Over/Bullenhausen. Bei dem Radrennen musste ein privater Sicherheitsdienst einspringen. Veranstalter kostet das 35.000 Euro.
Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, das Thermometer zeigt angenehme 18 Grad Celsius: Ideale Bedingungen für die Cyclassics. Direkt an der Rennstrecke, an der Neuen Deichstraße in Over, die Freiwillige Feuerwehr Over-Bullenhausen. Allerdings nicht im Einsatz als Streckenposten. Sondern als Gastgeber eines Frühschoppens, zu dem sie Nachbarn und Freunde eingeladen hatten. In ihrem Fokus nicht die Sicherheit an der Rennpiste, sondern eher der ideale Garpunkt der Bratwürste: Grillen statt Streckenkontrolle war gestern angesagt.
Dass die Feuerwehren des Landkreises dieses Mal nicht als Streckenposten bei diesem Sportevent mit am Bord waren, liegt am strikten Nein von Kreisbrandmeister Volker Bellmann. „20 Jahre lang haben wir die Cyclassics mit unseren Einsatzkräften unterstützt. Irgendwann ist mal gut“, hatte er schon vor Monaten erklärt. Und sich gefreut, dass die betroffenen Gemeinden und Städte ihm den Rücken gestärkt hatten. Genau wie die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Over-Bullenhausen. Deren stellvertretender Wehrführer Michael Gauger (47), teilt die Auffassung des Kreisbrandmeisters: „Man steht den ganzen Tag an der Strecke, aber für die Feuerwehren kommt nichts dabei rum.“ Das ärgert ihn vor allem mit Blick auf Zahlungen der Sponsoren, ohne die ein solches Großereignis gar nicht denkbar wäre: „Davon kommt bei uns nichts an.“
Dann doch lieber einen Frühschoppen: ein Spaß für alle, der auch noch ein wenig Geld in die Kasse der Freiwilligen Feuerwehr Over-Bullenhausen spült. Den Blick auf die vorbeisausenden Radler gibt es Freihaus und kostenlos dazu.
Respektlosigkeiten der Zuschauer
Die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Harburg sind froh über den Rückhalt und die Entscheidung der Dienstherren (in den meisten Fällen die Bürgermeister), dieses Jahr tatsächlich Nein zu sagen – Nein zur Unterstützung, Hilfe und Sicherung der Cyclassics. Man sei es Leid, wieder und wieder eine kommerzielle Veranstaltung zu unterstützen. 350 freiwillige Einsatzkräfte seien jedes Jahr bei den Cyclassics im Einsatz. Freiwillige Männer und Frauen, auf die am Sonntag eine Familie wartet. In diesem Jahr sogar gepaart mit dem Triathlon „Ironman Hamburg“ nur eine Woche zuvor. Sieben Stunden hätten die Feuerwehrkräfte mindestens wieder damit zugebracht, Strecken abzusperren und dem Veranstalter – in beiden Fällen die Ironman Germany GmbH –, den Zuschauern und den Fahrern ein möglichst sicheres und reibungsloses Rennen zu bieten. Nach 20-jähriger Hilfe sei einer der Hauptgründe, dieses Jahr die Hilfe bei dem Radrennen abzusagen, vor allem auch die teils schwerwiegenden Beschimpfungen und Respektlosigkeiten der Bürger gegenüber den Feuerwehrmännern. „In einzelnen Fällen ging das sogar soweit, dass Anwälte eingeschaltet werden mussten“, sagte Kreisbrandmeister Volker Bellmann.
Die Frage, ob man denn bereit wäre im Falle eines Entgegenkommens des Veranstalters, vielleicht doch wieder die nötige Hilfe zu leisten, verneinte Bellmann: „Es geht uns nicht um Zuwendungen, auch wenn die Angebote da waren.“ Man sei es einfach Leid einer Aufgabe nachzugehen, die nicht in den Aufgabenbereich der Freiwilligen Feuerwehr falle: „Dafür gibt es private Firmen, die bei einer solchen kommerziellen Veranstaltung auch genutzt werden sollten.“
Veranstalter bedauert
Die Veranstalter der Cyclassics bedauern sehr, dass die Feuerwehr die Zusammenarbeit nicht länger fortführen möchte, erklären aber auch: „Wir können die Entscheidung nachvollziehen, sind nach einer Zusammenarbeit mit der Feuerwehr von mehr als 20 Jahren aber natürlich enttäuscht.“ Dass die beiden Sportveranstaltungen an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden stattfanden, sei leider nicht anders zu lösen gewesen.
Als Ersatz für die Hilfe der Feuerwehr wurde der private Sicherheitsdienstleister Contro engagiert, der zu dem Sicherheitsunternehmen Securitas gehört. „Die Arbeit, die vorher von der freiwilligen Feuerwehr ausgeführt wurde, wird in diesem Jahr von einem Dienstleister kompensiert“, so Fredrik Schmidt, Marketing Koordinator des Veranstalters: „Dabei entsteht für uns ein Mehraufwand von 35.000 Euro.“
Ob es bei dem jetzt eingeschlagenen Weg bleibt? Man setze alles daran, die Entscheidung über den Einsatz der Feuerwehr wieder rückgängig zu machen. „Wir werden im nächsten Jahr auf jeden Fall den Dialog suchen. Ziel ist es, die Feuerwehr als Partner zurückzugewinnen“, so der Veranstalter über die Zukunft der Beziehung zur Feuerwehr.
Ereignisse entzerren
Sicher hingegen sei, dass es zwischen Ironman und Cyclassics im nächsten Jahr eine Pause von einem Monat geben soll. Man arbeite außerdem an einem Konzept, die Sportereignisse strukturell voneinander zu trennen: Der Veranstalter will die Cyclassics und den Ironman in unterschiedlichen Landkreisen oder Bundesländern (z. B. Niedersachsen und Hamburg oder Hamburg und Schleswig-Holstein) stattfinden lassen.
Manuela Golz (54), die sich gestern direkt vor ihrem Haus am Elbdeich mit Familie und Freunden postiert hatte, um die Radler anzufeuern, hat wenig Verständnis für die Absage der Feuerwehr: „Ist doch Ehrensache, so etwas zu unterstützen.“