Harburg. Künftiger Chef Stefan Zimmermann will Freilichtmuseum am Kiekeberg noch rascher an den gesellschaftlichen Wandel anpassen.

Das Kiekeberg Museum soll mit seinen Aktionen und Ausstellungen noch näher an die aktuelle Zeitgeschichte heranrücken. Diesen Kurs steuert Stefan Zimmermann, der zum 1. November Rolf Wiese als Museumsdirektor ablösen wird. „Wir werden uns künftig damit auseinandersetzen, was in den 80er- und 90er-Jahren für Museen attraktiv ist“, sagte Zimmermann bei einem Besuch beim Abendblatt. „In Skandinavien werden schon jetzt Stücke aus dieser Zeit in Museen gezeigt“, so der künftige Kiekeberg-Chef. In Ehestorf hat Wiese mit dem inzwischen durchfinanzierten Projekt „Königsberger Straße“ (siehe Infokasten) diesen Weg bereits eingeschlagen.

Die Frage, was heute zur Alltagskultur gehört, bewege alle Freilichtmuseen nicht nur in Deutschland, versichert Zimmermann. Die Geschwindigkeit für gesellschaftliche Veränderungen habe sich erhöht. Damit kommen die ersten Handys, Computer oder Telefonzellen als museale Ausstellungsstücke infrage. „Bei Massenprodukten wie Telefonzellen reagiert man oft zu spät, um sich noch Exemplare zu sichern“, sagte Zimmermann. Sie seien aber wichtig, um den jungen Generationen das Leben vor den Handys deutlich zu machen. Am Kiekeberg werden bereits Exponate der ersten Elektrotankstellen aufbewahrt.

„Bei den Besuchern von Freilichtmuseen sind derzeit Migranten unter­repräsentiert“, sagt Zimmermann. Hintergrund sei, dass diese sich in der ausgestellten Kultur oftmals nicht wiederfänden. „Diese Menschen werden aber kommen, wenn wir ihre Geschichte in unserem Land erzählen.“ Dazu werde künftig gehören, dass die ersten Eisdielen oder die ersten Dönerbuden in Museen wandern.

Am Kiekeberg beginnt diese Entwicklung jetzt für die kommenden sechs Jahre mit dem Aufbau der Königsberger Straße, die die Zeit bis Ende der 60er-Jahre wiedergibt. Im Gegensatz dazu begrenzt das Bauernhaus-Museum Wolfegg in Oberschwaben, das Zimmermann bislang leitete, seine Exponate auf die Zeit bis in die 50er-Jahre.

Die Mehrzahl der Exponate kommen derzeit unentgeltlich zum Kiekeberg. Die meisten Menschen, die sich melden, sind froh und stolz, dass ihre Erinnerungsstücke einen guten Platz finden. „70 Prozent unserer Sammlung steht aber in den Magazinen“, sagt der angehende Museumschef.

Alles könne jedoch nicht angenommen werden. Es kommt darauf an, ob die Stücke gut genug erhalten sind und ob sie für ihre Zeit als signifikant gelten. Das Museum muss zudem immer wieder „entsammeln“, also sich von Stücken trennen und sie im Zweifelsfall entsorgen. Für das „Entsammeln“ gibt es inzwischen Richtlinien vom Deutschen Museumsbund. Sie sehen aber vor, dass Stücke zunächst auch anderen Museen angeboten werden müssen.

Unter den Freilichtmuseen belegt der Kiekeberg bundesweit, berechnet nach den jährlichen Besucherzahlen, den zweiten Rang. Vor der Einrichtung im Landkreis Harburg liegt nur noch das Museumsdorf Cloppenburg. Ein guter Grund für den 37-jährigen Zimmermann sich für den Wechsel über 700 Kilometer zu entscheiden. „Wenn man Chef am Kiekeberg werden kann, gibt es unter den Freilichtmuseen nicht mehr arg viel Luft nach oben“, sagte er bei seiner Vorstellung vor wenigen Tagen. Beim Abendblattbesuch lobte er die „professionelle Arbeit“ der Einrichtung. „Die gut geölte Maschinerie dort sorgt bei mir für die nötige Gelassenheit.“

„Wir wollen den finanziellen Status auch künftig erhalten“

Der Historiker lässt aber keinen Zweifel daran, was für die Fortsetzung dieser Arbeit nötig sein wird. Dazu gehört die finanzielle Unterstützung durch den Landkreis. Derzeit reicht die Förderung mit jährlich 1,9 Millionen Euro bis Ende 2023. „Wenn wir in die Verhandlungen gehen, setzen wir darauf, dass der Status erhalten bleibt. Wir wollen weiter wachsen und Projekte realisieren.“

Zimmermann hat sich ohnehin schon in Wolfegg damit befasst, finanzielle Mittel zu akquirieren. Bei einem Großprojekt arbeitete er mit 30 Museen und der EU zusammen. Diese internationalen Erfahrungen hatten ihn offensichtlich auch bei seiner Bewerbung in den Landkreis Harburg ganz nach vorn gebracht. Am Kiekeberg helfen neben dem Landkreis und den Eintrittsgeldern, die 2016 bei 830.000 Euro lagen, der Förderverein und nicht zuletzt Einnahmen aus dem Verkauf einer selbst entwickelten Museums-Software.

Rat wird sich Zimmermann auch künftig bei Rolf Wiese holen können. Der langjährige Kiekeberg-Chef bleibt auch nach seinem Abschied erreichbar. „Ich kann mir durchaus vorstellen“, so Zimmermann, „dass wir uns auch nach dem 1. November noch auf der Terrasse oder im Garten von Rolf Wiese treffen.“