Harburg. Artenreiche Moorwiesenöstlich der Autobahn 1 sind jetzt langfristig geschützt, auch vor dem Zugriff für Bau- oder Logistikprojekte.

Das 34. Hamburger Naturschutzgebiet liegt in Harburg-Neuland: die Neuländer Moorwiesen. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) verkündete bereits vor einem Jahr auf einem Spaziergang durch das Gebiet, dass das 250 Hektar große Areal langfristig geschützt werden solle. Am Dienstag hat der rot-grüne Senat nun das neue Schutzgebiet, das sich östlich der A1 bis zur Landesgrenze mit Niedersachsen erstreckt, beschlossen.

Vor allem Wiesenvögel, die durch die intensive Landwirtschaft immer stärker unter Druck geraten seien, profitierten vom neuen Naturschutzgebiet, betonte Kerstan. „Damit deren Nachwuchs groß wird, kann dieses Gebiet nur extensiv bewirtschaftet werden.“ Ein Großteil des Areals – 150 Hektar – dient seit einigen Jahren als Ausgleichsflächen für verschiedene Bauprojekte, etwa der Ortsumgehung Finkenwerder. Hier schloss die Stadt mit den Landwirten Verträge ab, die die Nutzung der Feuchtwiesen beschränken. Im Gegenzug entschädigt Hamburg den Bauern deren Ertragseinbußen. Um die Funktion des Naturausgleichs für andernorts durchgeführte Eingriffe zu erfüllen, mussten die Flächen zudem ökologisch aufgewertet werden. In diesem Fall heißt das: Sie wurden wieder stärker unter Wasser gesetzt. 21 Kilometer Gräben wurden wiederhergestellt und Stauwehre geschaffen, um den Wasserstand in den Gräben anzuheben. Zudem entstanden 13 neue Kleingewässer und acht Hektar Flachwasserzonen.

Langzeit-Untersuchungen der Vogelwelt zeigten bereits 2015, dass die Maßnahmen besonders den bedrohten Wiesenvögeln helfen: Die Bestände von Bekassine, Kiebitz und Rotschenkel blieben – gegen den allgemeinen Trend – zumindest stabil. Die Löffelente siedelte sich wieder an, Schwarz- und Blaukehlchen ließen sich verstärkt sehen. Im Jahr 2015 brütete erstmals ein Kranichpaar in den neu geschaffenen Flachwasserbereichen der Wiesen und zieht seitdem erfolgreich Nachwuchs groß. Auch die Brutplätze der anderen Vogelarten befinden sich überwiegend auf den renaturierten Ausgleichsflächen.

Jenseits der Vogelwelt hat das Gebiet ebenfalls einen großen ökologischen Wert: Es gibt dort 317 Pflanzenarten, von denen 74 auf der Hamburger oder der deutschen Roten Liste der bedrohten Arten stehen. Auch acht der 33 in den Feuchtwiesen vorkommenden Libellenarten gelten als bedroht.

Die am Dienstag verabschiedete Schutzgebietsverordnung sei keine zusätzliche Belastung für die Landwirte, die die Wiesen bewirtschaften, versicherte Jens Kerstan. Die dort genannten Anforderungen blieben eher gegenüber den vertraglich vereinbarten Einschränkungen zurück. Dazu gehört, dass die Wiesen nicht mit Stickstoff gedüngt und nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden dürfen. Zum Schutz von brütenden Vögeln dürfen die Flächen zu bestimmten Zeiten nicht befahren oder gemäht werden.

Vor einigen Jahren sollte dort ein Logistikpark entstehen

Konflikte mit der Landwirtschaft habe es kaum gegeben, betont der Umweltsenator. Er hält das allgemeine Klagen, dass der Naturschutz durch immer neuer Ausgleichsflächen für Bauprojekte den Landwirten das Leben schwer mache, nicht für stichhaltig. Die Agrarlandschaft sei für den Naturschutz zunehmend wichtig. Umgekehrt profitiere aber auch die Landwirtschaft. Mit Blick auf die Neuländer Moorwiesen sagte Kerstan: „Mit dem Naturschutzgebiet sichern wir auch die Zukunft der Landwirte, die diese Fläche extensiv bewirtschaften. Es ist doch besser, wenn dort Bauprojekte ausgeglichen werden, als wenn die Wiesen selbst Bauprojekten weichen müssten.“

Eine solch große Grünfläche direkt an der Autobahn wecke zahlreiche Begehrlichkeiten, so Kerstan. Vor einigen Jahren habe die Wirtschaftsbehörde die Moorwiesen, ebenso wie die benachbarten naturnahen Wiesen von Gut Moor, noch als Logistikstandort gehandelt, betont der Senator. Die Planung eines 200 Hektar großen Logistikzentrums hatte damals der schwarz-grüne Senat (2008–2010) gestoppt. Eine deutlich kleinere Version entsteht nun jenseits der Autobahn, nordwestlich der Anschlussstelle Harburg.

Ein 40 Meter breiter Grünstreifen entlang der A1-Trasse wurde gestern nicht unter Schutz gestellt. Er könnte eines Tages der Erweiterung der Autobahn dienen.