Das Fachwerkhaus an der Straße Karnapp 5 stammt aus der Zeit um 1640 und ist Harburgern am besten bekannt als Spirituosen- und Weinlokal. Jetzt plant der Harburger Karriereberater Jo Riehle die Wiedereröffnung mit einem völlig neuen Konzept
Fast ein Jahr stand das Lokal leer. Jetzt soll der „Graue Esel“ an der Straße Karnapp wieder zu neuem Leben erwachen. Der Harburger Karriereberater Jo Riehle eröffnet im September in dem etwa 400 Jahre alten Haus mit der Nummer 5 das erste „Coaching-Café“ im Hamburger Süden. Künftig soll das schmucke Lokal am Rande des Harburger Binnenhafens Firmen als Ort für kreative Arbeitsprozesse, Workshops und Seminare dienen. Ausgestattet mit modernstem technischen Equipment und der notwendigen Infrastruktur wie Internetzugang, Beamer, Flipcharts und Moderatorenmaterial, können Firmen den 50 Quadratmeter großen Raum für kreative Arbeitsprozesse, Workshops und Seminare mieten. Etwa 20 Personen können hier tagen. Darüber hinaus soll der „Graue Esel“ wieder zum Treffpunkt der Harburger werden. „Es wird Kuchen und kleine salzige Gerichte sowie heiße und kalte Getränke geben“, sagt Betreiber Jo Riehle, der nicht nur als Gastronom, sondern vor allem als Coach und Karriereberater den „Grauen Esel“ zum Laufen bringen möchte. An drei Tagen die Woche wird Riehle, langjähriger Pestizidexperte der Eurofins Dr. Specht Laboratorien, Karriereberater, Coach und Key Account Manager, persönlich vor Ort sein und als Residenz-Coach und Gesprächspartner seinen Gästen zur Verfügung stehen.
„Hier kann künftig – je nach Fragestellung - beliebig zwischen Arbeit und Vergnügen im wahrsten Sinne ‘umgeschaltet’ werden“, sagt Jo Riehle. „Wir wollen mit dem ‘Grauen Esel’ eine Alternative schaffen zu öden Seminarräumen und trister Büroatmosphäre, einen Ort, an dem es sich in guter Atmosphäre arbeiten aber auch mal verschnaufen lässt.“ Knapp 20.000 Euro hat der zukünftige Wirt in den vergangenen Monaten in Umbau und Ausstattung des 50 Quadratmeter großen Gastroraumes investiert. Er hat Lichtleisten montiert, Kabel verlegen lassen und Möbel besorgt, die sich sowohl zum Arbeiten als auch zum Chillen eignen. Und er hat mit seinem Arbeitgeber gesprochen, bei dem er seit über 15 Jahren angestellt ist, und seinem Chef gesagt, dass er so wie bisher nicht weitermachen will. „Ich wusste schon länger, dass ich irgendwann mal etwas anderes machen möchte“, sagt der 44-Jährige. „Meine Devise ist, dass man Dinge ändern sollte, solange sie noch Spaß machen und nicht erst dann, wenn man bereits im Loch sitzt.“
Jo Riehle ist ein Mensch, der die Herausforderung liebt
Wer begreifen will, wie das zusammenpasst, und warum einer wie Riehle, der fast ganz oben auf der Karriereleiter angekommen ist, den sicheren und bequemen Pfad verlässt, muss mehr über diesen umtriebigen Heimfelder mit dem schwäbischen Akzent wissen. Denn Jo Riehle ist eben nicht nur ein Lebensmittelchemiker mit Führungserfahrung, sondern ein Mensch, der die Herausforderung liebt. Einer, der analysieren kann, andere motivieren und beraten. Er mag es, Konflikte zu lösen und zwischen Menschen zu vermitteln.
Um diese Gabe auszubauen, ließ er sich vor drei Jahren an der Akademie von Martin Wehrle, Deutschlands bekanntestem Lebenscoach, zum Karriereberater ausbilden. Seitdem macht er nebenbei an den Unis Bewerbertraining und engagiert sich als Berater des Vorstands der Deutschen Diabetes Hilfe.
Riehle hätte eine Geschäftsführerkarriere im Eurofins-Konzern anstreben können, aber er entscheidet sich für einen anderen Weg. Weil er neue Aufgaben mag, es spannend findet, die eigenen Grenzen zu überwinden. „Ich bin überzeugt davon, dass jeder von uns sich erfolgreich verändern kann, wenn er fest an sich und sein Ziel glaubt“, sagt er. Diese Erfahrung hat er selbst vor zehn Jahren machen dürfen. „Damals wog ich knapp 100 Kilo bei einer Größe von 1,72 Metern“, sagt er. „Mein Arzt hat mir gesagt, wenn du so weitermachst, wirst du krank. Also habe ich mir ein Rennrad gekauft und beschlossen, abzunehmen.“ Innerhalb von sechs Monaten verliert er 25 Kilo. Als er 2008 bei seinen ersten Cyclassics an den Start geht, bringt er 72 Kilo auf die Wage. Ein Jahr später läuft er seinen ersten Halbmarathon, 2013 seinen ersten Marathon in Hamburg. Seitdem ist er siebenmal bei einem Marathon gestartet. Alles läuft bestens, auch beruflich. Seit Anfang des Jahres leitet er eine Abteilung mit 80 Mitarbeitern. Und dennoch trifft er im Februar den Entschluss, sich zumindest teilweise aus dem Unternehmen zurückzuziehen und sich als Karriereberater im „Grauen Esel“ selbstständig zu machen.
Offizielle Eröffnung wird in den Speicher ausgelagert
Auf die Location ist er mehr oder weniger zufällig gestoßen. „Ich wollte meine Frau nachträglich zum Geburtstag auf ein Glas Wein in den „Grauen Esel“ einladen“, sagt er. „Doch der Laden war dicht. Und im Fenster hing ein kleiner Zettel: ,Zu vermieten’.“ Schon am Wochenende darauf vereinbart er einen Besichtigungstermin mit Hauseigentümer Geert Fischer.
So ganz ins kalte Wasser aber will Jo Riehle dann doch nicht springen. „Ich habe mich mit meinem Arbeitgeber auf eine 40-Prozent-Stelle geeinigt, so dass ich an zwei Tagen die Woche dem Labor zur Verfügung stehen werde.“ Den Rest der Zeit will der coachende Gastwirt in den „Grauen Esel“ investieren. Zunächst soll das Café dienstags, donnerstags von 14.30 bis 18.30 Uhr sowie freitags von 14.30 bis open end geöffnet sein. Die offizielle Eröffnung findet am 1. September statt, allerdings nicht im „Grauen Esel“, sondern im Speicher am Kaufhauskanal (s. Info). Rund 150 Gäste werden erwartet. Denn trotz großer Visionen ist der „Graue Esel“ für das Event dann doch zu klein.