Initiative foodsharing hat seit vier Jahren einen Standort in Harburg, an dem Nahrungsmittel kostenlos geteilt werden – jetzt kommt ein weiterer hinzu.
Die Initiative foodsharing hat seit vier Jahren einen Standort in Harburg, an dem Nahrungsmittel kostenlos mitgenommen werden können – jetzt kommt ein weiterer hinzu
Drei Bananen, ein Apfel, mehrere Soßen und Schokolade- nach und nach leert Julika Zörner (24) den Inhalt ihrer grünen Einkaufstasche. Alle diese Lebensmittel haben etwas gemeinsam: Sie wurden von Privatpersonen gespendet und in die Ebelingstraße 2 in Harburg gebracht. Hier, im Treppenhaus des Studentenwohnheimes, befindet sich ein „Fair-Teiler“ der Plattform foodsharing, ein schlichtes Regal, gefüllt mit Lebensmitteln. Seit vier Jahren engagiert sich Psychologie-Studentin Zörner ehrenamtlich für die Initiative.
Foodsharing – zu Deutsch „Essen teilen“ – ist ein Internetforum, das privaten Haushalten sowie Betrieben ermöglicht, nicht mehr benötigtes Essen gezielt zu verteilen. Das Prinzip ist simpel: Nachdem man sich lediglich mit seiner E-Mail-Adresse und einem Namen einen Account erstellt hat, kann Essen geteilt werden. Dieses kann man entweder bei sich zu Hause abholen lassen oder an die öffentlich eingerichteten Übergabeorte, die sogenannten „Fair-Teiler“, bringen.
In Harburg gibt es davon derzeit zwei, in ganz Hamburg sind es 13. Zudem besteht die Möglichkeit, einen virtuellen Essenkorb einzurichten, der später von Interessierten abgeholt wird. Wie der Name bereits erahnen lässt, beinhalten diese Essenskörbe eine größere Auswahl- genau wie ein richtiger Einkaufskorb. Für Eißendorf ist beispielsweise folgender Essenskorb auf foodsharing.de beschrieben: „Ich habe viele Hefezöpfe und einige Blöcke Butter abzugeben sowie Butterkuchen.“
Daneben ist vermerkt, bis wann die Lebensmittel abgeholt werden können. Im Kroosweg bietet ein Foodsharer Backwaren, Obst und Gemüse an. Ein Foto zeigt die Menge und den Zustand der Äpfel, Pflaumen und des Salates. „Solche Essenskörbe werden häufig eingerichtet, wenn Personen in den Urlaub fahren oder umziehen und noch zu viele Lebensmittel zu Hause haben“, sagt Lisanne Menzel (23).
Die Studentin der Nachhaltigkeitskommunikation ist seit 2013 bei foodsharing und mittlerweile Organisatorin für den Stadtteil Harburg. Gemeinsam mit Julika Zörner räumt sie an diesem Morgen den Fair-Teiler ein. Zuerst wischen und desinfizieren sie die weiße Oberfläche des Regales. Anschließend wird kontrolliert, ob alle Plakate von foodsharing zu erkennen sind.
Da Nahrungsmitteln weitergegeben werden, muss jeder „Foodsharer“ einige Regeln unterschreiben, bevor er teilnimmt. Diese Leitlinien besagen zum Beispiel, dass Lebensmittel nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch geteilt werden dürfen, nach dem Verbrauchdatum jedoch nicht mehr.
Außerdem unterscheiden sie zwischen unempfindlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Gebäck und empfindlichen Lebensmitteln wie Milch- und Eiprodukten sowie Fleisch, die gekühlt werden müssen. Alle Personen tauschen nur für den privaten Gebrauch und tun dies in eigener Verantwortung.
Zörner, die bereits in Kiel für foodsharing aktiv war, erklärt ihre Motivation: „Ich möchte ein Zeichen gegen unnötiges Wegschmeißen von Lebensmitteln setzen. Wir kaufen so viel ein, dass wir gar nicht konsumieren können. Foodsharing zeigt, dass Essen in den Magen gehört anstatt in die Tonne.“
Menzel ergänzt: „Es ist ein sinnvolles Ehrenamt, bei dem man interessante Leute kennenlernt. Außerdem probiert man so Gerichte aus, die man selbst nie gegessen hätte. Von den internationalen Studenten gibt es außergewöhnliche Nahrungsmittel, zum Beispiel scharfe Soßen.“ Die Klientel von foodsharing sei aber nicht nur studentisch. „Es holen auch viele ältere Leute Essen ab oder Familien mit Kindern“, berichten die beiden Studentinnen.
