir vertrauen, funktioniert der Umgang ohne Probleme.“ Also redet er. Und bringt ihnen Futter. Jeden Tag Hafer und Weizen, zum Herbst hin auch Mais, damit die Tiere fetter werden und an Gewicht zulegen.

Seit Oktober können im Hofladen auf dem Cassenshof frische Gänse bestellt werden
Seit Oktober können im Hofladen auf dem Cassenshof frische Gänse bestellt werden © HA | Hanna Kastendieck

Jeden Abend treibt er die Gänseschar zurück in ihr sicheres Gehege. Und sorgt dafür, dass sie sicher durch die Nacht kommen. Und jedes Jahr von Ende Oktober bis Heiligabend macht er sich mit den Tieren auf zum Schlachthof nach Hemmoor. Es ist ein Abschied, der auch an ihm nicht spurlos vorbeigeht. „Irgendwie wachsen einem die Tiere dann doch ans Herz“, sagt Friedrich Voß. „Aber ich kann guten Gewissens sagen: Sie sind glücklich bis zum Schluss.“

Zwischen 20 und 50 Gänse werden pro Woche in der Hemmoorer Schlachterei von Hand geschlachtet. Die Geschwister haben diese Knochenarbeit ganz bewusst abgegeben. Schlachten, brühen, rupfen, säubern, ausnehmen - das sollen Profis machen. „Wir ziehen den Hut vor dieser Arbeit“, sagt Teresa-Marie Pelka. „Im ersten Jahr mussten wir 30 Gänse selbst ausnehmen, weil die Schlachterei keine Kapazitäten mehr hatte. Das war der Wahnsinn.“

Inzwischen klappt die Zusammenarbeit mit der Schlachterei reibungslos. Geschlachtet wird je nach Bestellung einmal in der Woche. Die Tiere wählt Friedrich Voß aus, je nachdem, was gewünscht ist. „Besonders gefragt sind Gänse mit einem Gewicht von 4,5 bis fünf Kilo“, sagt er. „Das reicht genau für vier Personen.“ Es ist nicht immer leicht, mit Augenmaß die richtigen Vögel zu fangen. Manchmal braucht es Stunden, bis der Wagen beladen ist. Verkauft wird das Fleisch im hofeigenen Laden.

Die Zusammenarbeit funktioniert bestens. „Friedrich ist der Praktiker, ich bin die Theoretikerin“, sagt Teresa-Marie Pelka. „Er macht den landwirtschaftlichen Betrieb, ich die Vermarktung.“ Und natürlich sind auch die Eltern, Marion und Carsten Voß dabei. Inzwischen hat sich das Familienunternehmen noch erweitert.

Teresa-Maries Ehemann Niels Pelka hat einen Hof bei Wolfenbüttel, auf dem es seit zwei Jahren auch Legehennen gibt, deren Eier unter der Marke Cassenshof verkauft werden. Mit der Geburt von Söhnchen Jost-Heinrich ist seit dem Sommer zudem die 15. Generation dabei.

Zu Weihnachten, wenn die letzte Gans vom Kühlhaus über den Ladentresen geht, die Arme vom vielen Tragen bleischwer sind und die Hände eiskalt, können die Geschwister erstmal keine Gans mehr sehen. Also wird am 24. Dezember auf den traditionellen Gänsebraten im Hause Voß verzichtet. Stattdessen gibt es Roastbeef mit Bratkartoffeln und — ohne Gänse auf dem Hof — eine richtig stille Heilige Nacht.

Martinstag

Am 11. November ist Martinstag. Bereits im 6. Jahrhundert begann am Martinstag das bis Weihnachten dauernde Adventsfasten. Nur am Vorabend des 11. November verspeiste man einen festlichen Gänsebraten.

Das frühere Fasten hat sich mittlerweile zum großen Schlemmen gewandelt. Martinsgänse befinden sich auf vielen Speisekarten. Hier eine Auswahl:

Im Restaurant „Cordes“ am Rosengarten gibt es knusprige Gänse und Enten à la carte oder zum Sattessen, ganze Gänse oder Enten nur auf Vorbestellung. Sottorfer Dorfstraße 2 in Sottorf, Tel.: 04108/ 4 34 40.

