Lüneburg . Prozessauftakt Hamburger (33) wird vorgeworfen, mehr als 1100 Kinderpornos besessen und zigtausendfach im Internet verbreitet zu haben
Gegen den Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, des Besitzes und Vertriebs von Kinderpornos im großen Stil sowie Betrugs und Urkundenfälschung musste sich gestern der in Hamburg geborene Tilo S. (33, Name geändert) vor der Großen Jugendschutzkammer des Landgerichts Lüneburg verantworten.
Zum Prozessauftakt erschien Tilo S. 20 Minuten zu spät. Der großgewachsene Mann, der in der JVA Uelzen in Untersuchungshaft einsitzt, ließ sich neben seinem Verteidiger, Jan Oelbermann, auf die Anklagebank sinken. Teilnahmslos ließ Tilo S., ein blasser Typ mit rundem Gesicht und ungepflegtem, dünnem dunklen Haar, die Verlesung der Anklageschrift über sich ergehen. Der Staatsanwalt warf ihm zunächst fünf Straftaten in Lüneburg und in Lüchow zulasten des damals neun Jahre alten Nils K. (Name geändert) vor, dem Sohn seiner Freundin. Tilo S. habe im Sommer 2015 in zwei Nächten „am Penis des Jungen manipuliert“ und ihn dazu gebracht, sich zusammen mit ihm Pornofilme anzusehen und dabei an seinem eigenen Geschlechtsteil zu manipulieren, so der Staatsanwalt. Zudem habe sich Tilo S. an zwei weiteren Abenden von dem Jungen oral befriedigen lassen. Mutmaßlich Nils Mutter habe ihn dabei entdeckt.
Darüber hinaus habe sich Tilo S. von 2013 bis 2015 kinder- und jugendpornographische Schriften verschafft. Bei der Durchsuchung einer Wohnung im September 2015 beschlagnahmte die Polizei zwei Laptops und ein Handy, auf denen 1126 kinderpornographische und mehr als 50 jugendpornographische Dateien gefunden wurden. Tilo S. habe „mindestens 700 solcher Dateien“ auf einer einschlägigen Tauschbörse zum Download freigegeben habe, worauf es „zu über 27.000 Downloads“ gekommen sei, so der Staatsanwalt.
Aber damit nicht genug: Das Amtsgericht Dannenberg hatte Tilo S. bereits wegen Urkundenfälschung und Betrugs verurteilt. Da der Angeklagte Berufung eingelegt hat, wird der Fall nun ebenfalls in Lüneburg verhandelt. Der Vorwurf: Tilo S. soll die Unterschrift seines Großvaters gefälscht und von dessen Konto rund 1800 Euro an den Sportbogenschützenverein Wendland überwiesen haben, dessen Vorsitzender Tilo S. damals war. Zudem soll er für den Verein Zielscheiben und Sportgeräte im Wert von über 3000 Euro bestellt und einen Jugendherbergsaufenthalt für 1.100 Euro gebucht, aber nie bezahlt haben. Schließlich habe sich Tilo S. als Leiter für eine Bogenschützen-AG an einer Grundschule beworben – und dafür die Kopie eines Führungszeugnisses eingereicht, aus dem er mutmaßlich eine Vorstrafe unrechtmäßig „entfernt“ habe.
Der mutmaßliche Kinderschänder auf der Anklagebank schwieg eisern zu den Vorwürfen. Zwei Sachverständige saßen Tilo S. gegenüber – darunter eine Psychologin. Am Nachmittag traten drei Kriminalbeamte in den Zeugenstand, die die beschlagnahmten Computer und ein Handy ausgewertet hatten. Auf den Geräten befanden sich Kinderpornos. Das belastende Material wird mutmaßlich dem Angeklagten zugeordnet. Für den Prozess sind elf Verhandlungstage angesetzt. Er wird am 3. November (9.45 Uhr, Saal 121) fortgesetzt.