Harburg. Häusliche Gewalt oder Inszenierung? Amtsgericht Harburg verhandelt Ehestreitha
Vordergründig geht es um Körperverletzung. Um Schläge mit einer Packung Maiskolben auf den Kopf und eine Backpfeife auf die Wange, die der Ägypter Farid B. (Name geändert) seiner Ehefrau zugefügt haben soll. Die Verhandlung, die vor dem Amtsgericht Harburg mit dem ersten Prozesstag begonnen hat, macht aber schnell deutlich: Der Fall häuslicher Gewalt ist nur die Eskalation in einem Familiendrama im arabischen Akademikermilieu, in dem es um die Bereitschaft zur Integration in die deutsche Gesellschaft geht.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 31 Jahre alten Farid B. vor, am 4. August 2016 seine Ehefrau Kija (Name geändert) in der damals gemeinsamen Wohnung im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort geschlagen und verletzt zu haben. Eine Beule an der Stirn der 29 Jahre alten Frau und eine Hautabschürfung hat die Polizei mit einem Foto dokumentiert.
Die zuständige Richterin sieht sich mit zwei Aussagen konfrontiert, die unterschiedlicher kaum sein können. Farid B. behauptet, sein Frau niemals geschlagen zu. Vielmehr würde „die Kindesmutter“, wie er seine Frau nennt, mit Inszenierungen versuchen, das alleinige Sorgerecht für den drei Jahre alten Sohn zu erhalten, mit dem Ziel, sich mit dem Kind nach Ägypten abzusetzen. Farid B., im vergangenen Jahr noch Architekturstudent und heute Ingenieur, wirkt besonnen, spricht fließend Deutsch.
Anders als seine Frau Kija, die seit Anfang des Jahres getrennt von ihrem Mann in einer Wohnung lebt, die das Jugendamt ihr vermittelt hat. Die Ägypterin spricht Arabisch vor Gericht, ein Dolmetscher übersetzt. Die energisch wirkende Frau, die ein Kopftuch trägt, wirft ihrem Ehemann und seiner Familie vor, sie an der Integration in Deutschland zu hindern. Kija, die in Ägypten Wirtschaft studiert hat und in Deutschland keinen Beruf ausübt, beschreibt sich als Opfer einer patriarchalisch handelnden Familie. „Die dachten, die holen sich eine Ägypterin, die ihnen dienen soll“, antwortet sie auf die Frage, warum die Schwestern des Angeklagten gut Deutsch sprächen und integriert seien. In ihrem Heimatland sei sie wer, weil sie studiert habe, sagt Kija noch.
Farid B. räumt „Missverständnisse“ zwischen ihm und seiner Frau ein, streitet aber ab, seine Frau jemals geschlagen zu haben. Er schildert den Abend, als es zu den Schlägen mit einer Packung Mais gekommen sein soll, so: Als er von der Arbeit nach Hause gekommen war, sei der Kleiderschrank beschädigt gewesen. Seine Frau habe daneben auf dem Bett gesessen – merkwürdigerweise verschleiert, was sie sonst nicht sei. Farid B. vermutet, dass sie sich die Hautrötungen selbst zugezogen habe, um sich als Opfer zu inszenieren. Maiskolben seien nicht in der Wohnung gewesen. Offenbar hat auch die Polizei den Mais nicht im Protokoll erwähnt. Warum nicht, ist offen.
Kija dagegen beschreibt ihren Ehemann als Provokateur, der sie in ihrer Ehre verletzten wolle. Sie behauptet, an dem Tatabend nicht verschleiert gewesen zu sein. Farid B. habe sie mit dem Mais, den sie zuvor in Aluminium verpackt und in einem Fach über dem Kühlschrank gelegt habe, auf den Kopf geschlagen. Deshalb habe sie die Polizei gerufen.
Das Amtsrichterin will nun die Polizeibeamten und einen Mitarbeiter des Jugendamtes befragen. Die Verhandlung wird im August fortgesetzt. Der genaue Termin steht noch nicht fest.