Harburg. Harburgs Busknotenpunkt platzt aus allen Nähten. Politik und Hochbahn finden kein gemeinsames Konzept.
Der Hergang des Busunfalls von Sonntag am Harburger ZOB ist geklärt: Ein Bus, der von der Sonderfahrspur vor dem Fernbahnhof in den Busknoten einfahren wollte und hätte warten müssen, rammte einen anderen der gerade das Busrondell in Richtung Hannoversche Straße verlassen wollte.
Der gerammte Bus wurde auf einen in der Pausen-Haltebucht stehenden geschoben, dieser wiederum auf einen weiteren. 15 Menschen wurden leicht verletzt. Der ausfahrende Bus hatte ein gültiges Fahrsignal – einen senkrechten Strich – an der Busampel. Die Polizei vermutet, dass der Fahrer des einfahrenden Busses sein Haltesignal übersehen hat.
Ob der Unfall in einem direkten Zusammenhang damit steht, dass der Harburger Busbahnhof seine Kapazitätsgrenze erreicht hat, ist nicht hundertprozentig zu beantworten. Fest steht jedoch, dass die Anlage am Harburger S-Bahnhof aus allen Nähten platzt.
Busfahrer beklagen Enge und Unübersichtlichkeit des Harburger ZOB, vor allem auch durch die so genannten „Überlieger“ – Fahrzeuge, deren Fahrer die gesetzliche Ruhepause machen, oder Busse mit einer großen Lücke im Fahrplan. Für diese gibt es Haltebuchten in der Außenbahn des Rondells, aber nicht immer in genügender Anzahl.
Auch an der Innenseite des Rondells stößt der Komplex an seine Grenzen. Die 190 Meter Bussteigkante reichen gerade eben noch. Möchte man allerdings noch mehr Busverkehr, müssen neue Lösungen her. Über eine Erweiterung des Busbahnhofs ist daher in der Vergangenheit intensiv gesprochen worden.
Derzeit liegen die Erweiterungspläne allerdings auf Eis: Ein Vorschlag der Hamburger Hochbahn-AG (HHA) wurde von der Harburger Bezirkspolitik abgelehnt. Ein Gegenvorschlag aus der Arbeitsgruppe Verkehr der Nachhaltigkeitsorganisation „Harburg21“ erschien der HHA wiederum als wenig praktikabel.
Die HHA hatte geplant, die besonders fahrgastintensiven Linien von Sinstorf, beziehungsweise Rönneburg nach Eißendorf beziehungsweise Bostelbek und Neugraben gar nicht erst ins Rondell einfahren zu lassen, sondern sie auf einer eigens einzurichtenden Verkehrsinsel auf der Hannoverschen Straße abzuwickeln.
Um diese Insel bauen zu können, hätte der Pkw-Abbiegestreifen in Richtung Moorstraße aufgegeben werden müssen. Das war es allerdings nicht das, was die Harburger Politiker gegen die Verkehrsinsellösung aufbrachte. Vielmehr war es die Tatsache, dass dadurch die meisten Harburger Busfahrgäste auf einen schmalen Streifen ohne Dach und Kiosk abgeschoben würden, während am Rondell die Überlieger parkten.
Der Vorschlag von Harburg21 sah vor, die von Sinstorf und Rönneburg kommenden Busse bereits auf einer neuen Haltestelle gegenüber des Fernbahnhofs abzufertigen. Das fiel bei der Hochbahn unter anderem aus dem Grund durch, dass die Umsteigewege von hier aus zu lang würden – ein Problem, das die Hochbahnplaner übrigens auch bei ihrem eigenen Entwurf sahen.
„Wir planen erstmal nicht weiter“, sagt HHA-Sprecher Christoph Kreienbaum, „das heißt allerdings auch, dass wir an dieser Haltestelle die Buskapazitäten nicht erhöhen können.“
Dabei hatte die Hochbahn im Rahmen der Busbeschleunigung bereits geplant, die Anzahl der Fahrten auf dem so genannten Korridor Harburg zu erhöhen. Möglich gemacht werden sollte dies durch optimierte Ampelschaltungen, die dem Busverkehr Vorrang geben. Ob diese Pläne nun auch auf Eis gelegt werden, konnte Kreienbaum nicht spontan beantworten.
Frank Wiesner, SPD-Politiker, Verkehrsplaner und Harburg21-Mitglied plädiert nun für eine „große“ Lösung: „Man sollte den gesamten Bahnhofskomplex überdenken“, sagt er. „Wenn der Pachtvertrag des Fitnessstudios im ehemaligen Bahnhofspostamt ausläuft, kann man hier wertvolle Flächen gewinnen. Und wenn man hinter dem Bahnhof Stellplätze und Sozialräume für die Überlieger schaffen kann, auch.“
Das Bezirks-Baudezernat entwirft bereits Pläne für das Bahnhofsareal. Der Pachtvertrag des Fitnessstudios läuft noch bis 2021.
30.000 am Tag
Der Harburger ZOB wurde 1983 zusammen mit der Harburger S-Bahn eingeweiht. Zuvor wurde der Harburger Busverkehr vor dem Fernbahnhof auf parallel liegenden Bussteigen abgefertigt. Als das Rondell am S-Bahn-Niedergang angelegt wurde, hatte man noch stattliche Kapazitätsreserven. Spätestens die Einführung des Metrobuskonzepts 2001 brachte jedoch so viele Harburger zum Umsteigen, dass es am ZOB eng wurde. Derzeit bewältigt die Anlage knapp 160 An- und Abfahrten in Spitzenstunden und rund 30.000 Fahrgäste pro Tag. Ein Kiosk, ein Imbiss, und ein Café versorgen die vielen Busfahrgäste. Für die Fahrer werden Pausen- und Sanitärräume vorgehalten.