Neugraben-Fischbek. Aus Flüchtlingen werden Nachbarn. Willkommen in Süderelbe stellt sich neuen Herausforderungen.

Oliver und Bettina Domzalski gehören zu denjenigen im Süderelbe-Raum die bereits über Integration und Willkommenskultur nachdachten, als die Flüchtlinge selbst noch gar nicht angekommen waren. Das änderte sich am 22. September 2015: damals zogen die ersten Asylsuchenden in den ehemaligen Obi-Markt am Geutensweg. Seither haben die Domzalskis ungezählte Stunden in die Flüchtlingshilfe investiert.

„Am Anfang ging es darum, die Menschen mit Kleidung auszustatten, ihnen Deutschkenntnisse zu vermitteln“, sagt Oliver Domzalski. Jetzt seien viele schon weiter: Sie suchen und beziehen eigenen Wohnungen: „Aus Campbewohnern werden Nachbarn.“ Das stellt auch engagierte Unterstützer vor neue Herausforderungen: „Wir suchen dringend Umzugshelfer“, sagt Oliver Domzalski, der zum fünfköpfigen Leitungsteam der Initiative Willkommen in Süderelbe gehört.

Das Ehepaar – er promovierter Historiker und selbstständiger Lektor, sie Kindersachbuch-Autorin – betreut aktuell den fünften Umzug. Seit langem begleiten sie eine Gruppe von sieben Männern, vier Frauen und fünf Kindern aus Syrien und dem Irak. „Das ist unser Familienzuwachs“, sagt Bettina Domzalski. Dass diese Geflohenen sie und ihren Mann zuweilen als ihre deutschen Eltern bezeichnen, rührt sie. Es sind Begegnungen, die auf Gegenseitigkeit beruhen: „Diese Menschen bereichern unser Leben.“

Flüchtlingen bei der Suche nach einer Wohnung bzw. beim Umzug zu helfen, fordert den Helfern einiges ab. Da ist nicht nur die Bürokratie (Mietvertrag, Finanzabsprachen mit Job-Centern, Auswahl von Strom-, Telefon- und Internetanbietern), es geht auch um Grundsätzliches: „Die Flüchtlinge müssen den Wohnungsmarkt überhaupt erst verstehen und begreifen, dass nicht Warten angesagt ist, sondern sie selbst aktiv werden müssen“, sagt Bettina Domzalski. Ist eine Wohnung gefunden, beginnt der praktische Teil - mit Renovierung, Möbelsuche, Einrichtung.

Im Falle der Domzalski ist das die Stunde des Seniors der Familie: Horst Laube (85), der Vater von Bettina, früher Ingenieur und bis heute geschickter Handwerker, sorgt dafür, dass alles an den richtigen Platz kommt und auch funktioniert. Menschen mit seinen Fähigkeiten sind es, auf deren Unterstützung Oliver und Bettina Domzalski jetzt hoffen.

Es müssen Helfer sein, die auch an Wochentagen Zeit haben und zudem willens sind zu vermitteln – etwa, wie wichtig die Pflege einer guten Nachbarschaft ist, vom Umgang mit dem Hausmeister über Mülltrennung bis hin zum Antrittsbesuch bei den Nachbarn: „Eine strukturierte Begleitung beim Umzug ist immens wichtig“, sagt Oliver Domzalski, der in den vergangenen Wochen immer wieder erlebt hat, wie sehr die Flüchtlinge auf Unterstützung angewiesen sind, selbst wenn sie schon passabel Deutsch sprechen.

Seine Hoffnung ist, dass sich so viele Unterstützer melden, dass Willkommen in Süderelbe bald um eine weitere Gruppe wächst: die der Umzugshelfer, als Ergänzung u. a. zum Café Welcome, den Behördenhelfern, der Sport- oder der Deutschgruppe.

Den Vorteil dieser Art des Engagements sieht Domzalski darin: „Es ist zeitlich begrenzt.“ Wer will, zieht sich zurück, sobald der Einzug erledigt ist. Und es gilt das Schneeballsystem: „Wir setzen voraus, dass diejenigen, denen beim Umzug geholfen wurde, bei nächster Gelegenheit selbst mit anpacken.“ Bisher hat das funktioniert.

Umzugshelfer schreiben an diese Mailadresse: info@insuederelbe.de Gemeinsam helfen Willkommen in Süderelbe engagiert sich seit Ankunft der ersten Flüchtlinge in Neugraben, Fischbek und Neuwiedenthal für eine Willkommenskultur und Integration. Dabei spielen die drei Kirchengemeinden der Region – Thomasgemeinde/Neuwieden­thal, Michaelsgemeinde/Neugraben und Corneliusgemeinde/Fischbek – eine prägende Rolle. Im Leitbild heißt es: „Wir organisieren Hilfe für Flüchtlinge und schaffen Gelegenheiten, bei denen sich Einheimische und Neubürger begegnen können.“