Handeloh. Der Forstwirt kümmert sich als Beauftragter des Landkreises seit kurzem um den Naturschutz und besitzt ein privates Naturkunde-Museumin Handeloh
Einen besseren Kandidaten als Dr. Klaus Hamann hätte der Landkreis Harburg für das Ehrenamt des Naturschutzbeauftragten kaum finden können. Der 59-jährige Handeloher, ein Diplom-Forstwirt und Diplom-Geograf mit umfassender Kenntnis von Arten und Naturschutzrecht, bringt enorme Fachkompetenz mit. Und eine außergewöhnliche Leidenschaft für die Schöpfung. Seit Kindesbeinen interessiert sich der gebürtige Altonaer brennend für alles, was zwischen Himmel und Erde kreucht und fleucht.
Als Sechsjähriger beschloss er, irgendwann ein Naturkundemuseum zu eröffnen und begann zu horten, was immer er fand. Als Zehnjähriger übernahm er die Betreuung der Biologiesammlung seines Gymnasiums und ging dem Restaurator zur Hand, der alljährlich ausgestopfte Vögel von Museumskäfern befreite und kontrollierte, ob der Spirituspegel der Gläser mit Mäuseföten und Bandwürmer noch genügend hoch war.
Ende der 70er Jahre schrieb der frisch gebackene Abiturient im Auftrag der Stadt eine Broschüre über die Verbreitung von Reptilien und Amphibien auf hanseatischem Gebiet. Auf der Suche nach Fröschen, Molchen und Eidechsen lief er damals Stadtteil für Stadtteil ab. Zu Fuß. Seither ist Hamann ehrenamtliches Mitglied des hamburgischen Naturschutzrats.
Als Angestellter des Forstamts Bleckede baute er das Schutzgebiet Bleckede-Elbe auf, das heutige Biosphärenreservat. Befasste sich nebenbei im Fernstudium mit Jura. Unterrichtete zeitweise an der Norddeutschen Naturschutzakademie Polizisten und Zöllner zum Thema Artenschutz. Die Liste ließe sich fortführen. „Alles in allem hatte ich stets eine geregelte 80-Stunden Woche“, resümiert Klaus Hamann trocken. Warum er dann ein weiteres Ehrenamt als Kreisnaturschutzbeauftragter übernimmt? „Das meiste habe ich doch sowieso schon vorher gemacht. Es ist hilfreich, jetzt einen offiziellen Status zu haben.“
Seinen Lebensunterhalt verdient Klaus Hamann im Wesentlichen mit der Erstellung biologischer Gutachten, zumeist im Auftrag Hamburgs und immer in Gemeinschaftsarbeit mit seiner Lebensgefährtin, der Diplom-Biologin Karen Möller. Etwa 1000 Seiten Expertise produziert das Paar pro Jahr. Der Löwenanteil des Honorars fließt in ihr privates Naturkundemuseum in Handeloh. Um seinen Kindertraum zu realisieren, hatte Klaus Hamann die Schmiede gekauft und darin 1993 eine Ausstellung und ein Schulungszentrum eröffnet. Seither finanziert er das Projekt aus eigener Tasche. Weil er es sich nicht leisten kann, im Museum zu sitzen und auf Besucher zu warten, gibt es keine geregelten Öffnungszeiten. Meist sind es Gruppen, die die Ausstellung auf Anfrage besuchen.
In Vitrinen und Schränken finden sich tausende Objekte
Von A wie Albatros bis Z wie Zwergseekuh ist hier alles zu sehen. In Vitrinen und Schränken, auf Regalen und Tischen, auf dem Boden und unter der Decke stehen, hängen, liegen und sitzen präparierte heimische und exotische Geschöpfe. Gerade ist ein ausgestopfter Luchs dazu gekommen – vom Naturschutzamt in einem Antiquitätengeschäft beschlagnahmt. Mit geschützten Arten darf nicht gehandelt werden, ob tot oder lebendig.
Als Klaus Hamann der Luchs vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz angeboten wurde, konnte er nicht widerstehen, trotz der räumlichen Enge und obwohl bereits ein anderes Präparat der Raubkatzenart in der Ausstellung steht. „Der neue lässt sich besser transportieren. Das könnte nützlich sein bei Seminaren und Schulstunden.“
Dr. Klaus Hamann gibt einmal wöchentlich Biologieunterricht an jenem Altonaer Gymnasium, das er einst selbst besuchte. Ehrenamtlich, versteht sich. Die Biologiesammlung vom Hohenzollernring und vieler anderer Schulen ist fast vollständig ins Museum in der Heide übergegangen. Historische Wandrollkarten und Gipsmodelle aus dem 19. Jahrhundert, Skelette und Stopfpräparate sowieso. Aber auch Bestimmungsbücher und sogar Mikroskope. Moderne Pädagogen arbeiteten kaum noch mit althergebrachten Mitteln und Materialien, sondern nutzten digitale Medien. Die aber bieten aus Hamanns Sicht keine direkte und deshalb eine wenig realistische Anschauung.
