Winsen. 32 Paare ziehen im Landkreis Harburg 77 Jungvögel groß. Damit erreicht der Bestand das höchste Niveau seit mehr als 50 Jahren

Störchen wird nachgesagt, dass sie Kinder bringen. Das ist eine Mär, aber sie bekommen Kinder – und das in diesem Jahr reichlich: 77 Jungstörche haben vom Landkreis Harburg aus ihren Flug in die Winterquartiere angetreten, aufgezogen von 32 Storchenpaaren. „Trotz zehnprozentiger Bruteinbußen erleben wir 2017 im Landkreis die größte Weißstorchenpopulation seit mehr als 50 Jahren“, sagt Hans Steinert, seit 23 Jahren ehrenamtlicher Storchenbetreuer des Landkreises. „Außerdem freuen wir uns über fünf Neuansiedlungen von Störchen in Fleestedt, Stelle, Stöckte, Bahlburg und Nindorf.“

Noch nie hat Steinert, der zusammen mit drei Kollegen der Winsener NABU-Gruppe (Naturschutzbund Deutschland) die Storchennester betreut, einen so großen Nachwuchsjahrgang melden können. Die Rekordmarke von 72 ausgeflogenen Störchen hielt bislang das Jahr 2013. Auch 2014 und 2015 seien „fette Jahre“ gewesen, so Steinert. Dagegen fiel 2016 mit 50 flüggen Weißstörchen vergleichsweise mager aus, lag aber dennoch nur knapp unter dem Durchschnittsniveau der vergangenen Jahrzehnte.

Wie in jedem Jahr gab es auch 2017 Brutverluste. Allein acht Jungvögel starben in fünf Nestern durch die starken Regenfälle am 30. Juni und 1. Juli. Solang die Ende Mai geschlüpften Jungen noch kein komplettes, wasserabweisendes Gefieder haben, kühlen sie bei Hagel und Regen gefährlich aus – einzelne Tiere überleben das nicht. Zudem fiel ein Gelege und möglicherweise auch die Brut in zwei weiteren Nestern Revierkämpfen zum Opfer. So kam es, dass in fünf belegten Horsten kein einziger Jungvogel groß wurde.

Die Verlustrate während der Jungenaufzucht von rund zehn Prozent sei nichts Ungewöhnliches, sagt Steinert. Und sie liegt niedriger als andernorts: Im Landkreis Lüneburg verloren 20 Prozent, im Landkreis Lüchow-Dannenberg sogar mehr als 30 Prozent der Störche ihre Brut. Im Schnitt brachten die 37 Harburger Brutpaare in diesem Sommer 2,08 Jungen durch und liegen damit gut im Soll. Denn der Brutbestand der Weißstörche wird gehalten, wenn jedes Storchenpaar pro Jahr zwei Jungvögel groß zieht.

Mit dem Abflug in die Winterquartiere kommt die gefährlichste Zeit für den Nachwuchs. Zwei Drittel der Landkreisstörche wählen die östliche Flugroute , die sie über den Bosporus in der Türkei, in den Nahen Osten und zunächst bis in den Sudan führt. Dann geht es weiter nach Tansania und zum Teil sogar bis nach Südafrika. Während ihres Zuges sind sie vielen Gefahren ausgesetzt. Sie verheddern sich in Stromleitungen, werden bejagt und vergiftet, leiden unter dem zunehmenden Verlust an geeigneten Rastgebieten.

Das dritte Drittel der Störche wählt die Flugroute Richtung Spanien und zieht über Gibraltar und die Sahara, um in der westafrikanischen Sahelzone zwischen Senegal und Tschad den Winter zu verbringen. In jüngster Zeit bleiben vermehrt Vögel in Südspanien, wo sie auch im Winter auf Mülldeponien ausreichend Nahrung finden.

Die Jungvögel fliegen vor den Erwachsenen nach Süden

Die Westzieher treffen bereits Ende Februar/Anfang März wieder an ihrem Horst im Harburger Landgebiet ein, die Ostzieher einen Monat später. Steinerts NABU-Kollege Tom Sauerland hat in diesem Jahr in seinem Garten in Stöckte einen Nistmast errichtet und sofort ein Brutpaar von der angebotenen Neubauwohnung überzeugt. Er führt Buch über die sogenannte Nestbelegung und veröffentlicht die Daten im Internet.

Nach Sauerlands Aufzeichnungen hat sich der männliche Brutvogel am 2. April auf dem neuen Horst niedergelassen, zwei Tage später kam das Weibchen. Ende April folgte die Eiablage. Am 27./28. Mai geschlüpften zwei Junge. Sie wurden Anfang August flügge und traten am 20. August ihren Jungfernflug nach Süden an. Wie üblich folgten die Eltern einige Zeit später: Das Weibchen startete am 29. August, das Männchen am 1. September.

Tom Sauerland, 36, wird eines Tages die Nachfolge von Hans Steinert als Storchenbetreuer des Landkreises Harburg antreten. Doch noch fühlt sich der 83-jährige Steinert noch zu jung für die Amtsübergabe: „2018 werde ich auf jeden Fall noch im Einsatz sein und allmählich die Aufgabe in die Hände von Tom Sauerland legen. Irgendwann werde ich in die zweite Reihe treten. Wie das genau läuft, muss sich ergeben.“ Fest steht: Auch dann bleibt Steinert noch im vierköpfigen Betreuer-Team des NABU Winsen, zu dem auch Ortrud Hock und Frieder Günther zählen.

Die Harburger Störche im Internet:
www.nabu-winsen-luhe.de www.meisteradebar.de