In erster Linie gehe es immer um den ökologischen Aspekt. Darum würden die Ehrenamtlichen auch lokal eingeteilt, um lange Anfahrtswege zu vermeiden. Des Weiteren werde darauf geachtet, nicht mit den Tafeln zu konkurrieren. foodsharing habe nicht den Anspruch, Bedürftigen zu helfen, sondern das Wegwerfen von Lebensmitteln zu verhindern. Anders als beim Containern – bei dem weggeworfene Lebensmittel aus den Mülltonnen der Supermärkte genommen werden – ist foodsharing legal.
Allein in Harburg hat die Plattform acht Kooperationen mit Supermärkten, Marktständen, aber auch mit Hotels und Restaurants. „Diese Zusammenarbeit ist auch für die Betriebe von Vorteil: Sie haben weniger Müll und somit weniger Kosten. Außerdem ersparen wir ihnen Arbeit, da wir die Lebensmittel selbst sortieren“, erläutert Zörner. In Harburg holen derzeit 180 Freiwillige Essen bei Betrieben ab.
Nachdem man sich bei foodsharing angemeldet hat, kann man als foodsharer Essenskörbe erstellen und den auf der Seite eingetragenen Fair-Teilern folgen. Wer sich darüber hinaus engagieren möchte und ein Quiz zu Regeln im Umgang mit Lebensmitteln bestanden hat, darf als foodsaver, Lebensmittelretter, zu Betrieben gehen – erst in Begleitung und später allein.
Die Ehrenamtlichen versuchen, den Fair-Teiler in der Ebelingstraße regelmäßig zu befüllen. Zudem gibt es einen festen Putzdienst, der auch das Aussortieren gegebenenfalls nicht mehr genießbarer Lebensmittel einschließt.
Als Menzel eine gespendete haltbare Milch aus ihrem Rucksack herausholt, freut sie sich: „Die muss glücklicher Weise nicht gekühlt werden.“ Da bisher ein Kühlschrank in der Ebelingstraße fehlt, können viele Produkte nicht geteilt werden. Für einen Fair-Teiler wären besonders Gastro-Kühlschränke mit Glastür von Vorteil. Bereits während die beiden Ehrenamtlichen die Lebensmittel im Regal einordnen, tauchen einzelne Interessierte auf. Wenige Stunden später wurden alle Nahrungsmittel mitgenommen.
Aufgrund des Erfolges dieses Fair-Teilers, den es bereits seit 2013 gibt, wurde vergangene Woche ein weiterer in Harburg eröffnet. In dem Gemeindezentrum der St.-Trinitatis-Gemeinde (Bremer Straße 9) können nun auch Lebensmittel getauscht und abgeholt werden. foodsharing ist immer auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen und öffentlich gut zugänglichen Orten für neue Fair-Teiler.
Weitere Informationen sind unter www.foodsharing.de zu erhalten. Ideen für neue Fair-Teiler-Standorte können an hamburg@lebensmittelretten.de gesendet werden Das Konzept von foodsharing
30% aller Lebensmittel werden jährlich weggeworfen, das entspricht 15 Millionen Tonnen Müll oder einem Wert von 20 Milliarden Euro. Diese Lebensmittelverschwendung möchte foodsharing vermeiden. Sie kooperieren mit Supermärkten, Hotels und Restaurants. Die nicht mehr zu verkaufenden, aber dennoch genießbaren Lebensmittel werden von Ehrenamtlichen abgeholt und verteilt. Zudem bringen Privatpersonen nicht mehr benötigtes Essen zu öffentlichen Sammelplätzen, den sogenannten Fair-Teilern. Auf die Lebensmittel oder ganze Essenskörbe wird auf der Plattform www.foodsharing.de aufmerksam gemacht.
Um dort mitzuwirken, muss man sich lediglich einen Account mit seinem Namen und seiner E-Mail-Adresse anlegen. Da Privatpersonen für den häuslichen Gebrauch teilen, fällt dieser Tausch nicht unter das Lebensmittelrecht.
foodsharing hat Regeln im Umgang mit den Lebensmitteln, beispielsweise zur Einhaltung der Kühlkette. foodsharing entstand aus dem Verein foodsharing e.V. heraus, dessen Vorstand Valentin Thurn, Regisseur des Dokumentarfilmes „Taste the waste“ (2011), ist. Ende 2012 geht dann foodsharing.de online – eine Plattform, die Haushalten und Betrieben das Teilen von überflüssigen Nahrungsmitteln ermöglicht.
Zwei Jahre später fusioniert sie mit lebensmittelretten.de, einem Forum, das die Arbeit der Ehrenamtlichen verwaltet. In Deutschland, Österreich und der Schweiz konnten 30.000 Ehrenamtliche bereits elf Millionen Kilogramm Essen vor der Mülltonne retten.