Harburg. Bezirksamtsleiter Thomas Völsch soll für eine weitere Amtszeit gewählt werden. Für das Abendblatt hält er Rück- und Ausblick

Thomas Völsch’ Amtszeit als Bezirksamtsleiter von Harburg läuft im Dezember ab. Am Dienstag soll er während der Septembersitzung der Bezirksversammlung für eine weitere Amtszeit von sechs Jahren gewählt werden. Das ist der erklärte Wunsch der Mehrheit der Bezirksabgeordneten und er selbst kann sich auch nichts Schöneres vorstellen, als „Bürgermeister von Harburg“ zu bleiben. In seinem Büro im Harburger Rathaus zieht er Bilanz.

Vom Fenster aus blickt man auf den Rathausplatz. Den Flur herunter sind es nur wenige Schritte zum Ratssaal und zu den beiden kleinen Sitzungssälen. An den getäfelten Wänden hängen Bilder mit Harburg-Motiven. Hier lässt es sich arbeiten und hier will Thomas Völsch auch weitermachen, denn er sieht, dass in Harburg viel zu tun ist.

„Eine der größten Aufgaben ist es, dass die Menschen hier es sich leisten können müssen, in dieser Stadt gut zu leben“, sagt er. „das hat zwei Aspekte: den finanziellen und die Lebensqualität.“

Bei beidem sieht Völsch den Bezirk auf einem guten Weg. „Wir haben seit 2011 gut 5000 neue Wohneinheiten genehmigt, von der Studentenwohnung bis zum Eigenheim. Die größten Wohnungsbaupotenziale gibt es derzeit im Binnenhafen und natürlich in Neugraben-Fischbek.“

Dafür, dass der Bezirk die Entwicklung und Vermarktung der Neubaugebiete in Neugraben und Fischbek der IBA-Gesellschaft übertragen hat, musste Bezirksamtsleiter Völsch einige Kritik einstecken. Vor allem der in Süderelbe verwurzelte und einflussreiche CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer wettert gerne gegen die IBA, weil diese potenziellen Bauherren seiner Meinung nach zu viele Vorschriften macht. Völsch steht zur IBA: „Ich bin ein überzeugter Mitarbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg“, sagt er. „Wir können wirklich viel, aber wir können nicht alles. Als das Neubaugebiet NF15 noch in städtischer Hand lag, verkaufte es sich, wenn überhaupt, dann sehr schleppend. Da hat die IBA in kurzer Zeit deutlich mehr erreicht.“

Außer Wohnraum müsse eine Stadt allerdings auch Arbeitsplätze bieten. Harburg sei dabei einer der wenigen Bezirke, die noch Flächen bieten könnten, sagt Völsch. Derzeit sei der Bezirk dabei, das Areal rund um die Schlachthofstraße neu zu entwickeln. Unter anderem hätte das Technologieunternehmen Gartz und Fricke Interesse, hierher zu ziehen „das ist ein Automatisierungsspezialist, der aus dem TU-Umfeld entstanden ist und derzeit im Bostelbeker Technologiepark sitzt. Solche Zukunftsbranchen in Harburg zu halten, ist wichtig“, sagt Völsch.

Überhaupt sei die Technische Universität ein immens wichtiger Entwicklungsfaktor für Harburg: „Sie ist die internationalste Hochschule Hamburgs“, sagt der Bezirksamtsleiter. „Und sie gewinnt immer weiter an Bedeutung. Gleichzeitig ist sie eng im Süden vernetzt und verwurzelt. Die gesamte Führungsebene der TUHH ist ständig im Stadtteil aktiv. Das findet man bei den anderen Hochschulen nicht. Da ist es mir dann auch nicht so wichtig, wenn in der Außenkommunikation das Wort Harburg nicht so oft fällt.“

Im Jahr 2012 erstellte der Wirtschaftsverein eine Zukunftsprognose für Harburg. Darin wurde für 2030 mit 160.000 Einwohnern im Bezirk gerechnet. Seinerzeit wurde diese zahl belächelt, in diesem Jahr allerdings bereits übertroffen „Wir sind der am schnellsten wachsende Bezirk“, sagt Völsch. „In den vergangenen Jahren sind mehr als 10.000 Einwohner hinzugekommen. Das heißt, dass wir nicht nur Wohnungen brauchen, sondern auch öffentliche Infrastruktur stärken müssen. Die Stadt muss Geld in die Hand nehmen für Feuerwachen, Straßen. Kitas, Verwaltung, Ärzte und vieles mehr. Und das ist kein frommer Wunsch, sondern eine Zukunftsfrage.“

Bei der Bezirksverwaltung habe man es geschafft, die Anzahl der Stellen um 10 Prozent zu erhöhen – und das bei Quasi-Einstellungsstopp der Stadt. Sorgen macht Völsch aber die große Pensionierungswelle, die in den nächsten Jahren auf die Verwaltung zukommt „Es wird eine große Herausforderung werden, Stellen zu besetzen“, sagt er. „Da wird die Stadt umdenken und eventuell auch um Quereinsteiger werben müssen. Wir brauchen eine handlungs- und interventionsfähige Verwaltung!“

Die Fraktionen der großen Koalition aus SPD und CDU in der Bezirksversammlung haben Völsch zur Wiederwahl vorgeschlagen. Auch aus der Opposition erhält er Lob. „Ich versuche, ein ausgewogenes Verhältnis zu allen Fraktionen zu pflegen“, sagt Völsch, der selbst Sozialdemokrat ist, „aber man muss auch streiten können, um Kompromisse zu finden.“

Das würde nicht nur für die Bezirkspolitiker gelten, sondern auch für andere, die im Bezirk aktiv ihre Interessen vertreten. So habe man mit vielen Bürgerinitiativen Vereinbarungen geschlossen, die nun aktiv gelebt werden. „Das stärkt auch den Zusammenhalt der Gesellschaft im Bezirk“, sagt Völsch.

Für die Abgeordneten der Bezirksversammlung empfindet der Bezirksamtsleiter Bewunderung: „Was diese Leute ehrenamtlich neben Beruf und Familie für die Gemeinschaft leisten, ist von unschätzbarem Wert“, sagt er.

Aus Angst um eine berufliche Zukunft kandidiert Thomas Völsch übrigens nicht erneut: Der erfahrene Verwaltungsjurist ist nicht nur verbeamtet, sondern würde in der Freien und Hansestadt Hamburg auch schnell einen anderen Schreibtisch voll interessanter Aufgaben finden. Er will aber diesen. Mit Blick auf den Rathausplatz und kurzen Wegen zu den Sitzungssälen.