Neugraben-Fischbek. Dem Neugrabener Traditionsgeschäft fehlt ein Nachfolger – immer mehr Umsatz wandert ins Internet.
Der stark wachsende Stadtteil Neugraben-Fischbek steht mit Beginn des nächsten Jahres ohne Sportfachgeschäft da. Manfred Glume, Inhaber des gleichnamigen Sportartikelhandels im Neugrabener Ortszentrum, hat mit 71 Jahren das Renteneintrittsalter längst überschritten und geht zum 31. Dezember zusammen mit seiner Frau Ingrid (68) in den Ruhestand.
Einen Nachfolger hat er nicht finden können. Das ist ein Phänomen, von dem der Mittelstand in ganz Deutschland betroffen ist: Seit dem Jahr 2012 registrieren die Industrie- und Handelskammern mehr „Seniorunternehmer“ als potenzielle Nachfolger.
Früher hat meist der Sohn automatisch das Unternehmen vom Vater übernommen. Das ist heute anders. Selbst wenn ein ausstiegswilliger Unternehmer Kinder hat, bedeutet das längst nicht, dass die Nachfolge geklärt ist. Glumes Tochter Andrea (40) scheint wie prädestiniert, das Geschäft zu übernehmen. Die begeisterte Läuferin hatte in der Juniorgruppe des mittelständischen Sportfachhandelsverbundes Intersport mitgewirkt.
Aber als Unternehmerin tätig zu sein und nach Geschäftsschluss noch Statistiken zu führen, passt nicht in die Lebensumstände der Mutter von drei Söhnen. Heute kommt es im deutschen Mittelstand nur noch in 54 Prozent der Fälle zu einer familieninternen Nachfolgelösung.
Vor 30 Jahren hat Manfred Glume in seinem Sportfachgeschäft damit begonnen, junge Leute auszubilden. Aber keiner von ihnen wollte selbst Chef werden. Die Arbeitszeiten seien auch nicht immer einfach, sagt der Unternehmer. 13 Jahre lang habe er keinen Urlaub gehabt. An so etwas denken seine Kunden nicht. Verdutzt sieht sich der 71-Jährige an der Kasse mit der Frage konfrontiert, warum er denn aufhöre. „Was meinen Sie, wie alt ich bin?“ antwortet dann Manfred Glume, der jünger wirkt als seine 71 Lenze.
40 Prozent der Firmeninhaber in der Hamburger Wirtschaft sind älter als 55 Jahre. Viele von ihnen haben Probleme, einen Nachfolger zu finden. Auf solche alarmierende Zahlen haben die Industrie- und Handelskammern zusammen mit den Handwerkskammern eine Unternehmensbörse mit dem Namen „Nexxt Change“ gegründet, die Firmeneigner und potenzielle Nachfolger zusammenbringen soll. In Hamburg weist das Angebot zurzeit nur zwei Gesuche von Nachfolgewilligen aus.
„Von der Handelskammer kommt doch nichts. Die sagt uns immer nur, welche zusätzlichen Konkurrenzen hinzukommen“, sagt Glume. Seiner Meinung nach würden in Hamburg große Fehler in der Strukturpolitik für den Einzelhandel gemacht.
Die Bezirke würden vernachlässigt. Ein Vorwurf, den der Neugrabener dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) macht. Als Vorsitzender des Verbandes Deutscher Sportfachhandel (vds) hatte sich Glume in den 1980er- und 1990er-Jahren für die Branche stark gemacht.
Die Suche nach einem Unternehmensnachfolger im Einzelhandel erschwert vor allem das veränderte Konsumverhalten: „Das Internet ist das größte Problem, das wir haben“, sagt Manfred Glume. Wenn digitale Handelsunternehmen nur geringe Steuern im Ausland entrichteten, habe das mit fairen Wettbewerb nichts mehr zu tun.
40 Prozent der Verbraucher kaufen mittlerweile im Internet – nicht ohne auf die Gratisberatung im örtlichen Fachgeschäft zu verzichten: „Die probieren ihren Größen im Laden, fotografieren dann die Artikel und kaufen beim Internethändler“, beschreibt Manfred Glume ein neues Einkaufsverhalten. Das hat es im Jahr 1977 nicht gegeben, damals, als Manfred Glume sich als Sportfachhändler selbstständig gemacht hat.
Der Weltklasse-Schwimmer und Olympiasieger Mark Spitz war auf Promotiontour bei Glume in Neugraben. Fußball-Idol Uwe Seeler und der frühere HSV-Profi Bernd Wehmeyer gingen als Vertreter des Ausrüsters Adidas bei ihm ein und aus.
Was macht der Unternehmer im Ruhestand? „Ich gehe mit meinen Enkeln zum Fußball, und wir haben ein Haus, da ist einiges an Arbeit liegengeblieben“, sagt Manfred Glume. Klingt eher nach Unruhestand.