Diese Entwicklung ist aus seiner Sicht fatal, weil sie zu rasch zunehmender Entfremdung zwischen Mensch und Natur führe. Immer weniger Bürger verstünden das eigene Umfeld und wüssten nicht, wie man sich richtig verhielte.
Er selbst ist im Garten von einer giftigen Spinne gebissen worden. Im Krankenhaus wollte man ihm Schlangenserum verabreichen – das natürlich keinerlei Wirkung gezeigt hätte. „Früher stand bei angehenden Medizinern ein Semester Zoologie auf dem Lehrplan, heute nicht mehr.“ Er ist überzeugt: Nur sein eigenes Wissen um die Art, die ihn attackiert hatte, verhinderte gravierende körperliche Schäden. Als Kreisnaturschutzbeauftragter möchte er in punkto Gift-Tiere künftig für bessere Koordination zwischen Feuerwehr, Ordnungsamt und Naturschutzbehörde sorgen.
Eingewanderte Tiere bedrohen die heimische Artenwelt
Ein weiteres Anliegen ist es ihm, auf die Gefahr durch Neozoen aufmerksam zu machen. Neue Tierarten, also eingewanderte Spezies, bedrohen Menschen oder die heimische Fauna und Flora. Aus dem Süden eingeschleppte Moskito- und Fliegenarten etwa können tropische Krankheiten übertragen. Das „Petermännchen“, ein mit Giftstacheln bewehrter Fisch, der einst nur im Mittelmeer heimisch war, schwimmt nun auch in Nord- und Ostsee sowie der Elbe.
Auch exotische Schnappschildkröten, deren messerscharfes Maul einen menschlichen Finger abzutrennen vermag, leben inzwischen in Hamburger Gewässern wie den Wallanlagen und machen heimischem Amphibien-Nachwuchs den Garaus. Marderhunde und Waschbären plündern Vogelgelege. Der amerikanische Flusskrebs vermehrt sich in Massen und nimmt angestammten Krebsarten den Lebensraum. Die ganze Problematik tierischer Invasoren möchte Klaus Hamann mit einer Ausstellung im Kreishaus deutlich machen.
Er leitet regelmäßig Exkursionen und veranstaltet in seinem Naturkundemuseum Seminare. Zwar decken die Teilnehmerbeträge nur so eben die Kosten. Trotzdem verzichtet er nicht darauf. Er möchte Wissen weiter geben. Überzeugungen vermitteln. Begeisterung übertragen. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum er das Ehrenamt als Naturschutzbeauftragter übernommen hat. Kommunikation und Vermittlung zwischen Kommunalpolitik, Kreisverwaltung, Naturschutzverbänden, Heimatvereinen sowie Bürgern sind wichtig. Denn: „Naturschutz ist heute erklärungsbedürftiger denn je.“
Klaus Hamann lebt seine Passion. Arbeitet 52 Wochen im Jahr an sieben Tagen. Den letzten Urlaub hat er vor einem Vierteljahrhundert gemacht. Bevor er sein Museum eröffnete. Obwohl die meisten Präparate in der Alten Schmiede wegen akuten Platzmangels längst ein Dasein im Magazin fristen, wo kaum jemand sie sieht, restauriert er jedes noch so schadhafte Stück. Dem Schwarzbüscheläffchen beispielsweise, das wegen seines Alters kaum noch Haare hatte, passte er einen Eichhörnchen-Pelz an. Man sieht den Fellunterschied mit bloßem Auge kaum. „Wenn Wissenschaftler später eine Haarhäutchen-Analyse machen, werden sie zum Schluss kommen, dass es sich nicht um einen Affen, sondern um ein Eichhorn handelt.“ Bei der Vorstellung huscht ein Lächeln über Klaus Hamanns Gesicht, erlischt aber schnell wieder. Denn wer wird diese Technik zur Artbestimmung in Zukunft noch beherrschen? Und vor allem: Wer wird sich nach ihm um die Schätze seines Naturkunde Museums kümmern?