Das „Hotel Lindtner“ in Heimfeld (Heimfelder Straße 123) serviert vom 11. November bis 6. Januar die einzigartigen Weddelbrooker Grasgänse frisch aus dem Ofen am Tisch tranchiert. Reservierung Tel. 040/790 09-0.

Im „Hotel Sellhorn“ in Hanstedt gibt es ab dem 11. November Gänse – mit Äpfeln und Rosinen gefüllt – am Tisch tranchiert für vier Personen. Winsener Straße 23, Hanstedt/Nordheide, Tel. 04184/8010.

Gänsebraten vom Cassenshof wird in folgenden Restaurants serviert: „Heidekrug“ in Hanstedt, Harburger Straße 12, Tel: 04184 -403, „Restaurant Lieblingsplatz“, Moorstraße 43, Seevetal-Helmstorf, Tel. 04105/676 69 66 und im Restaurant Bostelmann in Tostedt, Unter den Linden 1, Tel. 04182/1409.

Die Hausgans

Hausgänse – vor etwa viertausend Jahren wurden sie domestiziert – ähneln ihren wilden Verwandten nur noch entfernt. Sie wiegen durchschnittlich sechs Kilogramm, fast doppelt so viel wie die meisten Wildgansarten. Ihre auf Fett, Fleisch und Eierlegequalitäten gezüchteten Körper sind zu schwer zum Fliegen.

Bis zu 60 Eier legen Hausgänse pro Saison. Die Küken erreichen ihr Schlachtgewicht nach 9 bis 32 Wochen. Bei der Gänsemast unterscheidet man zwischen der Kurz-, Mittel und Langmast. Nur die beiden letzteren werden in Deutschland praktiziert.

Die Redewendung „du dumme Gans“ ist inhaltlich falsch. Das zeigt schon der Flug der Wildgänse in energiesparender V-Formation. Durch diese Anordnung können sie den Kraftaufwand halbieren.

Das Rezept

Zutaten für vier Personen für einen klassischen Gänsebraten: 1 küchenfertige Gans (4,5 –5 kg), Salz, Pfeffer, je 1 TL getrockneter Majoran und Beifuß, 2 Kartoffeln, 3 Äpfel, 1 Bund Suppengemüse, 2 Zwiebeln, Sahne oder Crème fraîche nach Belieben, Zahnstocher, Garn.

Zubereitung: Den Backofen auf 200 Grad vorheizen. Die Gans innen und außen waschen, trocknen, innen mit Salz, Pfeffer und den Kräutern würzen. Die Kartoffeln halbieren und mit den Äpfeln in die Gans geben (sie saugen das Fett auf und sind nicht zum Verzehr geeignet). Die Gans zubinden und außen salzen und pfeffern.

Braten: Die Gans mit der Brust nach unten in die Saftpfanne oder einen Bräter legen und 375 ml kochendes Wasser dazugießen. Im Ofen (Mitte, Umluft 180°) ca. 30 Min. garen (das Wasser sollte zu drei Vierteln verdampfen), dann die Gans umdrehen, Hitze auf 180° (Umluft 160°) reduzieren und die Gans weitere 2–2 1/4 Stunden garen.

Das Suppengemüse putzen und grob zerschneiden, die Zwiebeln schälen und achteln. Beides zur Gans geben (sollte sehr viel Fett ausgetreten sein, vorher etwas abschöpfen) und ca. 1 Stunde weiterbraten, dabei ab und zu mit Bratenfett begießen. 1/8 Liter kaltes Wasser mit einem Teelöffel Salz verrühren, die Gans damit bepinseln und 5–10 Minuten braten (so wird die Haut besonders knusprig). Gans aus dem Ofen nehmen.

Sauce: Bratensatz mit ca. 1/4 Liter Wasser ablöschen und mit dem Suppengrün durch ein Sieb passieren. Die Sauce nach Belieben mit Sahne oder Crème fraîche verfeinern. Die Gans zerteilen und mit Sauce, Knödeln und Rotkraut servieren.