Der Ort ist vor allem bei Radfahrern beliebt. An manchen Stellen scheint die Zeit still zu stehen

Früher parkten die Schipper ihre kleinen Tranportschiffe gleich am Anleger hinterm Haus an der Este. Das ist vorbei. Geblieben sind die schmucken Häuser, die sich am Estedeich reihen und Estebrügge ein unverwechselbares Bild geben. Das zu Jork gehörende Dorf an der Grenze zu Hamburg ist beliebt bei Radfahrern – mit der Blankenese-Fähre rüber ans niedersächsische Elbufer oder mit der Hafenfähre nach Finkenwerder. Die Buxtehuder brauchen gerade mal fünf Kilometer ins idyllische Este-Dorf. Der Ausflug ins Alte Land geht in Drei-Meilen-Schritten.

Eine Drehbrücke führt von Moorende in die zweite historische Meile nach Estebrügge. Wer mit dem Schiff nach Buxtehude will, muss sich über Funk oder Telefon beim diensthabenden Brückenwärter melden. Schranken sperren die Straße über die Este, wenn sich die stählerne Brücke dreht und den Booten freie Fahrt gibt. Ein nettes Schauspiel für die Touristen.

Dirk Petersen aus Hamburg radelt mit seinen Söhnen Rasmus und Tommo über die Brücke: „Zehn Kilometer liegen hinter uns von der Fähre in Finkenwerder bis hier nach Estebrügge. Jetzt machen wir erst mal Pause. Bis Buxtehude wollen wir noch fahren.“ Die beliebte Brückenbäckerei machte vor einiger Zeit für immer zu. Kurzerhand mietete Dorfarzt Jan Sulzer die Räume und gründete mit anderen Aktiven den Verein Brückenbäckerei. Sonntag für Sonntag backen die Estebrügger Kuchen und Torten. Zwischen 14 und 17 Uhr bittet der Verein gegen eine Spende an die Kaffeetafel.

Die Brücken-Bäckerei hat sich in kurzer Zeit zum Dorftreff entwickelt – etwa bei Kinoabenden oder Ausstellungen. Eine Dorfküche ist geplant für gemeinsames Kochvergnügen oder Kochkurse. Zur rechten Zeit in Estebrügge zu sein, ist wichtig. Irgendwer und irgendwas hat immer gerade zu. Deria und Yahia Atli bieten in ihrem kleinen Este-Markt nicht weit von der Brücke Lebensmittel und Getränke an. Sehr lecker: Teigtaschen und türkische Gebäck nach der Rezeptur von Deria Atli.

Auf dem Weg zur Kirche liegt die Fleischerei Mahler, die auch die Gaststätte „De ole Sparkass“ betreibt. Vor dem Neubau war hier die Sparkasse, Kneipengänger sollten sich nicht durch den stillgelegten Nachttresor irritieren lassen.

Die wenigen Geschäfte, die es noch gibt, schließen zur Mittagspause und am Mittwochnachmittag. Die paar Gaststätten öffnen nicht vor 17 Uhr die Türen. Das kleine Museum am Steinweg besteht seit April und wurde in den Räumen des verstorbenen Heimatforschers Gerd Matthes eingerichtet. Geöffnet ist es nur wenige Stunden, sonntags von 14 bis 17 Uhr. Allerdings nur bis Oktober, dann geht es in die Winterpause.

Die Kulturstiftung Altes Land hatte den Volkskundler Frank Schlichtig vom Landschaftsverband beauftragt, unter anderem aus der Sammlung von Gerd Matthes vier Räume des Hauses als Museum einzurichten. Für den Rundgang wird ein Spende erbeten. Der Besucher erfährt einiges aus der Historie des Alten Landes. Möbel, Trachten, Schmuck und alte Uhren erinnern an das Leben der Bauernfamilien.

Ein Bildarchiv dokumentiert die vergangenen Jahrzehnte

Wer den blauen Himmel über Estebrügge vermisst, sollte die Martini-Kirche aufsuchen. Ein hellblauer Sternenhimmel erstrahlt im Deckengewölbe. Ab und an erklärt Helmut Sparr Besucher die Geschichte der Kirche. Sparr komponiert auch Orgelmusik. Die feuchten Wände müssen dringend renoviert werden, sagt er. Wer dem Orgelmeister eine Platte abkauft, spendiert auf diese Weise etwas in die Renovierungskasse. Über 400 Jahre alt ist der Estebrügger Markt, der Jahr für Jahr im September gefeiert wird. Getanzt und gegessen wird auf der Hauptstraße. Den Markt organisiert der Heimatverein von de Est.

Die Vergangenheit von Estebrügge ist buchstäblich Ansichtssache: Ein Bildarchiv dokumentiert die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte. Einiges wird in Ausstellungen vorgestellt. Legendär ist auch der Estehof. Zu Werner Miehes Zeiten kamen die Leute, darunter auch viele Prominente, von weither zum Wildessen. 2008 schloss der über 300 Jahre alte Gasthof, konnte an alte Zeiten nicht anknüpfen. Das Denkmalgeschütze Haus ist von den neuen Eigentümern Kamlesh Chandail und Jens Fischer-Chandail renoviert worden, öffnet jedoch nicht mehr täglich, sondern nur für Events.

Gleich nebenan auf dem Deich ist der Gasthof Holst. Die Gaststätte ist bei Vereinen beliebt. Meike und Heinrich Holst sind eigentlich im Rentenalter. Mit Hilfe von Tochter Mareike geht der Betrieb weiter. Beliebt sind die Aal-Suppe nach eigenem Rezept, der Tafelspitz und ab November Grünkohl. Vorbestellung sind in jedem Fall erwünscht, Telefon 04162/255. Der Gastwirt war früher auch Filmvorführer. Wenn Sissi-Filme liefen, war das Kino im ersten Stock stets ausgebucht. Aber auch das ist längst Vergangenheit.