Nur noch neun Tage bis zur Bundestagswahl. Dann wird es ernst – auch für die Kandidaten im Landkreis Harburg.
Noch neun Tage bis zur Bundestagswahl: 201.564 Bürger im Landkreis Harburg sind am Sonntag, 24. September, aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Knapp 18.262 von ihnen haben sich schon entschieden und per Brief gewählt. Zum gleichen Zeitpunkt 2013 waren es erst 14.434. Vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 78,4 Prozent. Die CDU erhielt 42,8 Prozent, die SPD 28,3 Prozent und die Grünen kamen auf 9,3 Prozent der Zweitstimmen. Am 24. September bewerben sich nun sieben Direktkandidaten. Das Abendblatt stellt sie vor.
Michael Grosse-Brömer (CDU)
Der Jurist gehört in die erste Reihe der CDU in Berlin. Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer ordnet er die Themen seiner Partei, steht Journalisten in der Hauptstadt Rede und Antwort. Grosse-Brömer profitiert dabei von seinen Erfahrungen aus vier Legislaturperioden im Bundestag. 2009 und 2013 gewann er den Wahlkreis Harburg direkt. Auf der Wahlliste der CDU für Niedersachsen steht der Familienvater jetzt direkt hinter Ursula von der Leyen auf Platz zwei.
„Auch wenn ein Bundestagsabgeordneter Gesetze für Deutschland beschließt, kann er vor Ort die Sorgen und Anliegen der Menschen mitnehmen und in Berlin zur Sprache bringen. Das habe ich schon oft getan,“ sagt Grosse-Brömer. So sorgte er mit dafür, dass das Freilichtmuseum am Kiekeberg vom Bund mit 3,7 Millionen Euro für das Projekt zum Leben in der Nachkriegszeit gefördert wird. „Dass ich Bürgern aus dem Landkreis in persönlichen Dingen helfen konnte, ist ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit.“ Der 56-Jährige, der in Brackel wohnt und in Hamburg studiert hat, ist seit 1982 in der CDU. Bis April 2015 führte er den Kreisverband Harburg-Land.
Svenja Stadler (SPD)
Die SPD-Politikerin hat ihre erste Legislaturperiode, ihre „Lehrjahre“ in Berlin hinter sich. Jetzt kann sie auf ihren Erfahrungen aufbauen. Ihr Ziel ist klar: „Ich will das Direktmandat.“ Das wäre ein großer Sprung. 2013 erhielt sie 31,6 Prozent der Erststimmen, Konkurrent Grosse-Brömer 45,2 Prozent.
Im Bundestag würde Stadler gern in den Wirtschaftsausschuss wechseln und dort die Berichterstattung für den Mittelstand übernehmen. Themen im Kreis sind für sie das geplante Innovationszentrum in Buchholz, („wäre ein Gewinn“) oder ein Konzept für Busse und Bahnen. Ihr Vorschlag: Eine Verkehrskonferenz im Kreis mit allen Gemeinden.
Von Berlin aus hat sie darauf geachtet, Chancen für die Förderung der zwei Mehr-Generationen-Häuser im Kreis oder Sprachkitas für Kinder mit Migrationshintergrund zu nutzen. Gelder flossen an die Karoxbosteler Mühle, der Bund unterstützt zudem den Aufbau eines schnellen Internets.
Die 41-jährige Mutter von zwei Kindern stammt aus Oldenburg, ist Werbekauffrau und wohnt seit 2006 in Seevetal. Stadler ist überzeugt: „Wer die Augen offen hält, kann von Berlin aus viel bewegen.“
Wolfgang Knobel (FDP)
Der 71 Jahre alte pensionierte Lehrer aus Drennhausen trat 1969 in die FDP ein, „pausierte“ dann zwölf Jahre bis 1995 und war bis 2015 Kreisvorsitzender. Nun drängt es ihn auf die bundespolitische Bühne, weil viele Probleme durch die Große Koalition nicht gelöst worden seien.
Zu den zentralen Baustellen gehört für den Vater eines Sohnes die Digitalisierung – vor allem in den Schulen. „Hier muss mehr in die digitale Vernetzung investiert werden“, so Wolfgang Knobel. Ein leistungsfähiges Internet sei aber nicht nur der Schlüssel zu besserer Bildung, sondern auch Grundvoraussetzung, um den Landkreis Harburg als attraktiven Wirtschaftsstandort zukunftssicher zu gestalten.
Einen weiteren Schwerpunkt seiner politischen Arbeit sieht er in der Abschaffung bürokratischer Hürden: „Vor allem die permanente Nachweis- und Dokumentationspflicht wirkt in vielen Bereichen hemmend, insbesondere bei mittelständischen Firmen.“ Zudem bedürfe es neuer Investitionsanreize, statt dauernder Bevormundung. Ein probates Mittel könnten Steuererleichterungen sein, etwa die Kürzung der Grundsteuer beim Erwerb von Wohneigentum.
Nadja Weippert (Grüne)
Die 34-Jährige absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau und studiert seit 2014 Politikwissenschaft an der Uni Hamburg. Nebenher arbeitet sie in der Tostedter Buchhandlung „Buch & Lesen“.
