Harburg. Das Pflanzen von Bäumen und Blumen weckt bei Ex-Michel-Pastor Helge Adolphsen Erinnerungen an den biblischen Garten.
Unseren Umzug aus der Etagenwohnung in ein neues Pastorat habe ich in bleibender Erinnerung. Besonders den ersten Schritt auf die Terrasse in den noch nicht angelegten Garten. Es verlockte mich, mit beiden Händen in die Erde zu greifen. Ein unbeschreibliches Gefühl! Lust und Vorfreude auf das Pflanzen von Bäumen, Sträuchern und Blumen erfüllte mich.
Ich habe jetzt das Glück, einen Garten zu haben. Den haben meine Frau und ich gemeinsam geplant. Wir pflegen ihn auch zusammen. Ein umfriedeter Raum, eine kleine Oase. Ein bisschen wie ein Paradies, besonders in diesen Sommerwochen.
Erinnerung an den biblischen Garten Eden: Bäume mit Früchten, verlockend anzusehen und gut davon zu essen. Die Schatten spenden. In der Mitte des Gartens ein Strom. Er bewässert den Boden und macht ihn zum fruchtbaren Land. Auch ein umfriedeter Raum der Geborgenheit und die ursprüngliche Fülle der Schöpfung. Zwei Menschen im Einklang mit der Natur, die das Geschenk des großen Gärtners Gott ist. Ein Garten für Leib und Seele. Ein Sehnsuchtsort.
Besonders für uns heute, die wir jenseits vom Garten Eden leben. Ein Sinnbild für Frieden und Harmonie. Ein Sehnsuchtsort angesichts von harter Arbeit, Dornen und Disteln des lebens. Von den Sorgen um das tägliche Brot und um die Zukunft der guten, alten Erde. Auch angesichts von Stress und Angst.
Denn die Natur schlägt zurück und bedroht uns. Überschwemmungen, Erdrutsche, Tsunamis… Gärten bleiben Sehnsuchtsorte. Das zeigt sich daran, wie sehr der Garten in der Literatur idealisiert und heute vor allem kommerzialisiert wird. Es gibt gefühlte 1000 Gartenzeitschriften: „Hol dir das Paradies nach Hause.“ Werbesprüche.
So empfinden es vielleicht auch die Schrebergärtner. Die Mieter im Hochhaus schätzen die Alternative. Der Natur nah. Ein eigenes Stück Erde zu haben, ausruhen im Liegestuhl, gute Luft atmen, sich ausarbeiten.
„Der Garten ist der ideale Ort, sich um seine Seele zu kümmern“, sagte der Politiker Cosimo de Medici vor 500 Jahren. Manche Hobbygärtner betonen, dass der Garten ein Lehrmeister für das Leben ist. Für Demut, Fleiß, Ausdauer, Umsicht, Vertrauen und Geduld. Denn so wenig wir das Wetter und das nie zu besiegende Unkraut im Griff haben, se wenig unser Leben überhaupt.
In meiner Heimatstadt Schleswig gibt es einen Bibelgarten. Angelegt ist er im Park des St. Johannisklosters. Im Klostergebäude befindet sich das Bibelzentrum. Im Garten wachsen nur Pflanzen, die in der Bibel vorkommen. Und die im norddeutschen Klima wachsen können: Wein, Wermut, Judasbaum, Jakobsleiter, Granatäpfel, Madonnenlilie. So ist es auch im Bibelgarten des Bibelzentrums Barth in Vorpommern. Dort spricht man gern Platt. Das Johanniskraut wird „Jesuswundenblom“ genannt. Und die Margerite „Preesterkragen“. Sie sieht ja auch so aus wie meine Halskrause zum Hamburger Ornat. Und das Lungenkraut „unser Fruen Melkrut“.
Gärten sind immer Räume des Lebens und Lebensräume für Menschen. Auch der Interkulturelle Garten Hamburg-Wilhelmsburg. Erdacht im Jahr 2006 von einem Arbeitskreis mit Menschen aus der Stadtentwicklung, aus dem sozialen Bereich, der Anwohnerschaft, von Behörden und der Kirche. Die Idee entstand im Zusammenhang der Vorbereitungen für die Internationale Gartenschau 2013. Träger ist ein Verein mit engagierten Mitgliedern.
Das Konzept des interkulturellen Gartens sieht vor, das Projekt mit Migranten und Flüchtlingen gemeinsam zu gestalten. Solche Gärten gibt es auch in anderen Städten Deutschlands und Europas. Beim Gärtnern gibt es keine Sprachbarrieren. Man verständigt sich durch Zeichen und Vormachen mit denen, die noch kein Deutsch können.
Gärtnern ist in fast allen Kulturräumen seit Jahrtausenden eine Kulturtechnik. Das gemeinsame Arbeiten schafft als sinnerfüllende Aufgabe Zufriedenheit. Sie stärkt das Selbstwertgefühl derer, die die dramatischen Bilder ihrer Flucht nicht loswerden.
Was die Beteiligung von Anwohnern am gemeinsamen Gärtnern bewirken kann, hat mir das Beispiel der Kirchengemeinde St. Pauli gezeigt. Das Grundstück um die Kirche war ständig total verdreckt. Bier- und Schnapsflaschen, Müll und Hundekot machten den Park zur Müllhalde.
Meine beiden Kollegen kamen auf die Idee, das Grundstück zu parzellieren und den unmittelbaren Anwohnern jeweils ein kleines Stück kostenlos anzubieten. Die pflanzten dort Blumen und legten Gemüsebeete an. Und sorgten für Ordnung und Sauberkeit. Sie schufen sich so einen Garten als kleines Paradies. Für die Freude am Wachsen und Blühen. Für einen Raum des Lebens jenseits des Gartens Eden.