Seit Jahren engagiert sich die Mutter eines sechsjährigen Sohnes in der Kommunalpolitik. So gehörte sie 2012 zu den Initiatoren des Bürgerbegehrens zum Erhalt des historischen Tostedter Ortskerns, war 2014 Mitglied des Wahlkampfteams um den parteilosen Samtgemeindebürgermeister Dr. Peter Dörsam und gehört seit November 2016 selbst dem Samtgemeinderat an.
Im Bundestag will Nadja Weippert gegen überbordenden Bürokratismus kämpfen. Etwa durch eine Vereinfachung von Anträgen für Pflegegeld, BAföG, Kindergeld, Wohngeld. Ihr liegt aber auch eine „sanfte Agrarwende“ am Herzen, verbunden mit dem Verzicht auf Massentierhaltung, dem Verbot von Pestiziden und einer Reduzierung der Belastung des Grundwassers mit Nitraten.
Einen weiteren Schwerpunkt sieht Weippert im Zurückdrängen des Einflusses von Lobbyisten auf politische Entscheidungen.
Timo Röntsch (FW)
Der 35 Jahre alte Informatikkaufmann und Wirtschaftsingenieur hat in Lüneburg studiert und viele Jahre als IT-Teamleiter bei der Hamburger Hochbahn gearbeitet. Zum 1. Oktober wechselt er zum Kölner IT-Dienstleister Timetoact, der eine Dependance in Hamburg unterhält.
Röntsch bezeichnet sich selbst als leidenschaftlichen Seevetaler.
Sechs Jahre wohnte er in Hittfeld, 24 in Emmelndorf, seit fünf Jahren in Woxdorf. „Ich liebe das Dorfleben und möchte es gegen eine schleichende Verstädterung verteidigen.“ Deshalb engagiert sich der langjährige Fußball-Referee (bis Regionalliga) unter anderem bei der freiwilligen Feuerwehr, beim TuS Fleestedt, dem Reitverein CHB Helmstorf und dem Schützenverein Hittfeld.Zwei Jahre war Röntsch bei der Jungen Union. 2015 schloss er sich den Freien Wählern an: „Es hat mich gestört, wie die CDU immer wieder Politik vorbei an den Bedürfnissen der Bürger und zum eigenen Vorteil gemacht hat.“
Kritisch sieht er den Umgang mit den Steuern: „Wir müssen zu einer soliden Ausgabenpolitik kommen.“
Joachim Kotteck (Linke)
Der 65 Jahre alte Unternehmensberater hat in Hamburg Betriebswirtschaft und Sozialökonomie studiert. Er lebt seit 1999 in der Samtgemeinde Seevetal, aktuell in Fleestedt. Der Vater einer Tochter war 30 Jahre SPD-Mitglied. Wegen der „Agenda 2010“-Reformen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder brach er aber mit den Sozialdemokraten und gehört nun seit drei Jahren der Linkspartei an.
„Ich habe viele Jahre meines Berufslebens für Großkonzerne gearbeitet, unter anderem für Philips und MCI Worldcom. Ich weiß, dass es für eine gerechtere Zukunft unabdingbar ist, die Macht dieser multinationalen Unternehmen zu beschneiden“, sagt Joachim Kotteck.
Wichtig ist ihm der soziale Wohnungsbau. Wien habe gezeigt, wie er wirtschaftlich und attraktiv funktionieren kann, wenn die Stadt Immobilien kaufe, modernisiere und selbst verwalte. Das sei wesentlich wirkungsvoller als die deutsche Mietpreisbremse.
Als bedeutendes Ziel bezeichnet Kotteck den Stopp deutscher Waffenexporte, insbesondere in die Krisenherde dieser Welt: „Dass von 1500 Ausfuhranträgen im Jahr nur ganze 100 abgelehnt werden, zeigt den enormen Umfang dieses schmutzigen Milliardengeschäfts, das eine einzige Schande ist.“
Roderik Pfreundschuh (AfD)
Der Rechtsanwalt mit Kanzlei in Winsen hatte schon eine Vorgängerorganisation der AfD mitgegründet und war in der SPD. Beide verließ er wieder. Seit 2015 ist der Vater einer Tochter nun in der AfD. Sein Thema: Eine „machbare Integration“ von Flüchtlingen. „Der Islam ist mit unserem Rechtssystem nicht vereinbar. Diese Menschen sind in einem archaischen System verwurzelt“, sagt Pfreundschuh. „Wir müssen sie mit unserem Grundgesetz konfrontieren und unser Wertesystem durchsetzen, sonst wird eine Integration nicht möglich.“
Die AfD gelangte mit der Kommunalwahl 2016 in die Räte und in der Kreistag des Landkreises. Dort ist Pfreundschuh jetzt Fraktionsvorsitzender. Für den Bundestag ist er nicht auf der Parteiliste abgesichert. Dagegen steht er für die Landtagswahlen in Niedersachsen im Oktober auf Platz 12. Acht Prozent würden für den Einzug in den Landtag ausreichen, hat er errechnet. Der 42-Jährige stammt aus Heidelberg, ist Reserveoffizier, hat in Heidelberg, Münster und Kiel studiert und ist seit 2008 in Winsen. „Die Entscheidung für die Stadt habe ich keinen Tag bereut“, sagt er.